Kusel Abenteuerliche Geschichte

Wie schnell kann sich ein Erwachsener auf 1,8 Promille „hochtrinken“? Und wie schnell baut er den Blutalkoholwert danach wieder ab? Entscheidende Fragen in einem Strafverfahren, das vorm Amtsgericht Kusel eröffnet worden ist. Ein 69-jähriger Rentner weist alle Schuld von sich. Er sei nicht betrunken gefahren, sondern habe im geparkten Wagen getrunken.

Ein Auto, das am späten Abend in seltsamer Position halb auf der Landstraße, halb auf einem Fahrradweg hängt. Und das vorn am Kotflügel beschädigt ist. Hinterm Steuer ein orientierungslos wirkender Mann mit mächtiger Alkoholfahne. Angesicht dieser Szenerie braucht’s nicht viel Fantasie, sich ausmalen, was passiert sein könnte. Doch so ganz einfach scheint es in diesem Falle nicht zu sein. Auch wenn die Erklärungsversuche des Angeklagten arg weit hergeholt klingen, der Strafrichter deshalb keinerlei Zweifel daran keimen lässt, dass er dem Beschuldigten kein Wort glaubt, auch die Staatsanwältin manchen Widerspruch in seinen Worten offenlegt: Es fehlt ganz einfach an handfesten Beweisen. Ein Anwohner hat den Wagen mit luxemburgischem Kennzeichen abends am Ortsrand von Nanzdietschweiler entdeckt. Und hat die Polizei gerufen. Wie sich in der Hauptverhandlung offenbarte, stand der Kuseler Polizei an jenem Abend eine einzige Streifenwagenbesatzung zur Verfügung. Und die war anderweitig im Einsatz. Deshalb kam Unterstützung aus Landstuhl angerollt. Weil die Landstuhler Kollegen aber zunächst nichts von sich hören ließen, steuerte auch die mittlerweile wieder einsatzbereite Streifenwagen-Besatzung der Inspektion Kusel Nanzdietschweiler an. Fand den Fahrer im Wagen schlafend vor. „Wir haben uns das Auto näher angesehen und plötzlich entdeckt, dass da ja noch einer drin ist“, schilderte ein Polizist die erste Begegnung mit dem jetzt Angeklagten. Wie sich zeigen sollte, hatten die Polizisten aus Landstuhl den Mann – ein Saarländer, der seit einigen Jahren in Luxemburg lebt – bereits näher unter die Lupe genommen. Hatten ihm einen Alkoholtest angeboten. Als der Mann pustete, zeigte das Gerät gut 1,8 Promille an. Die Polizisten ließen sich Schlüssel und Führerschein aushändigten, um dann wegzufahren mit dem Hinweis, beides könne er gern abholen, wenn er wieder nüchtern sei. „Wir haben die Lage anders bewertet“, sagte vor Gericht der Beamte der Kuseler Inspektion. Nicht zuletzt der Unfallschaden habe die Uniformierten stutzig gemacht. Dies in Verbindung mit der offenkundigen Alkoholisierung habe darauf schließen lassen, dass der Mann womöglich gegen eine Leitplanke gerauscht sei. „Wir haben das auch vermessen, die Höhe stimmt“, sagte der Polizist. Der 69-Jährige musste mit zur Dienstelle. Ein Alkoholtest ergab diesmal, anderthalb Stunden später, 1,38 Promille. Genau jenen Wert sollte auch die Blutprobe nachweisen, die dem Mann in Kusel entnommen wurde. Nicht von Erfolg gekrönt waren die Bemühungen des Polizisten, die mögliche Unfallstelle ausfindig zu machen. Die Autobahnmeisterei hielt vergebens danach Ausschau. Und Ermittlungen der Kollegen im sächsischen Riesa führten auch nicht weiter. Dort will der Mann an jenem Tag gewesen sein. Und dort sei auch der Unfall passiert – Kleinigkeit, niemand geschädigt. Er habe gemeint, er könne damit noch gut heimfahren nach Luxemburg. Stocknüchtern, ließ er vor Gericht wissen, sei er in Nanzdietschweiler gelandet. Bleierne Müdigkeit habe ihn nach Hunderten Kilometern übermannt, da sei er einfach mal runter von der Autobahn, um sich ein Plätzchen zu suchen, wo er niemanden störe. Er habe eine Mütze voll Schlaf nehmen und dann weiterfahren wollen. Doch habe er keine Ruhe gefunden. Just in dem Moment sei ihm ein Schlafmittel in den Sinn gekommen, das – am Morgen in Riesa gekauft – im Handschuhfach lag. Eine Flasche Wodka sollte helfen beim Einschlafen. So habe er denn die Flasche auf dem Fahrersitz geleert, sich noch übergeben, sich dann hinten auf die Rückbank gelegt. Und dann sei die Polizei gekommen ... „Klingt alles sehr abenteuerlich“, sagte der Richter. Näher beleuchten soll die Sache jetzt ein Gutachten. Die Expertise soll Klarheit drüber bringen, ob sich der Mann in kurzer Zeit so hat betrinken können. Liegt das Gutachten vor, wird die Hauptverhandlung neu anberaumt.

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