Kusel Interview: Schlagzeuger Achim Seyler über die Lust an neuen Klängen

„Die Stücke, die wir spielen, sind nicht ,sperrig’, davon bin ich überzeugt“, sagt Percussionist Achim Seyler, hier bei einem Au
»Die Stücke, die wir spielen, sind nicht ,sperrig’, davon bin ich überzeugt«, sagt Percussionist Achim Seyler, hier bei einem Auftritt 2022 in Offenbach-Hundheim.

Der aus Langenbach stammende Schlagzeuger Achim Seyler stellt am 4. März in der Fritz-Wunderlich-Halle mit dem renommierten Schlagquartett Köln zeitgenössische Kompositionen vor. Konstanze Führlbeck hat sich vorab mit ihm über das Programm unterhalten, in dem auch Miroslav Klose eine Rolle spielt.

Herr Seyler, Sie haben hier in Kusel noch vor Corona eine Reihe zeitgenössischer Kammermusik ins Leben gerufen.
Ja, und ich bin sehr froh darüber. Wir haben nach dem ersten Konzert so viele positive Rückmeldungen erhalten, dass daraus eine Reihe geworden ist. Nachdem Sonia Achkar, die ja auch aus Kusel stammt, mit ihrem Trio schon da war, dachte ich, wir könnten etwas mit dem Schlagquartett Köln machen, dem ich ja seit 30 Jahren angehöre.

Welche Werke stehen denn am Samstagabend auf dem Programm?
Wir wollen Werke präsentieren, die hier in der Gegend nicht gängig sind, die wir aber gut und interessant finden. Zum Beispiel „Dressur“ von Maurizio Kagel. Das ist wie eine Zirkusmanege aufgebaut, und das passt gut in die Fritz-Wunderlich-Halle. Wenn man im Parkett spielt, hat man als Musiker eine Sicht wie in einer Manege. Außerdem setzt sich „Dressur“ mit den Zwängen des Musiklebens auseinander, wie zum Beispiel dem ständigen Üben.

Dann stellen wir das „Herbstfestival“ von Nikolaus Anton Huber vor. Wir spielen auch viel neues Musiktheater. In dem Stück „Hirn und Ei“ von Carola Bauckholt spielt das Visuelle eine enorme Rolle. Was komponiert ist, was man hört, wird auch als Aktion der Erzeugung gezeigt. Die Aktionen bedingen hier die Klänge. Und auf den Leib geschrieben ist uns dieses Stück, weil da auch Goretex-Jacken eine Rolle spielen. Aber mehr möchte ich darüber nicht verraten!

Im herkömmlichen Musiktheater sitzt das Orchester im Graben, und die Aktionen spielen sich auf der Bühne ab. Aber das, was von den Interpreten gespielt wird, hat ja auch schon eine szenische Qualität. Aus der Musik selbst entsteht eine Handlung, die Musik integriert den Akt des Musizierens als performatives Element in das Werk. Und Carola Bauckholt hat eine unglaubliche Sensibilität, Alltagsgeräusche wahrzunehmen und auszuloten, sie in einen Kontext zu setzen.

Einige Stücke, die Sie spielen, sind eigens für das Schlagquartett Köln geschrieben worden?
Ja, auch „Ballare“ von Oxana Omelchuk aus dem Jahr 2014, dem Jahr der Fußball WM. Es verbindet Fußball mit Musik. Da gibt es einen kurzen Ausschnitt aus einem Fußballspiel. Aus dieser videobearbeiteten Sequenz erwachsen klangliche Interaktionen zu den Bewegungen. Die vier Drumsets haben einen direkten Bezug zu Miroslav Klose, der auch in dem Video vorkommt.

Lokalmatador Miroslav Klose, hier nach dem Gewinn der Fußball-WM 2014, kommt beim Konzert am 4. März in einem Stück und Video zu
Lokalmatador Miroslav Klose, hier nach dem Gewinn der Fußball-WM 2014, kommt beim Konzert am 4. März in einem Stück und Video zu Ehren.

Neue Musik gilt oft bei Veranstaltern und Publikum als „schwer zugänglich“. Wie gehen Sie als Künstler und Interpret mit dieser Zuschreibung um?
Jede Musik war irgendwann einmal neu. Warum gilt das heute eigentlich als „schwer“? Kein Stück ist schwer zugänglich, allerdings wird „Neue Musik“ im Klassikbetrieb leider oft ausgeblendet. Als Interpret hat man tolle Möglichkeiten. Man kann mit dem Komponisten zusammenarbeiten, vielleicht auch Instrumente aussuchen. Bei einer diffusen Klangentstehung kann man eine Idee entwickeln, wie man das notieren und umsetzen kann. Jedes Werk braucht doch erst mal die Chance, aufgeführt zu werden.

Die Stücke, die wir spielen, sind nicht „sperrig“, davon bin ich überzeugt. Man muss sich einfach nur trauen. Es geht doch um die Suche nach neuen Klängen und Ausdrucksformen. Der Zugang kann sich intuitiv ergeben, bei einer gewissen Offenheit. Viele haben schon mehr „zeitgenössische“ Musik gehört, als ihnen bewusst ist, zum Beispiel als Filmmusik. In Stanley Kubricks „Shining“ gibt es Musik von Bela Bartok und György Ligeti.

Im Schlagquartett Köln ist Achim Seyler (rechts) seit 1992 aktiv. Seine Mitmusiker sind Dirk Rothbrust, Boris Mueller und Thomas
Im Schlagquartett Köln ist Achim Seyler (rechts) seit 1992 aktiv. Seine Mitmusiker sind Dirk Rothbrust, Boris Mueller und Thomas Meixner (von links).

Die Vielfalt der Schlaginstrumente, die aus aller Welt zusammenkommen, hat sich erst im 20. Jahrhundert entwickelt. Im klassischen Orchester steht man als Schlagzeuger oft nur rum und zählt bei der Pauke die Pausentakte. Man redet heute viel von Transformation. Da gibt es dann „begehbare Geschichtsbücher“ in Museen. Das ist ein rückwärtsgewandter Blick. Man kann doch auch Neues wagen.

Was fasziniert Sie persönlich an der zeitgenössischen Musik?
Ich bin neugierig! Dinge, die ich schon kenne, finde ich relativ schnell langweilig. Ich finde es spannend, sich mit Leuten auseinanderzusetzen, die neue Ideen haben. Das geht mit zeitgenössischen Komponisten. Da habe ich eben gerade nicht nur eine Partitur, die seit 200 Jahren unverändert ist. Das allein finde ich zu wenig. Um die Sinne zu schärfen, muss man auch neue Eindrücke aufnehmen. Dazu hat man sie ja. Und bei meinem Instrument, dem Schlagzeug, kann man sich immer fragen: Wo – in welchem Gegenstand – stecken welche Klänge drin? Wie muss man die Gegenstände behandeln, damit Klang herauskommt? Die Physik setzt sich wissenschaftlich mit diesem Phänomen auseinander und Komponisten bringen das Ganze in eine individuell geordnete Form.

Zur Person

Achim Seyler, geboren 1968 in Kusel und wohnhaft in Langenbach, ist Berufsmusiker. Schlagzeug hat er an der Hochschule für Musik und Tanz Köln sowie der Universidade de São Paulo, Brasilien, studiert. Seit 1992 ist er Mitglied des Schlagquartett Köln. Er wirkte an zahlreichen Musiktheaterprojekten, Uraufführungen, CD-, Hörfunk- und Filmaufnahmen mit.

Das Konzert

Das Schlagquartett Köln tritt am Samstag, 4. März, ab 19.30 Uhr in der Fritz-Wunderlich-Halle in Kusel auf. Karten gibt es vorab beim Bürgerbüro der Kreisverwaltung Kusel, Trierer Str. 49-51, bei der Tourist-Information Kusel, Bahnhofstr. 67, sowie im Internet bei Ticket regional

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