Kusel Mit Bittprozessionen gedroht

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Wer in Nanzdietschweiler unterwegs ist, verdurstet bestimmt nicht. Denn Saft und Hochprozentiges gibt es in der Obstbauregion reichlich. Was jedoch fehlt, ist ein Geschäft für den täglichen Bedarf. Ein Dorfzentrum könnte die Lücke schließen.

NANZDIETSCHWEILER. Ihren täglichen Einkauf können die rund 1200 Einwohner in Nanzdietschweiler nicht erledigen. „Wenn wir unser Dorfzentrum bekommen, wären wir wunschlos glücklich“, betont Ortsbürgermeister Martin Holzhauser. Für rund 1,3 Millionen Euro soll eine Scheune im Ortskern umgebaut werden, um künftig Laden, Café, Sozialstation und Physiotherapie unterzubringen. Holzhauser ist überzeugt, dass die Gemeinde das Projekt finanziell stemmen kann. „Ich fahre deswegen nach Mainz, Berlin, Rom“, sagt der Katholik. Dem Landrat habe er sogar schon Bittprozessionen angedroht, meint er augenzwinkernd. Ins Zentrum einziehen soll auch ein deutsch-amerikanisches Bürgerbüro. Shannon Shadman will sich darin für die zusätzlich rund 220 US-Armee-Angehörigen im Ort engagieren. Im Dorfzentrum sieht die 37-Jährige überdies Potenzial, Geld in die Kommune zu holen. Zudem fördere es die Integration, die die Landsleute durchaus wollen, wie die Teilnahme am Dorfspaziergang beweist. Gefällt diesen denn der Ort? „Oh, I love it!“, sagt Shadman voller Überzeugung. Am Glan-Blies-Weg und dem Naturschutzgebiet Heimerbrühl mit einem Storchenpaar, am Wassertretpfad und an historischen Bauwerken führt der Dorfspaziergang entlang. Nach dem Straßenausbau hat sich der Ort herausgeputzt. „Hier hat es teilweise wie nach dem Krieg ausgesehen“, erinnert sich Holzhauser. Im Zuge des Ausbaus hätten viele ihre Höfe gemacht und Häuser verputzt, lobt der 53-Jährige. Auf mehr als fünf Millionen Euro schätzt Holzhauser die Summe, die in den vergangenen fünf Jahren für Strukturverbesserungen ausgegeben worden ist. 2015 folgt der Ausbau der Straße im Ortsteil Nanzweiler. Nanzweiler, Diezweiler, Nanzdiezweiler, Dietschweiler, eine Landes- und vier Kreisstraßen: Als nicht „Eingeborener“ kann man leicht die Orientierung verlieren. Den Namen Nanzdietschweiler trägt die Gemeinde seit der Gebietsreform 1969. Doch nicht alles ist zusammengewachsen: Es gibt zwei Kerwen und drei Friedhöfe. Unter den 23 Vereinen hat sich der Sportverein einen Namen gemacht, spielen die Fußballer doch in der Landesliga, haben eine eigene Jugend. Eine Schar Hühner begleitet einen hier stets. Aus Stein und Metall gefertigt, stehen die lustigen Figuren aus der Werkstatt von Klaus Schumacher an zentralen Plätzen der Gemeinde. „Früher gab es in jedem Haus Hühner“, erklärt Walter Brill den Hintergrund. Überhaupt prägen viele bäuerliche Anwesen das Ortsbild. Noch fünf Landwirte gibt es, drei weitere sind im Nebenerwerb tätig. Insgesamt gibt es 41 Arbeitsplätze in 19 Betrieben. Die Ärztin hat auch samstags auf, und man kann sich bei ihr auch auf Arabisch behandeln lassen. Zwei Kirchen – die evangelische mit dem Tauffenster von Horst Schwab und die katholische aus dem Jahr 1907 – sowie Kita und Schule ergänzen das Dorfbild. Ab Sommer können sich die Kinder auf Schulstunden im „grünen Klassenzimmer“ freuen, das derzeit auf einem früheren Leichenacker Gestalt annimmt. Der Spaziergang führt weiter in die Geschichte, zur 1884 errichteten Mühle am Glan mit charakteristischer Rampe. Bis in die 1980er Jahre wurde hier noch Getreide gemahlen. Eine weitere Attraktion ist die Waschtreppe, eine der wenigen im Landkreis erhaltenen und in dieser Form einzigartig. Hier geht es über den Glan, was den einstigen Dorflehrer Ottmar Lehner veranlasste, über die alte Brücke ein Gedicht zu verfassten. Diese Zeilen gehören heute zum Dorf-Kulturgut. Apropos: Kulturgut kann auch hochprozentig sein. So, wie in der Schnapsbrennerei von Ida Wagner. Seit 60 Jahren wird dort gebrannt, im Gewölbekeller lagern historische Holzfässer. „Man soll ja viel trinken“, begrüßt eine Dorfspaziergängerin das Schnapsangebot. Einige Ecken weiter wird mit Apfelsaft „gelöscht“. Joachim und Bertram Trautmann vom Obst- und Gartenbauverein haben die moderne Kelteranlage geöffnet. Die reiche Obsternte sorgte in einem der vergangenen Jahre für viel Arbeit. „28.000 Liter haben wir gepresst“, berichtet Trautmann. Für Nachschub ist auch gesorgt: Mehr als 90 junge Bäume säumen den Obstwanderweg, der nahe der Fischerhütte in ein grünes Idyll zum Wassertretbad führt. Wenige Meter entfernt führt der Glan-Blies-Weg entlang. „Tausende sind dort unterwegs“, beobachten die Dorfbewohner. Touristisches Potenzial hat die Gemeinde allemal. Nur schade, dass es bisher erst eine Ferienwohnung im Ort gibt.

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