Kusel Oft werden die Symptome verkannt

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Kusel/Sylt. Niesen, eine verstopfte Nase, Konzentrationsschwäche. Das sind nur einige Symptome, mit denen Menschen, die an Heuschnupfen leiden, zu kämpfen haben. Sven Holler sprach mit Norbert Buhles, Chefarzt für Dermato-logie und Allergologie an der Asklepios Nordseeklinik auf Sylt, über Symptome der Erkrankung, Therapiemöglichkeiten und seinen Geburtsort Waldmohr.

Herr Buhles, haben Sie im Moment viel mit Heuschnupfenpatienten zu tun?

Aktuell betreuen wir über 100 Patienten stationär, rund ein Drittel davon sind Heuschnupfenpatienten. Meist leiden diese aber noch an anderen Krankheiten wie Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergien. Mit welchen Symptomen plagen sich Betroffene in der Regel herum? Die typischen Leitsymptome des Heuschnupfens sind ein Kribbeln der Nase, Juckreiz der Bindehäute der Augen, tränende Augen, Niesen, eine verstopfte Nase – oft verbunden mit Kopfschmerzen –, Schlafstörungen und Konzentrationsschwäche. Ist Heuschnupfen eine ernstzunehmende Erkrankung oder eher eine Bagatelle, die nach wenigen Wochen erledigt ist? Wenn wir Glück haben, hat der Patient nur eine Allergie auf eine Pollensorte in der Luft, die nach einigen Wochen ausgestanden ist. Es hängt von der Konstitution des Patienten ab, ob Heuschnupfen eine Bagatelle ist. Es gibt aber auch Patienten, bei denen Heuschnupfen eine langwierige Erkrankung ist. Vor allem wenn es zum sogenannten Etagenwechsel kommt, dann sind nicht mehr nur die Nase, sondern auch die Bronchien oder die Lunge betroffen, was zu Asthma führen kann. Oder wenn Patienten noch weitere Allergien (Hausstaubmilben, Nahrungsmittel oder ähnliches) haben. Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen? Mitte Dezember wurde über den Flug von Haselpollen berichtet. Das ist rund sechs Wochen vor der eigentlichen Blütenbelastung. Je nach Wetter und Region kann der Betroffene bis Mitte Februar mit den Symptomen durch sein. Reagiert der Patient auch auf Haselnüsse allergisch, können beim Essen ähnliche Symptome auftreten. Diese reichen vom Kribbeln auf der Zunge über das Anschwellen der Lippen bis hin zum allergischen Schock. Kommt es dann noch zu sogenannten Kreuzreaktionen, können auch Früchte wie Äpfel Symptome hervorrufen. Eine Pollenallergie kann also durchaus auch langfristige Folgen haben? Ja. Manche Patienten haben ihre Pollenallergie gar nicht bewusst als Heuschnupfen erlebt. Die Symptome wurden verkannt oder als grippaler Infekt abgetan. Bei einigen Patienten tritt dann irgendwann eine Asthmaerkrankung auf. Andere leiden an einer chronischen Nebenhöhlenentzündung, die auf Allergie-neigungen und Pollensensibilisierungen zurückgeführt werden kann. Manchmal sind auch unangenehme medizinische Eingriffe oder Operationen nötig, die bei guter Prävention hätten verhindert werden können. Mit welchen gängigen Verfahren wird Heuschnupfen diagnostiziert? Der Hausarzt kennt den Patienten und dessen Allergieneigung, um diese Symptome in Verbindung mit dem aktuellen Pollenflug zu interpretieren. Der Allergologe hat zudem die Möglichkeit von (Haut-)Testungen und Blutuntersuchungen. Bei unklaren Krankheitsverläufen kann zudem eine (nasale) Provokationstestung mit Nasendurchflussmessung (Rhinomanometrie) durchgeführt werden. Welche Pollen machen den Menschen denn derzeit zu schaffen? Derzeit sind die Birkenpollen im Anmarsch. Aber im Rhein-Main-Gebiet ist abhängig von der Wetterlage auch mit Pollen von Weide, Ulme, Buche, Eiche und vereinzelt auch schon Gräsern zu rechnen. Was sind gängige Therapiemethoden? In der Regel werden anfangs „Antiallergika“ als Tabletten verschrieben oder als eine Lokaltherapie durchgeführt. Die Behandlung der betroffenen Bindehäute sollte eben-falls nicht vergessen werden. Soll ein Etagenwechsel verhindert werden, ist eine Immuntherapie (Desensibilisierung) der richtige Schritt. Diese ist heute nicht unbedingt mit Spritzen und ein- bis zweiwöchigen Vorstellungen beim Arzt verbunden. Je nach Allergie können auch Tabletten zur „Hyposensibilisierung“ eingesetzt werden. Die Therapie muss letztlich aber auf den Patienten zugeschnitten sein – auf dessen Alter, die Anzahl der Allergene oder auch darauf, ob Vorerkrankungen der Atemwege, speziell der Lunge, bestehen. Mittlerweile werden Medikamente häufig von Krankenkassen nicht bezahlt. Wie erklären Sie sich das? Tatsächlich werden durch den Gesetzgeber einerseits für den Erwachsenen, teilweise auch schon für Kinder ab dem 15. Lebensjahr bestimmte Allergiemedikamente nicht mehr übernommen. Das wird langfristig zu unnötigen Kosten für die Solidargemeinschaft führen. Die Gesetzgeber haben sich hier stark von den Kostenträgern (Krankenkassen) leiten lassen, die ja auch für andere „Bagatell-Erkrankungen“ wie grippale Infekte nicht mehr zahlen. Ob das langfristig eine gute Entscheidung war, sei dahingestellt. Können Sie kleine Hausmittelchen empfehlen, mit denen die Symptome eingedämmt werden können? Das Ziel jeder Therapie ist, die Entzündung aus dem Nasen-Rachen-Raum und von den Augenbindehäuten zu lindern. Dazu werden Nasenduschen empfohlen. Von reinem Leitungswasser rate ich ab, besser sind kochsalzhaltige Lösungen. Reines Meerwasser leistet an der Brandungszone gute Dienste. Für die Rückfettung der Schleimhäute haben sich panthenolhaltige Augen- und Nasensalben bewährt. Sie stammen aus Waldmohr. Wie und wann hat es Sie an den Sylter Weststrand verschlagen? Ich habe im Saarland Medizin studiert, war dann in Frankfurt und Bochum tätig. Sylt kannte ich zuvor nicht. Im Ärzteblatt las ich von einer Chefarzt-Nachfolgestelle auf der Insel. Die Klinik an der Nordsee war eine berufliche Herausforderung, bei der es darum ging, eine kleine Abteilung zu einer Klinik für Dermatologie zu entwickeln. Als Oberarzt habe ich mir erst einmal zwei Winter zum Austesten der nördlichsten Insel Deutschlands erbeten. Ich wollte herausfinden, ob ich es an der rauen Nordsee aushalte. Und nun bin ich seit mehr als 25 Jahren hier. Bei Ihnen ist also keine Allergie Schuld für die Luftveränderung, die von Experten immer wieder empfohlen wird? Nein, schuld war die berufliche Herausforderung. Hinzu kommt die Tatsache, dass man hier aufgrund von Schulungen und ganzheitlichen Methoden – etwa durch Hilfe zur Selbsthilfe – wirklich noch etwas bei den Betroffenen bis hin zur Symptomfreiheit bewirken kann. Dabei ist die Kombination Akutstation und anschließende Rehabilitation für viele „Pollenflüchtlinge“ ideal. Sind Sie hin und wieder noch in der Westpfalz zu Gast? Ja, meine Eltern wohnen ja noch in Waldmohr. Ich bin zwar mit einer Holsteinerin verheiratet, meine Frau mag aber auch Saumagen und genießt die Aufenthalte in der Saar-Pfalz-Region. Mit meinem Sohn segle ich auf dem Bostalsee und die Familie interessiert sich beispielsweise für Trier, den Pfälzerwald oder das Outlet in Zweibrücken. Sprechen Sie auch noch Pfälzisch? Aber natürlich. Mit meinen Eltern ausschließlich, aber auch wenn ich alte Freunde oder Klassenkameraden aus der Pfalz treffe. Auch viele meiner Patienten kommen aus der Saar-Pfalz-Region. Sie freuen sich immer, wenn der „Chef“ einem hanseatischen Kollegen übersetzen kann, welchen „Huddel“ der Patient gerade hat. Können Sie es sich vorstellen, auch beruflich wieder in Ihre Heimat zurückzukehren? In anderthalb Jahren bin ich 65 Jahre alt. Eine berufliche Veränderung in Richtung Pfalz ist unwahrscheinlich. Zumal meine zwei jüngsten Kinder hier noch zur Schule gehen und sich die Familie hier wohlfühlt. Zur Person Norbert Buhles wurde am 16. Oktober 1952 in Waldmohr geboren. Nach seinem Studium der Humanmedizin an der Universität des Saarlandes war der 63-Jährige in Frankfurt und Duisburg tätig. Seit 1985 ist Buhles an der Asklepios Nordseeklinik in Westerland auf Sylt tätig und ist seit 1991 Chefarzt für Dermatologie und Allergologie. Zu seinen Fachgebieten gehören zudem das Rehabilitationswesen, die Klimatherapie und Umweltmedizin. Buhles ist verheiratet und hat vier Kinder und einen Enkel.

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