Kusel Keine Angst vor „heißen“ Themen
Sie setzen sich für Flüchtlinge ein, befassen sich mit Themen wie Gefahren von Atomenergie und TTIP und scheuen sich nicht, klare Position zu beziehen: Die Aktiven der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), Ortsverband Brücken, sind zwar fast alle über 60, doch sie verstehen sich nicht als Seniorenverein, sondern als streitbare Organisation, die bei Missständen nicht wegschaut, sondern sich in den gesellschaftlichen Diskurs einmischt und für einen Sinn- und Wertewandel eintritt.
Acht Aktive der KAB erläutern im Gespräch mit der RHEINPFALZ das Grundverständnis und die Aktivitäten ihrer Gruppe. Auf der Katholischen Soziallehre fußend, stehen bei ihren Überlegungen stets der Mensch und die Erhaltung beziehungsweise Verbesserung seiner Umwelt im Mittelpunkt. So setzen sie sich vornehmlich für Arme, sozial Benachteiligte und all diejenigen ein, die keine starke Lobby haben: Menschen in der Dritten Welt, Flüchtlinge, Kinder, Alte und Arbeitnehmer am unteren Ende der Lohnskala. Auffällig ist für den Besucher, mit welcher Souveränität, Ruhe und Bestimmtheit jedes Mitglied der Gruppe seine Thesen vorträgt. Auch das Wissen darum, dass sie sich mit übermächtigen Kräften wie den großen Konzernen anlegen und dass Fortschritte sozusagen nur zentimeterweise möglich sind, kann sie nicht verunsichern und von ihrem Bemühen abhalten. Sie sind von der Notwendigkeit ihres sozialen Engagements völlig überzeugt. Willi Bücker, der einen Roman veröffentlicht hat und zurzeit an einem Gedicht gegen Fremdenhass arbeitet, bringt dies in seiner Stellungnahme so deutlich zum Ausdruck, dass sie den Charakter einer Denkschrift annimmt: „Solange es Ungerechtigkeiten gibt, in denen Menschen verletzt, Existenzen bedroht oder sogar vernichtet werden, durch Strukturen, die nur einer unersättlichen Kapitalmacht dienen – solange wird es auch Menschen geben, ... die versuchen werden, dies zu ändern.“ Getreu ihrem Motto „Sehen, Urteilen, Handeln“ tragen die KAB-Mitglieder ihre Thesen nicht ideologisch verbiestert vor, sondern basierend auf einer genauen Recherche und einer sorgfältigen Abwägung der Argumente. Auch außerhalb der KAB-Gruppe spielten und spielen ihre Mitglieder eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben: als Gewerkschafter, als Schöffe beim Amtsgericht, in der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung, bei der Organisation von Familienfreizeiten und so weiter. In der Gruppe herrscht eine demokratische Gesprächskultur. Jeder kommt zu Wort und im Wissen um ihre gemeinsamen Grundwerte kommt kein Dissens auf. Dazu passt, dass die Gruppe von dem seit 37 Jahren amtierenden Alois Spies und von Ursula Schmitt, die seit 31 Jahren Vorsitzende ist, partnerschaftlich geleitet wird. Wie Adelinde Spies erläutert, spielen in ihrer Organisation die Frauen eine wichtige Rolle. Dies war nicht immer so. Bis 1986 sei die KAB eher ein Männerverein gewesen. Dann seien Frauenrechte und ihre Emanzipation thematisiert worden, was für sie der Anlass gewesen sei, einzutreten. Um die 1919 gegründete Ortsgruppe Brücken der KAB besser zu verstehen, muss man sich mit deren Geschichte beschäftigen. Sie hat sich in der Vergangenheit schon immer mit den Mächtigen angelegt und sich für die kleinen Leute eingesetzt. Alois Spies, der selbst aus der Gewerkschaftsbewegung kommt, erinnert daran, dass im Nazi-Regime die monatlichen Versammlungen verboten gewesen seien und dass sein Vater, der Bergmann war, 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg trotz Verbots durch die Besatzungsmacht Frankreich im Geheimen Gewerkschaftsarbeit betrieben habe. Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung leidet darunter, dass ihre Mitgliederzahlen rückläufig sind. Gab es bis zum Jahr 2000 noch Ortsgruppen in Börsborn, Ohmbach und im Saarpfalzkreis, so ist jetzt nur noch Brücken übrig geblieben. Und auch die Brücker Gruppe würde sich freuen, wenn neue und jüngere Mitstreiter zu ihnen stoßen würden. Weiterhin halten sie ihre meist monatlichen internen Besprechungen ab, besuchen gemeinsam öffentliche Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen wie unlängst zum Freihandelsabkommen TTIP in Saarbrücken und nutzen die Bildungsangebote des KAB im Bund und im Diözesanverband Speyer. Außerdem veranstalten sie in Brücken eigene öffentliche Bildungsveranstaltungen. Berührungsängste mit anderen Gruppen, die ähnliche Ziele vertreten, wie Amnesty International, Greenpeace und Attac, kennen sie nicht. In der Vergangenheit setzte sich die KAB-Ortsgruppe Brücken in der „Aktion Bombay“ für die berufliche und soziale Bildung von Arbeiterinnen und Arbeitern in Indien ein, wandte sich gegen Betriebsschließungen in unserer Region und unterstützte den Verkauf von fair gehandelten Lebensmitteln. Schon in den Jahren 1988 bis 1992 haben sich die Mitglieder um Flüchtlinge aus Afrika und Asien gekümmert, sie in Schönenberg-Kübelberg zu Begegnungen eingeladen und sich um Sprachlehrer bemüht. Es sei damals sogar gelungen, die Abschiebung eines Somaliers zu verhindern, erzählen sie. In diesem Zusammenhang wurde Adelinde Spies die Verdienstmedaille des Landkreises verliehen. Und die Themen gehen ihnen nicht aus: In nächster Zukunft will sich die Gruppe mit dem Fracking zur Gasgewinnung und der Einrichtung eines Erstaufnahmelagers für Asylbewerber auf dem Kuseler Windhof beschäftigen. „Wir wollen mithelfen, dass eine hilfsbereite Stimmung erhalten bleibt, wenn die Flüchtlinge auf dem Windhof ankommen. Schon im vergangenen Jahr haben wir in Kusel an der Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit teilgenommen, am 13. Juni dieses Jahres werden wir auch an der geplanten Demonstration unter dem Motto ,Flüchtlinge willkommen – faires Leben für alle’ ebenfalls in Kusel teilnehmen,“ berichtet Adelinde Spies. (qur)