Rülzheim Zehn Jahre „Barbarenschatz“: Vieles um Sensationsfund noch ungeklärt
Jahrhundertelang lag er unentdeckt in der Erde, sein Fund sorgte für Furore: der „Barbarenschatz von Rülzheim“. Ein Sondengänger legte die Ansammlung von Gold- und Silberobjekten von unschätzbarem Wert in der Südpfalz offen - in diesen Tagen ist das zehn Jahre her. Die Prunkstücke seien ein „einzigartiges Ensemble“, sagt Ulrich Himmelmann von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE). „Spannend ist vor allem die Frage, wie und warum die exotischen Gegenstände im fünften Jahrhundert an den Rhein gelangten, als das Weströmische Reich im Untergang begriffen war.“
Der „Barbarenschatz“ umfasst unter anderem fein ausgearbeitete Büsten und Statuetten, goldene Gewandapplikationen - und einen versilberten Faltstuhl mit Rückenlehne. Dieser sei besonders erwähnenswert, sagt Himmelmann. Es handele sich um das einzig erhaltene Exemplar eines solch exquisiten Faltmöbels. „Bislang waren sie nur von antiken Abbildungen bekannt.“ Zehn Jahre nach dem Fund sei die Analyse der Stücke nun abgeschlossen. „Jetzt geht es darum, die gewonnenen Erkenntnisse gesammelt zu publizieren.“ Geplant sei ein Buch.
Den Schatz gefunden hatte Benjamin Czerny. „Ich wollte damals nach sechs, sieben Stunden aufhören, da kam ein Riesensignal rein“, sagt der 31-Jährige aus Speyer. „Nach 50 Zentimeter Graben kam ein silbernes Gestänge zum Vorschein, das aussah wie ein entsorgter Gartenzaun. Später stellte sich heraus, das ist ein spätrömischer Feldherrenstuhl.“ Unten in der Grube glänzten Goldobjekte. „Ich dachte, das könnte Faschingsschmuck sein und war misstrauisch.“ Er habe den Fund im Rucksack mitgenommen und daheim von Dreck gereinigt.
In den Folgemonaten habe er die Stücke geprüft und „mit dem Gedanken gespielt, den Fund Archäologen vorzulegen“. Doch die Behörden kamen ihm mit einer Hausdurchsuchung bei Freunden zuvor, bei der ein Fotoapparat mit Bildern vom Schatz gefunden wurde.
Das Problem: Benjamin Czerny hatte keine Genehmigung zur Suche nach Kulturdenkmalen, die nach dem Landesdenkmalschutzgesetz zwingend erforderlich ist. Und er hatte den Schatz nach dem Auffinden nicht den Fachleuten gemeldet, was ebenfalls vorgeschrieben ist - zumal dem Gesetz zufolge ein Fund automatisch Eigentum des Landes wird, wenn er von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist.
„Mir wurde Unterschlagung vorgeworfen, vier Jahre lang ging es durch viele gerichtliche Instanzen. Am Ende erhielt ich eine Geldstrafe auf ein Jahr Bewährung“, sagt Czerny. Heute rät er: „Man sollte einen Fund unverzüglich melden. Am besten, wenn er noch im Boden ist, damit er fachgerecht geborgen werden kann.“ Für sich selbst bilanziert er: „Das ist blöd gelaufen, weil ich erst nicht wusste, was dort liegt.“
Finder wünscht sich mehr Anerkennung für Sondengänger
Dass der Schatz heute im Museum liegt, findet Czerny richtig: „Es ist schön, den Fund dort zu wissen, wo ihn jeder und auch die Nachwelt sehen kann.“ Er wünscht sich jedoch für Sondengänger in Deutschland mehr Anerkennung und einen gerechten Finderlohn wie etwa in den USA, Großbritannien und Österreich. „Wenn Finder leer ausgehen, landen Funde auf dem Schwarzmarkt, und Kulturgeschichte geht kaputt.“
Eine Möglichkeit sei eine Fundteilung zwischen Entdecker und Grundeigentümer - unter Aufsicht der Behörden. Seit Czerny zum 6. Geburtstag von seinem Vater einen Detektor geschenkt bekam, ist er leidenschaftlicher Schatzsucher. „Ich bin aber nie mit dem Wunsch losgezogen, etwas Großes zu finden“, sagt er. Seit 2014 betreibt Czerny in Hanhofen bei Speyer ein Geschäft mit allem, was das Sondengängerherz begehrt: vom Bodenscanner über Metalldetektor bis zum Spaten. „Es gibt noch so viele unentdeckte Dinge da draußen.“
Experte Himmelmann ärgert sich auch zehn Jahre nach dem Fund über die „dilettantische Bergung“ und „grobe Säuberung der Objekte“ durch den Finder. „Auch wurden keine Proben entnommen, die man hätte analysieren können. Außerdem wurde die Lage der Objekte im Boden nicht dokumentiert.“ So sei wertvolles Wissen verloren gegangen.
Die Generaldirektion habe große Anstrengungen in den vergangenen Jahren unternommen, die Zusammenarbeit mit lizenzierten Sondengängern zu verbessern und zu vereinheitlichen, betont er. „Der Archäologie stehen durch das Engagement der Sondengänger viele neue Informationen zur Verfügung, die in die Arbeit der Bodendenkmalpflege einfließen.“
Nötig seien dazu aber die Bereitschaft zu ehrlicher Zusammenarbeit und zum Einhalten fachlicher Regeln durch die Sondengänger einerseits - und andererseits kontinuierliche Schulungsangebote und eine zügige Bearbeitung der Funde sowie die nachvollziehbare Anwendung des Schatzregals durch die Archäologie. Da dies nur mit entsprechenden Kapazitäten zu leisten ist, wurde die Zahl der vergebenen Genehmigungen inzwischen an die Bearbeitungskapazitäten gekoppelt.
„Sind diese Voraussetzungen gegeben, findet eine fruchtbare Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt, von der beide profitieren“, meint Himmelmann. Vielleicht führt das ja wieder zu einem Fund wie 2013.