Kaiserslautern Pfalztheater: Podiumsdiskussion vor „Der Kaukasische Kreidekreis" von Bertold Brecht

Diskutierten unter dem Titel „Vom Guten, Wahren und Schöne": Hansgünther Heyme (von links), Andreas Bronkalla, Jan Knopf und Est
Diskutierten unter dem Titel »Vom Guten, Wahren und Schöne«: Hansgünther Heyme (von links), Andreas Bronkalla, Jan Knopf und Esther Hattenbach.

Großer Andrang am Dienstag in der Lounge des Pfalztheaters: Die Theatertage Rheinland-Pfalz präsentierten am Dienstagabend eine Podiumsdiskussion zum Einstieg in die nachfolgende Aufführung des Schauspiels „Der kaukasische Kreidekreis“. Das Schauspiel von Bertolt Brecht mit Musik von Paul Dessau, aufgeführt vom Theater Koblenz, war der Anlass für diese diskutierte Thematik „Vom Guten, Wahren und Schönen – Politisches am Theater“, die von Chefdramaturg Andreas Bronkalla moderiert wurde.

Bronkalla würdige vorab Brechts Stellung als Bühnenautor mit einem Schiller-Zitat: „Die Schaubühne als moralische Anstalt“. Er führte in die Problematik ein, dass das Theater zwischen kunstästhetischer Form und als Zentrum für Kommunikation und Diskussion fungiere. In Zeiten wie diese – des Umbruchs nach Bronkalla – sehe er Theater umso mehr gefordert. Auf dem Podium waren Regisseurin Esther Hattenbach, Hansgünther Heyme, Regisseur und Intendant am Theater Bremen und im Pfalzbau Ludwigshafen, sowie der Literaturwissenschaftlicher Jan Knopf vertreten. Letzterer gilt als anerkannter Spezialist zum Thema Brecht.

Theaterarbeit sei auch von Finanzierungsnöten geprägt

Bronkalla richtete die erste Frage an Heyme, ob die Theater früher politischer waren? Diese Frage konnte dieser nur vage beantworten, räumte Vergleichsschwierigkeiten ein und dies könne nicht verallgemeinert werden. In seinem neuen Wohnort Köln sehe er sogar eine gewisse Gleichgültigkeit Theaterarbeit gegenüber. Triebkräfte für Inszenierungen seien gewesen, Menschen in Richtung zu ausgeprägten Individuen zu beeinflussen.

Esther Hattenbach glaubt, dass früher massivere Deutungen über die Bühne gingen, auch sehe sie den Begriff des Politischen als verflacht an. Theaterarbeit sei zudem von Sachzwängen wie Finanzierungsnöten geprägt. Sie sieht daher eher eine Verunsicherung und forderte mehr Schlagkraft.

Die Frage nach der Textbotschaft entzündet die Diskussion

„Sind Theaterstoffe politischer geworden?“, hakt Bronkalla nach. Knopf führte daraufhin in die grundsätzliche Problematik der Interpretation zwischen dem Streben nach Werktreue und freier Ausdeutung ein. Er schränkte allerdings ein, dass selbst Philologen um den Kern, die Wahrheit ringen und es keine eindeutigen Antworten gebe. Auch er zitiert Schiller: „Der Mensch wird erst Mensch, wenn er spielt“. Der Text sei der Ausgangspunkt fürs Theater. „Wir kennen Autoren und ihre Intentionen nicht“, schränkt Knopf ein.

An der folgenden Frage nach einer „Botschaft“ des Textes entzündet sich die Diskussion. Esther Hattenbach sah bei Brecht einen moralisierend erhobenen Zeigefinger, was Knopf nicht akzeptierte. Auch werde bei Brecht die Darstellung der Eigentumsverhältnisse zum zentralen Thema; daraus entwickelte er die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit. Dahinter sah sie die Dialektik zwischen Einzelinteressen kontra Gemeinwohl. Anschließend brachten Bronkalla und Hattenbach die Frage ins Spiel, inwieweit Brechts eigene Inszenierungen und sogar erhaltene authentische Probenmitschnitte die Freiheit heutiger Regisseure einschränke.

Viele Problemfelder wurden angerissen

Die Diskussion verlief manchmal etwas sprunghaft, wurden unterschiedliche Problemfelder aneinandergereiht, anstelle Verbindungslinien herzustellen und auf den Punkt zu kommen. Immerhin trug Knopf Wesentliches zum Verständnis von Brecht als Liederdichter bei, der mit der Prosodie und dem Sprachrhythmus des Textes gearbeitet habe. „Fragwürdig“ die Frage des Moderators nach Widerständen bei Inszenierungen. Heyme fand die Frage offenbar paradox, Widerstände würden nicht gesucht, sondern entstünden von selbst durch die Polarisierung und Ambivalenz von Aufführungen.

Bei der Podiumsdiskussion kamen die Antworten nicht immer auf den Punkt, schienen vorgefasst und nicht immer gezielt auf die Fragen des Moderators zu erfolgen. Dieser hätte mehr nachhaken und „dirigieren“ können, was aber bei den aus- und abschweifenden Ausführungen zugegeben schwer ist.

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