Annweiler/Rinnthal Anwohner zu B10-Umleitung: „Die Nerven liegen blank“

In den Umleitungsdörfern ist viel Verkehr und wenig Platz.
In den Umleitungsdörfern ist viel Verkehr und wenig Platz.

Die B10-Sperrung bei Annweiler bewegt die Gemüter. Sowohl Ausbau-Befürworter als auch -Gegner nutzen das Verkehrschaos in den Umleitungsdörfern, um Werbung für ihre Positionen zu machen. Derweil versucht ein Ortspolitiker, die Straßenplaner mit einem offenen Brief unter Druck zu setzen.

Seit zweieinhalb Wochen quält sich der Verkehr, der sonst über die viel befahrene Ost-West-Tangente der B10 rollt, durch die Ortsdurchfahrten von Rinnthal und Sarnstall. Noch bis zum 18. Oktober sollen die Bauarbeiten auf dem Streckenabschnitt zwischen Rinnthal und Annweiler-West dauern. Noch sechseinhalb Wochen Umleitungschaos in den Anrainerdörfern. Und gerade hat die Schule wieder begonnen, was vielen Eltern noch mehr Sorgenfalten auf die Stirn treibt, ist der Gang über die von Lastern und Autos geflutete Ortsstraße doch schon für Erwachsene ein Spießrutenlauf. Wie steht es dann erst um die Sicherheit der Sprösslinge? Die Anwohner sind genervt. Immerhin zeigt die Polizei mittlerweile mehr Präsenz und kontrolliert verstärkt den Lkw-Verkehr und das Tempolimit.

Gernot Neuer ist das nicht genug. Das Ortsbeiratsmitglied von Sarnstall ist Anwohner der Ortsdurchfahrt und hat einen offenen Brief an den Landesbetrieb Mobilität (LBM) in Speyer geschrieben. „Es entstehen Risse an den Häusern durch die Erschütterungen, der Lärm ist nicht auszuhalten, man wird mit Gesten und Beleidigungen beschimpft, wenn man in seinem Hof einparken will“, schildert er. Kurzum: „Die Nerven liegen blank.“ Die Sanierung müsse gemacht werden, das sei allen klar, aber ihm fehle mittlerweile das Verständnis für die Fehler und Versäumnisse, die bei jeder Sperrung gemacht würden, hält er dem LBM vor. Als Beispiel erinnert er an die Kreisel-Sperrung bei Annweiler im Vorfeld der jetzigen B10-Sperrung, bei der der LBM zunächst Laster und Busse im Begegnungsverkehr durch die engen, kurvigen und steilen Straßen von Wernersberg schickte. Erst nach etlichen brenzligen Situationen änderte die Behörde die Umleitungsführung.

Umleitung für osteuropäische Lkw-Fahrer schwer verständlich

Neuer macht dem LBM daher eine ganze Liste von Verbesserungsvorschlägen, angefangen von einer einseitigen Fahrbahnverengung am Ortseingang zum Drosseln des Tempos über eine zweite Ampel in der Ortsmitte und Schulweg-Schilder bis zu einer ordentlichen und verständlichen Beschilderung der Bedarfsumleitung für Brummifahrer. Während der Arbeiten ist die B10 nämlich zwischen Landau und Pirmasens für den Transit-Schwerlastverkehr gesperrt. Nur halten sich viele Fahrer nicht daran, wie die bisherigen Polizeikontrollen ergaben.

50 bis 70 Prozent seien unberechtigt durch Rinnthal und Sarnstall unterwegs, rekapituliert Werner Schreiner, Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative (BI) Queichtal. Er führt dies auf die unverständliche Umleitungsbeschilderung für die der deutschen Sprache überwiegend nicht mächtigen Lkw-Fahrer aus Osteuropa zurück, aber auch auf die mangelhafte digitale Berücksichtigung und Verkehrslenkung über die Navigationssysteme und den zu Beginn gänzlich fehlenden Kontrolldruck der Polizei.

Misere wegen unzulänglicher Vorarbeiten

Schreiner reagiert mit seinem Schreiben auf die Stellungnahme der BI Vier Spuren jetzt. Vorstand Erich Weiss aus Pirmasens hatte das aktuelle Umleitungschaos in den Dörfern als Folge der Dreispurigkeit der B10 bezeichnet und dies zum Anlass genommen, den Ausbau der B10 entsprechend dem heutigen Verkehrsaufkommen zu fordern. Ausbau-Kritiker Schreiner empfindet es als „abwegig, engstirnig und gegenüber den Anwohnern fast schon zynisch“, dass Weiss angesichts der aktuellen massiven Verkehrsprobleme auf der B10-Umleitungsstrecke nichts Besseres einfalle, als reflexartig den vierspurigen Ausbau zu fordern.

Nach seiner Ansicht hat die aktuelle Misere ihre Ursachen nicht in der fehlenden Vierspurigkeit der B10, sondern in den unzulänglichen Vorarbeiten der zuständigen Planungs- und Kontrollbehörden – „nach dem Prinzip Augen zu und durch“. Die BI Queichtal nutzt ihre Stellungnahme zu dem Thema hingegen, um zu betonen, wie wichtig es angesichts der sich verschärfenden Klimakrise und der Lage im Biosphärenreservat Pfälzerwald sei, den Güterverkehr zu reduzieren und auf die Schiene zu verlagern. Sollte die B10 vierspurig ausgebaut werden, drohe eine „Lkw-Lawine“ mit prognostizierten 10.000 Lastern pro Tag.

Schiene statt Fernstraße

Ins gleiche Horn bläst Ulrich Mohr vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Südpfalz, der ebenfalls auf die Stellungnahme der BI Vier Spuren jetzt reagiert. Weiss nutze den Verkehrsstress der Queichtalbevölkerung, um Reklame für eine Verkehrspolitik von gestern zu machen, hält Mohr dem Pirmasenser vor. Denn der B10-Ausbau würde zur Folge haben, dass noch mehr Transitverkehr zwischen Osteuropa und Atlantik mitten durch die Pfalz rausche, ohne dass die regionale Wirtschaft davon profitiere. Vielmehr könne sich die Region mit der Fertigstellung der „Lkw-Schleuder“ einen wachsenden sanften Tourismus im Biosphärenreservat abschminken.

Zur Bewältigung des Ziel- und Quellverkehrs zwischen Pirmasens und Landau brauche es keine „Autobahn“. Mohr fordert eine zügige und durchgreifende Verkehrswende. Etwa nach Schweizer Vorbild. Dort würden seit Eröffnung des Gotthard-Basistunnels Lkw im Europatransit huckepack auf die Schiene gebracht. „Bei uns gibt es genug Schienenstränge, die für dieses Verfahren geeignet wären. Man müsste sie nur ausbauen, elektrifizieren und modernisieren“, so der BUND-Vertreter.

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