Kusel Auf der Himmelsleiter nach oben
Die meisten Bewohner von Niederstaufenbach müssen täglich ihr Dorf verlassen, um zur Arbeit zu fahren oder Besorgungen zu erledigen. Ihre Heimat hat dennoch einiges zu bieten: ein Leben zwischen Himmelsleiter und Kneipentresen.
Bevor es an dem schwül-warmen Sommertag in der Ortsmitte von Niederstaufenbach losgeht, gibt es für alle noch Getränke. Einige ältere Dorfbewohner sitzen neben der Bushaltestelle unter einem Baum – unter ihnen Kurt Müller und Horst Brill. Sie erzählen von der Kerwe, bei der man sie auch im Alter von Mitte 80 noch immer antrifft. Sie finde jedes Jahr am ersten Augustwochenende statt und es sei immer viel los, erzählen sie. In den 1990er Jahren stand die Kerwe aber vor dem Aus, weil sich kein Organisator fand. Brill stellte daraufhin mitten im Ort ein Kreuz mit Trauerflor und der Aufschrift „Hier war die Kerwe“ auf. Im darauf folgenden Jahr habe sie dann wieder stattgefunden, berichtet er lachend. Wir verlassen die beiden und brechen auf. Nach wenigen Metern stoppt Ortsbürgermeister Karl Hahnenberger die etwa zehnköpfige Gruppe. An der Hauptstraße, der stark befahrenen L 367, steht ein altes Musikantenhaus. Noch immer weist ein Schild auf das ehemalige Wirtshaus „Zur Parkbräustube“ hin. Das Haus wurde vor einigen Jahren von Privatpersonen gekauft, doch die Renovierungsarbeiten dauern. Schräg gegenüber steht das Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr. 14 Mann zähle die Wehr, erzählt Heiko Gödtel. Im Förderverein engagieren sich 18 Personen, acht Jugendliche sind bei der Jugendfeuerwehr aktiv. Ein Stück entfernt hält ein Bäckereiauto und verkauft frische Backwaren. Es gebe drei Bäckereien, die nach Niederstaufenbach kämen, berichtet Ortsbürgermeister Hahnenberger. Zudem kämen einmal in der Woche ein Eier- und Geflügelhändler sowie alle vier Wochen ein Schuhverkäufer. Bis auf eine Autowerkstatt und die Dorfkneipe gibt es keine Geschäfte im Ort. Die etwa 280 Dorfbewohner müssen ihre Besorgungen meist in den umliegenden Orten erledigen. Es geht weiter zur Baustelle in der Ringstraße. Bis zum Jahresende sollen der marode Kanal des Limbachs erneuert und ein Teil des unterirdisch verlaufenden Baches freigelegt werden. Er wird jedoch auch weiterhin, wahrscheinlich mit Gittern, abgedeckt bleiben. Lege man den Limbach nicht frei, gebe es für die Sanierung keine Zuschüsse vom Land, erklärt Hahnenberger. Im Zuge der Bauarbeiten soll auch der Dorfbrunnen am Ende der Straße wieder ans Wassernetz angeschlossen werden. Mitten in der Baustelle führt eine Treppe, die Himmelsleiter, in den höher gelegenen Teil des Ortes. Früher sei dort ein so steiler Weg gewesen, dass es mitunter zu Unfällen mit Pferdegespannen gekommen sei, erzählt Horst Klein. Vor etwa zehn Jahren wurde die Himmelsleiter gebaut. Es geht weiter in das Neubaugebiet Am Pörracker. Von hier aus hat man eine schöne Sicht auf den nahe gelegenen Potzberg. Unübersehbar sind auch die dunklen Wolken, die in Richtung Niederstaufenbach ziehen. Zügig geht es den Berg hinunter zum Ortsausgang. Markierungen in Pink künden das nächste Bauvorhaben an. Ein Radweg soll künftig Oberstaufenbach, Niederstaufenbach und Altenglan verbinden. „Sinnvoll“, meint der Ortsbürgermeister. Dann müssten die Kinder endlich nicht mehr an der Landesstraße entlang laufen, wenn sie zum Bolzplatz außerhalb des Dorfes wollten. Auch uns führt die Straße aus dem Ort heraus zur Niederstaufenbacher Mühle. Besitzer Theo Jung wartet bereits. Er hat die Mühle, die seit einem Brand im Jahr 1903 stillgelegt ist, geerbt. Vier Jahre lang habe er sie „mit einem Riesen-Aufwand umgebaut“ und „praktisch alles selbst gemacht“. Dabei habe er alles so gut wie möglich erhalten. Eine 270 Jahre alte Haustür im Barockstil führt ins Wohnhaus. „Sie stammt aus einer Villa in Trier, wenn der Verkäufer mich nicht belogen hat“, erzählt Jung lachend. Im Wohnzimmer steht ein großer Kamin. Er wurde aus dem Gewändestein der Mühle gebaut. In seiner Mitte prangen die Initialen von Jungs Vorfahr Hans Sieber und die Jahreszahl 1784. Über Wiesen geht es zurück ins Dorf. Am Gemeinschaftshaus gibt es den nächsten Zwischenstopp. Dirk Theiß berichtet vom neuen Dorfverein, dessen Mitglieder sich am Abend zur ersten Sitzung treffen. Sie wollen Traditionen aufrechterhalten und die Dorfgemeinschaft pflegen. Künftig will man sich etwa um den Maibaum und die Bänke im Dorf kümmern. Auch der Frauenchor bereichert das Dorfleben. „Es ist ein gemischter Frauenchor“, sagt Markus Maurer. Der älteste Verein im Ort, der Männerchor, existiert nur noch auf dem Papier. Seine Mitglieder singen bei den Frauen mit. Eine weitere Besonderheit: Im kleinen Niederstaufenbach leben vier Jäger und drei Imker. Im Neubaugebiet Auf dem Stich meint Hahnenberger: „Viele Bauplätze haben wir nicht mehr.“ Auch stünden kaum Häuser leer, berichtet er nicht ohne Stolz. Auf dem Weg zum Dorfplatz fallen einige Regentropfen. Dort finden die Kerwe, die Feier zum 1. Mai und der Weihnachtsmarkt statt. Der angrenzende Reichenbach wurde in den 1970er Jahren begradigt. Vorher bescherte der harmlos wirkende Niederstaufenbach regelmäßig Hochwasser. „Jetzt haben wir Ruhe“, meint der Ortsbürgermeister. Ein kurzer Abstecher führt zum Haus von Markus Maurer. Seit 35 Jahren züchtet er Vögel. „Ich habe mit zwei Wellensittichen meiner Oma angefangen“, erinnert er sich. Heute leben über 50 Sittiche sowie drei Papageien auf seinem Grundstück. Der Spaziergang endet in der Dorfschenke, die Lore Heil seit 1985 betreibt. Selbst am Nachmittag sitzen Gäste am Tresen. Regelmäßig kommt eine Frauengruppe zum Kartenspielen. Die Freizeit-Fußballer haben ihr Lager ebenfalls bei ihr aufgeschlagen, wie Pokale und Bilder beweisen. Während sich die Niederstaufenbacher in der Kneipe unterhalten, beginnt es draußen zu regnen.