Kusel „Diese Kirche hat mich schon immer fasziniert“

rutsweiler/lauter. Arno Braun ist als Archäologe Mitarbeiter am Institut für Altertumswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Geboren in Wolfstein-Roßbach, interessiert er sich für die historischen Stätten seiner unmittelbaren Heimat. Deshalb will er zusammen mit Kollegen Bodenuntersuchungen im Umfeld der Zweikirche in Rutsweiler an der Lauter machen. Im Gespräch mit RHEINPFALZ-Mitarbeiter Herwig Buntz berichtet er über seinen beruflichen Werdegang und das Vorhaben.

Herr Braun, wann entstand bei Ihnen der Wunsch, Archäologe zu werden?

Dieses Ziel hatte ich schon mit elf Jahren. Vielleicht haben die vielen authentischen Denkmäler in der Region mich angeregt. Deshalb ist mein Schwerpunkt die späte Eisenzeit und die provinzialrömische Archäologie. Aber die geringen Aussichten, als Archäologe eine feste Stelle zu bekommen, haben mich anfangs von dem Beruf abgehalten. Ich habe Betriebswirtschaftslehre studiert und nach dem Diplom in diesem Beruf gearbeitet. Wie kamen Sie dann zur Archäologie? Nach zehn Jahren entschloss ich mich, noch einmal an die Universität zu gehen, um doch noch meinen Berufstraum zu verwirklichen. Ich studierte in Mainz Vor- und Frühgeschichte und schrieb meine Magisterarbeit über römische „Streifenhäuser“ in Eisenberg. Darunter versteht man Gebäude, die bis zu zwölf Meter breit und 40 Meter lang sein können und mit der Giebelseite zur Straße stehen. Diese Hausform ist typisch für einen „Vicus“, eine stadtartige Gewerbesiedlung römischer Zeit. Die römische Besiedlung von Eisenberg ist auch das Thema meiner Doktorarbeit, die ich zurzeit schreibe. Worin bestand Ihre Tätigkeit nach dem Studium? Von 2008 bis 2010 arbeitete ich in einem Projekt, das mein Kollege Peter Haupt vom Institut für Altertumswissenschaften leitete. Finanziert wurden die Arbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Im Zentrum stand eine spätkeltische Großsiedlung in Burgund mit einer Fläche von 120 Hektar. Sie befindet sich in der Nähe des Oppidums von Bibracte, einer bedeutenden keltischen Stadt, die Caesar in seinen Berichten zum Gallischen Krieg erwähnt. An welchem Projekt sind Sie zurzeit beteiligt? Seit 2010 erforscht unser Institut das älteste römische Militärlager in Deutschland in der Nähe von Hermeskeil. Aufgrund der Funde, zum Beispiel bestimmter Weinamphorentypen oder Soldatenschuhnägel, lässt sich das Lager in die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christi datieren. Das bedeutet, dass es zu der Zeit entstanden ist, in der Caesar seinen „Gallischen Krieg“ geführt hat. Ich habe die Aufgabe, die Feldforschungen in Hermeskeil durchzuführen und anschließend aufzuarbeiten. Woher stammt Ihr Interesse an der Rutsweiler Zweikirche? Diese Kirche hat mich schon immer fasziniert. Während einer umfassenden Renovierung zwischen 1962 und 1965 hat man in der Kirche Ausgrabungen durchgeführt. Dabei stieß man auf Mauerreste, die älter sind als die Kirche, die im elften oder frühen zwölften Jahrhundert entstanden ist. Man hat auch römische Keramik gefunden. Beim Bau des Gotteshauses, insbesondere des späteren Turmes, war vielfach älteres Baumaterial wieder verwendet worden. Zu diesen sogenannten Spolien gehören bearbeitete Pfostensteine, die einmal als Fundamente für einen Balken dienten. Bei einigen Stücken sind noch Riegel- oder Angellöcher zu erkennen, sie stammen also zum Beispiel von Toren. Diese Bauteile können im Grund nur von römischen Gebäuden stammen. Schließlich war in der Ostwand des Kirchenschiffes ein Grabstein aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus eingemauert. Wie lassen sich diese Funde deuten? Man geht bislang davon aus, dass vor der Kirche eine Villa Rustica an dieser Stelle gestanden hat. Denkbar ist aufgrund der Lage aber auch ein römisches Quellheiligtum, denn in der Nähe der Kirche entspringen zwei Quellen. Vielleicht wurde der Platz sogar schon vor den Römern in der späten Eisenzeit genutzt. Bei den Ausgrabungen in der Kirche wurde seinerzeit auch vorgeschichtliche Keramik geborgen. Um diese Frage zu klären, wollen Sie das Umfeld der Kirche untersuchen? Das hat Peter Haupt, der daran maßgeblich beteiligt ist, vorgeschlagen. Die Ergebnisse der Grabungen in den 60er Jahren hat Isolde Schmitt in einer überarbeiteten Form ihrer Magisterarbeit 1993 veröffentlicht. Darin schreibt sie, dass ihre Publikation keinen Schlussstrich unter die Erforschung der Zweikirche zieht, sondern Grundlage und Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen ist. Wie gehen Sie bei den Untersuchungen vor? Wir müssen sehr behutsam arbeiten, weil um die Kirche der Friedhof angelegt wurde. Unser Vorhaben wurde zunächst mit Andrea Zeeb-Lanz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe in Speyer besprochen. Nach ihrer Zustimmung klärten wir mit dem Wolfsteiner Pfarrer Albrecht ab, ob es aus seiner Sicht Einwände geben könnte, was nicht der Fall war. Als auch Bürgermeister Dirk Landfried für die Gemeinde Rutsweiler, die Eigentümer des Geländes ist, nach Rücksprache mit dem Gemeinderat zustimmte, konnte es losgehen. Zuerst wird das Gelände digital vermessen. Dann setzen wir ein Georadar ein. Es sendet hochfrequente Wellen aus, die vom Boden je nach dessen Beschaffenheit unterschiedlich stark reflektiert werden. Durch das „Echo“ kann man Störungen im Boden erkennen, zum Beispiel ehemalige Mauern. Auf diese Weise gewinnen wir ein Bodenprofil, ohne graben zu müssen. Wenn sich eindeutige Befunde ergeben, können wir ein noch größeres Gelände untersuchen und weitere Messtechniken verwenden. Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich? Dass es vor der Kirche ein römisches Gebäude gegeben hat, ist sicher. Allerdings wissen wir nicht, welche Funktion es hatte und wie es aussah. Man hat recht selten die Möglichkeit zu untersuchen, ob eine Kirche auf einem möglicherweise bereits in antiker Zeit religiös bedeutsamen Gelände errichtet wurde. Denn meistens ist es von unseren heutigen Siedlungen überbaut. Es wäre schön, wenn wir durch die Tätigkeiten ein wenig mehr Licht in dieses Kapitel der Vergangenheit unserer näheren Umgebung bringen könnten. (dhb)

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