Kusel „Von Vollkorn kann in der Region keiner leben“
Waldmohr. Gewohntes erhalten und auf gesunder Basis weitermachen, aber nicht erweitern. So erläutert Stefan Reichhart die Ziele der gleichnamigen Großbäckerei. Zusammen mit seinem Bruder Michael leitet er in zweiter Generation den Familienbetrieb mit 114 Beschäftigten, der 13 Filialen in der Pfalz und im Saarland hat.
Im vergangenen Jahr ist der Netto-Markt in Rammelsbach hinzugekommen, die Niederlassung in Herschweiler-Pettersheim wurde hingegen geschlossen. Die Zusammenarbeit mit dem Discounter Netto sieht Reichhart mit gemischten Gefühlen. Denn dieser betreibe mittlerweile auch Backstationen – mit der kompletten Palette an Backwaren. Und die Discounter, das seien nach wie vor die Hauptkonkurrenten der traditionellen Bäckereien. Wie kann ein Familienbetrieb da noch punkten? „Mit Spezialitäten“, sagt Stefan Reichhart. Etwa den Kuchen, die je nach Saison angeboten werden. Rhabarber sei fertig, jetzt folge der frische Kirschkuchen. Dass rechtzeitig zur Gewa in Waldmohr der erste Erdbeerkuchen im Messecafé angeboten wurde, sei gut angekommen, erinnert er sich. Das Sortiment wurde bei Reichhart nicht verändert, auch die Preise blieben im vergangenen Jahr konstant. Zwar werde auch Bio-Getreide von Schnitzer aus dem Schwarzwald verbacken, aber: „Von Vollkorn allein kann keiner in der Region leben“, weiß Reichhart. Das sei nur in anderen Gegenden Deutschlands der Fall. Mit einem neuen Grillbrot – vier Gebäckstücke am Spieß, die kurz auf den Grill kommen – versucht man an heißen Sommertagen zu punkten. Gut im Geschäft ist die Bäckerei nach wie vor mit Hochzeitstorten. Seit sie sich bei einer Hochzeitsmesse in Homburg präsentierte, gab es einen wahren Boom. „Wir haben auch Anfragen aus Kaiserslautern, Weilerbach und dem Saarland“, berichtet Reichhart. Wer sich eine Weile im Hauptgeschäft in Waldmohr aufhält, erkennt rasch: Hier verkehrt hauptsächlich Stammkundschaft. Fast jeder wird mit Namen angesprochen. Das sei auch sehr wichtig, erklärt Reichhart, schon die Auszubildenden würden dahingehend geschult. Fünf gibt es zurzeit im Verkauf, drei in der Produktion. Dass ein junger Mann Konditor lernt, freut Reichhart besonders, denn: „Dafür braucht man Herzblut.“ Doch grundsätzlich sei es schwer, Auszubildende zum Bäcker zu finden: „Wer steht schon gerne nachts auf?“ Nachdem vor zwei Jahren die Rohstoffpreise angestiegen waren, machen Reichhart jetzt die Energiepreise Sorgen. Da müsse man auf den Cent gucken und knallhart verhandeln. Zwar gebe es spezielle Bäckertarife für Gas und Strom, doch komme auf alles ja auch noch die Umlage für erneuerbare Energien drauf – „und all das muss in der Kalkulation untergebracht werden“. Umsatzzahlen will das Unternehmen aber nicht nennen. Die Bäckerei Reichhart hat auch in diesem Jahr ihre Produkte wieder bei der Brotprüfung vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks untersuchen lassen. „Da haben wir mit gut und sehr gut abgeschnitten“, freut sich Reichhart. Er nimmt auch regelmäßig an Seminaren in der Akademie des deutschen Bäckerhandwerks teil. Zuletzt ging es da um „Food-Fotografie“. Sprich darum, die eigenen Produkte möglichst vorteilhaft abzulichten, um sie noch besser vermarkten zu können. (ba)