Kusel Verteidigungsstrategie des Angeklagten zerpflückt

Kriminalistischer Spürsinn zählt nicht unbedingt zu den Eigenschaften, die ein Richter mitbringen muss. Verfügt er über eben solchen, kann dies aber keinesfalls schaden. Dies hat am Dienstag der Strafrichter am Amtsgericht Kusel bewiesen. Mit scharfem Blick auf Tatort-Fotos zerpflückte er die Verteidigungsstrategie eines 20 Jahre alten Angeklagten, der damit eines Drogendelikts überführt war.

Die Argumentation des Mannes war gar nicht mal so weit von der Hand zu weisen. „Warum hätte ich das tun sollen?“, lautete seine rhetorische Frage, ob die Sachlage vielleicht doch nicht ganz so klar sei, wie sie sich nach den Ermittlungen der Polizei und der Anklage der Staatsanwaltschaft darstelle. Die Strafverfolger hatten dem Mann den Besitz von Betäubungsmitteln zur Last gelegt. In seinem Auto waren im Sommer vergangenen Jahres 31 Gramm Marihuana gefunden worden. Dies allerdings unter nicht gerade alltäglichen Umständen. Bei der Polizei in Kaiserslautern war ein Hinweis eingegangen auf ein Fahrzeug, das mit zerdepperter Seitenscheibe auf einem Parkplatz abgestellt war. Eine Streife fand einen Wagen, in den offenbar jemand hatte einbrechen wollen. Die Scheibe war kaputt, Scherben lagen im Auto-Innenraum – und das Tatwerkzeug mittendrin. Ein Hammer zeugte von der Zerstörungswut, die der oder die Täter an den Tag gelegt hatten. Wobei: Passiert ist es wohl eher nachts. Genau feststellen ließ sich das nicht mehr. Den Täter hat die Polizei nicht ermitteln können. Doch hat etwas anderes dazu geführt, dass dieser Fall nun ein juristisches Nachspiel hatte: Die Polizisten entdeckten im Innern des Mercedes sofort ein Einmachglas, das da für jedermann sichtbar abgestellt war. In dem Glas fand sich der größte Teil des Rauschmittels, ein paar Gramm waren auch noch in einem Etui verborgen. Die Polizei ging davon aus, dass die Drogen dem Fahrzeughalter gehören. Und das war eben der 20-Jährige. Der jedoch, wie er am Dienstag behauptete, damit gar nichts zu tun haben will. „Das ist mir untergeschoben worden“, gab der Angeklagte zu Protokoll. Jemand habe ihm ganz offensichtlich schaden wollen. Dies müsse den Juristen doch einleuchten. „Ich wäre doch blöd, wenn ich das Zeug so offen vorn im Auto stehen lassen würde. Ich hätte es doch einfach ins Handschuhfach stecken können.“ Daraufhin zog der Richter die Fotos aus der Akte hervor. Um beim näheren Hinsehen festzustellen: „Oh, sehen sie das? Das sind offenbar kleine Splitter, die auf dem Glas liegen.“ Dramaturgische Pause. „Da müsste sich ja jemand schrecklich Mühe gegeben haben, um sie hereinzulegen“, gab der Vorsitzende zu bedenken. „Da soll also einer die Scheibe eingeschlagen, das Glas reingestellt und danach die Splitter obendrauf und drumherum drapiert haben?“ Dies überzeugte auch die Staatsanwältin. „Wir haben hier bewiesen, dass es so war, wie in der Anklage dargelegt“, betonte sie in ihrem Schlussvortrag. Allerdings gab die Anklagevertreterin noch etwas zu bedenken: Wenn es jemand darauf angelegt hätte, dem 20-Jährigen eins auszuwischen, warum hätte er dann eine solche Menge nehmen sollen? „Das hat ja einen gewissen Wert. Und weit weniger hätte ja schon ausgereicht, um Sie in Schwierigkeiten zu bringen.“ Die Schwierigkeiten aber bleiben überschaubar. Weil der Mann gemäß Jugendstrafrecht verurteilt wurde, musste er sich nur eine mündliche Verwarnung anhören. Zudem muss er an drei Suchtberatungsgesprächen teilnehmen und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Immerhin: Der 20-Jährige hat sich dem Prozess gestellt. Damit hatten die Juristen nicht gerechnet. Denn der Versuch, den Mann polizeilich vorzuführen, war bereits gescheitert. Die Polizei hatte ihn nicht ausfindig machen können. Kurz vor Verhandlungsbeginn aber hatte er im Gericht angerufen – er sei noch auf der Autobahn unterwegs. Ihn zu laden, das war nicht so einfach: Der Mann, bis dato in einem Ort im nördlichen Kreisgebiet gemeldet, hat seit Dezember keinen festen Wohnsitz mehr, lebt nach eigenem Bekunden „bei Freunden, mal hier, mal da“.

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