Kreis Kaiserslautern Lautlos der Freiheit entgegen

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Er faucht gefährlich, blitzt mit seinen durchdringenden Bernsteinaugen in die Runde und hebt lautlos ab in die Luft: Der junge Uhu, der Mitte Juni in Kaiserslautern vom Gartenschaufelsen gerutscht war (die RHEINPFALZ berichtete am 21. Juni), ist zurück in der Freiheit. Im Steinbruch Rauschermühle bei Niederkirchen hat ihn Vogelschützer Kurt Wilhelm am Wochenende zurück ins wahre Uhuleben entlassen.

Im stillgelegten Steinbruch Rauschermühle bei Niederkirchen sind Vogel- und Naturschützer versammelt, Fotografen drehen an den Objektiven, ein Naturfilmer sucht den besten Standort für die Kamera. Großer Bahnhof für einen wirklich großen Vogel. Der will von all dem Trubel aber gar nichts wissen. Seine Ankunft im Karton quittiert er mit einem eindeutig missmutigen Fauchen. Auch seine Blicke, die er vom Arm seines „Ziehvaters“ Kurt Wilhelm in die Runde wirft, deuten keine Freundschaft an. Noch weiß er ja nicht, dass ihn das wahre Uhuleben gleich wieder hat, dass er gleich der Freiheit entgegenfliegen wird. Das prachtvolle Tier − mit gut drei Kilo und einer gewaltigen Spannweite von über 150 Zentimetern − sah vor über zwei Monaten ganz anders aus. Ziemlich mager war der damals Heranwachsende, der als Ästling mit seinen beiden Gartenschaugeschwistern auf dem Felsen herumgeturnte und dabei abgerutscht ist. „Da waren nur Federn zu spüren, kein Fleisch“, erinnert sich Christine Schweigert von der Gartenschau an jenen Nachmittag, als Kurt Wilhelm den Verunglückten aus dem Gestrüpp zog und ihn vor dem Schicksal bewahrte, vom Fuchs gefressen zu werden. Schweigert hat es sich nicht nehmen lassen aufs Land zu fahren, um noch einmal einen Blick auf den Uhu werfen zu können. „Na, der hat sich ja verändert“, strahlt sie beim Anblick des Tiers. Dass aus dem Stadtvogel nun ein Land-Uhu wird, ist ihr völlig Wurscht. „Er soll dort heimisch werden, wo es ihm gefällt“, gibt sie dem Uhu ihre Wünsche mit auf den neuen Weg. „Und sich fleißig vermehren.“ Der Steinbruch bei Niederkirchen wurde von den Vogelschützern ausgewählt, weil dort der Straßenverkehr nicht ganz so dominant ist wie in Kaiserslautern direkt an der Gartenschau. Denn der junge Eulenvogel hatte keine Gelegenheit, sich mit Autos vertraut zu machen oder die Eltern zu beobachten. Er ist ja in der Voliere herangewachsen. „Es ist vermutlich ein Weibchen“, stellt Wilhelm den „Knacki“ vor. Normalerweise gibt er keinem der von ihm aufgepäppelten Vögel einen Namen. Hat er beim Uhu auch nicht gemacht. Der Bursche − oder die Dame − hat sich selbst einen Namen verpasst, weil sie in der Voliere öfter knackende Geräusche von sich gab. In den letzten Tagen gab es im Käfig auch die typischen Uhurufe zu hören. Ein zweiter Uhu war angekommen. Wilhelm hat nach dem Anruf besorgter Bürger in Dansenberg einen stark abgemagerten Uhu aufgesammelt und gleichfalls in die Voliere gebracht. Dieses Exemplar war durch verkrümmte Fänge nicht mehr in der Lage, selbst Beute zu schlagen. „Das ist eine Sauerei“, schimpft Wilhelm. Er berichtet, dass das Tier unter sogenannten Dicken Händen leidet, einer Entzündung der Ballen, die es ihm nicht mehr ermöglicht, den Fang zu schließen. „Der Vogel war mit Sicherheit in Gefangenschaft“, ärgert es Wilhelm, dass Menschen solche Tiere halten, sich nicht richtig darum kümmern und sie im Krankheitsfall einfach fliegen lassen − und somit dem Tode weihen: „In freier Natur kommt solch eine Krankheit nicht vor, die geht auf falsche Ernährung und auf eine falsche, glatte Sitzgelegenheit zurück.“ Wilhelm hat den kranken Uhu inzwischen operieren lassen. Er ist sich aber keineswegs sicher, ob das Tier je wieder wird jagen können. „Knacki“, dem Uhu-Nachwuchs aus der Gartenschau, war es kurz nach seinem Freiflug gleichfalls nicht nach Jagen zumute. War ja auch nicht seine Zeit. Als König der Nacht packt er sich nicht im prallen Sonnenschein seine Beute. Lautlos und ohne Abschiedsrunde ist er direkt im schattigen Gestrüpp verschwunden und hat vor allem Wilhelm ein stolzes Lächeln ins Gesicht gezaubert. „Die Mühe hat sich gelohnt“, sagt der. „Das weiß ich immer dann, wenn ich einen Vogel fliegen lassen kann.“ Spricht’s und geht. Dieser hier braucht ihn nicht mehr.

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