Kreis Germersheim „Wir können als Dorf zusammenstehen“

Gleich zu Beginn ein Gänsehaut-Moment: „Ich weiß, was es bedeutet, alles an Sicherheit und Vertrautem zu verlassen und von Neuem anzufangen“, sagte Pfarrer Stanislaus Mach. Vor 25 Jahren habe er sich nach seiner Priesterweihe in Polen entschieden, nach Deutschland zu gehen. Daher war es ihm ein Anliegen, vor dem voll besetzten Bürgerhaus zu sprechen. „Ich stehe hier als Privatmann, als jemand, der damals diese Chance bekommen hat.“ Erst herrschte Stille, dann gab es tosenden Applaus. Nach den Turbulenzen bei der Veranstaltung in Freckenfeld (wir berichteten) war die Nervosität im Saal bei den Vertretern der Verwaltung, aber auch bei den Bürgern spürbar. Zunächst ging es um die klassischen Themen einer Einwohnerversammlung – abgeschlossene und laufende Projekte der Gemeinde –, bevor Ortsbürgermeister Michael Detzel (CDU) den Hauptpunkt ansprach: die Unterbringung von Flüchtlingen. „Bei dieser Krise geht es nicht um die wirtschaftliche Stabilität, sondern um flüchtende Menschen“, sagte Detzel eindringlich. Zahlen lieferte der Ordnungsamtschef der Verbandsgemeindeverwaltung Christian Hengen, merkte aber vorher mahnend an: „Die Unterbringung ist keine freiwillige Leistung, sondern eine Pflichtaufgabe.“ In der VG Kandel sind zurzeit 149 Asylsuchende untergebracht, Hengen geht davon aus, dass 2015 noch circa 40 weitere ankommen werden. Die Gemeinde Steinweiler habe ein Privathaus angemietet, in dem seit zwei Jahren 9 Flüchtlinge untergebracht seien, sagte Detzel. Dies laufe reibungslos, viele im Ort hätten das nicht einmal mitbekommen. Eine gemeindeeigene Wohnung für bis zu vier Personen soll bald bezugsfertig sein. Zudem wird das Pfarrhaus für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden, sobald Vorgaben hinsichtlich des Brandschutzes erfüllt sind. Dennoch fehlt weiter Wohnraum. Öffentliche Gebäude wie das Bürgerhaus oder die neue Sporthalle sollen nicht zur Verfügung gestellt werden. Ein Aufruf im Amtsblatt habe keine Resonanz gefunden. Nach persönlichen Ansprachen gibt es laut Detzel jedoch „kleine Lichtblicke“. Im Siedlerweg, im Mischgebiet Brotäcker 2, stehen zudem zwei gemeindeeigene Grundstücke leer. Dort könnten zum Beispiel in Containern jeweils bis zu 15 Menschen untergebracht werden. Einen Antrag der Verbandsgemeinde hatte der Ausschuss in einer „zweistündigen, intensiv geführten Diskussion“ behandelt. Detzel berichtete von Anrufen besorgter Bürger. „Die Spekulationen betrugen mehr als das Doppelte derer, die derzeit in der VG untergebracht sind.“ Bei einer Anliegerversammlung Mitte Oktober hätten die Nachbarn des Grundstücks ihre Besorgnis mitgeteilt. „Diese Bedenken teile ich, sie sind nachvollziehbar“, sagte Detzel, betonte aber: „Ich bin zuversichtlich, dass die Integration gelingen wird, wenn die Dorfgemeinschaft das offensiv angeht.“ In der Debatte äußerten vor allem Anwohner aus dem Baugebiet „Brotäcker 2“ ihre Sorgen. „Ich finde das für mich und meine Kinder schlimm, ich habe Angst“, sagte ein Mann. Die Anmerkung, er habe nichts gegen Flüchtlinge, sie sollten aber woanders untergebracht werden, wurde von einer Seniorin mit einem aufgebrachten: „Das ist doch das St.-Florians-Prinzip“, quittiert. Detzel merkte an, dass er auch in seiner eigenen Nachbarschaft gefragt habe, ob Häuser zur Verfügung gestellt werden könnten. Für Besorgnis sorgt vor allem, dass viele Flüchtlinge junge Männer sind. Ein Bürger berichtete von seinen Erfahrungen vom ehrenamtlichen Einsatz bei Flüchtlingen in Speyer und betonte dann: „Ich bin auch als junger Mann nach Steinweiler gekommen. Dachtet ihr, ich bin ein Vergewaltiger?“ Ein anderer junger Vater wies darauf hin, dass seine Familie zwar auch Bedenken besprochen habe. „Aber wir können als Dorf zusammenstehen.“ Die Sorge, dass schließlich mehr als 15 Personen auf einem Grundstück untergebracht werden könnten, konnte VG-Bürgermeister Volker Poß (SPD) entkräften: „Wenn die Gemeinde sagt, 10 bis 15, dann sagen wir das auch zu.“ Der Bitte, zunächst nur ein Grundstück zur Verfügung zu stellen, konnte Detzel jedoch nicht entsprechen: Über das Thema muss der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 25. November entscheiden. (tnc)