Kreis Germersheim Vollmersweiler: Mit dem Klimawandel kommt der Sommertrüffel

Die Pilze heißen im Uhrzeigersinn von oben Leberreischling, Wurzelschleimrübling und Austernseitling. Den Leberreischling hält e
Die Pilze heißen im Uhrzeigersinn von oben Leberreischling, Wurzelschleimrübling und Austernseitling. Den Leberreischling hält er auch in der Hand.

Eingetrocknete Pilze, neue Arten: Pilzexperte Dieter Oberle sieht deutliche Veränderungen im Lebensraum Wald. 2018 musste sogar eine Pilzausstellung ausfallen. Die Trockenzeiten bringen aber nicht nur Nachteile.

„Neulich war ich am Heilbach, da war kein Tropfen Wasser drin. Der Bienwald ist forztrocken!“, sagt Dieter Oberle. Seit 2007 führt er auf Pilz-Exkursionen durch den Bienwald. Zudem ist er als Mitglied der Karlsruher Arbeitsgruppe Pilze im Naturwissenschaftlichen Verein seit elf Jahren bei der Pilzberatung des Naturkundemuseums in Karlsruhe aktiv. Dass sich für Pilze der Lebensraum Wald in den letzten Jahren verändert hat, ist ihm nicht unbekannt.

Der ehemalige IT-Fachmann im Rechenzentrum der Universität Karlsruhe lebt in Vollmersweiler und war zuvor noch im Bienwald, um für das abendliche Treffen mit Vereinsmitgliedern nach Material zu suchen. Die Ausbeute ist dürftig. Einen Wurzelschleimrübling, einen Austernseitling sowie einen Leberreischling hat er mitgebracht. Die Trockenheit hat den Pilzen zugesetzt: Der Kopf des Rüblings ist eingerissen und der Seitling völlig ausgetrocknet. Den könne man aber einweichen und dann essen, „das ist ein guter Speisepilz und bekannt aus dem Supermarkt.“

Steinpilz-Funde weiter möglich

Trotz der mauen Ausbeute gibt er allerdings auch Entwarnung: „Die Pilze sind ja noch immer da, nur eben die Fruchtkörper nicht. So schnell trocknen die nicht aus und sterben ab, auch wenn die Überlebenszeiten wissenschaftlich noch unklar sind.“

Zudem müsse zum Beispiel für den Steinpilz die Saison noch längst nicht vorbei sein. Die Toleranzen innerhalb der Jahreszeiten seien hoch und so könne man je nach Witterung noch bis in den Dezember hinein fündig werden. Dass sich das Klima in den letzten Jahren verändert habe, stellt auch er fest. Selbst „eine Erwärmung von 'Nullkommagrad' macht in der Natur schon etwas aus“.

Spektakuläre Trüffel-Ausbeute

Zudem lade das Rheintal als traditionelles Einfallstor für neue Pflanzen und Insekten noch immer ein. So verbreitet sich gerade der dem Pfifferling ähnlich sehende Ölbaumpilz, der zuvor eher in Südeuropa heimisch war: „Der war hier früher nicht zu finden und wird jetzt seit zehn Jahren zu uns in die Pilzberatung gebracht.“ Zu den Neuankömmlingen zählten auch Kaiserling und Fransiger Wulstling.

Als besonders spektakulär bewertet er den Fund einer Dame in Erlenbach auf deren Privatgrundstück. Oberle traute seinen Augen nicht, als er die Fotos von ausgewachsenen Sommertrüffeln sah. „Das ist total ungewöhnlich und ich bin sofort mit dem Rad hingedüst.“ Oberle vermutet, dass dort jahrelang gelagerter Bauschutt Kalk in den Boden gespült haben müsse, den der Trüffel braucht. Den entscheidenden Rest erledigte allerdings das Klima. Denn dass die Trüffel auch vor 30 Jahren gefunden hätten werden können, bezweifelt Oberle.

Veränderungen ja, Aussterben nein

Doch zur Freude besteht kein Anlass. Oberles Kollege Georg Müller geht davon aus, dass die im letzten Jahr ausgefallene Pilzausstellung des Vereins in vier Wochen stattfinden könne. Doch mit einem Ausfall wie 2018 müsse auch künftig gerechnet werden. Grundsätzlich schätzt er, dass „diverse Milchlinge und Täubling seltener werden“. Für die populäre Speisepilze sieht er für die kommenden 20 bis 30 Jahre allerdings nicht die Gefahr, dass sie gänzlich aussterben.

Termin

Noch bis zum 31. Oktober können Interessierte im Hintergebäude beim Nymphengarten von der Pilzberatung ihre Pilze kostenlos bestimmen lassen. Der Termin ist immer montags von 17 bis 19 Uhr.

Weitere Informationen unter www.pilze-karlsruhe.de

KOMMENTAR

Jedes Maß verloren

Der Wald und seine Pflanzen verändern sich. Um so mehr muss auch der Mensch wieder lernen, dass die Ressourcen endlich sind. Entsprechend erinnert Markus Scholler vom Naturkundemuseum Karlsruhe daran, dass auch die Pilze bedroht seien und beim Sammeln der Respekt erhalten bleiben müsse. Gerade die Speisepilze seien sehr empfindlich. Jeder müsse überlegen, ob er jetzt wirklich eine komplette Steinpilzkolonie abräumen muss, damit am Abend etwas ordentliches in der Pfanne ist.

Längst würden Fachleute noch nicht einmal mehr ungefähre Tipps geben, in welcher Region Pilzsammler fündig werden können. Diesen schlechten Ruf haben sich viele Mitbürger mit ihrem Egoismus hart erarbeitet. Selbst die Bedächtigen müssen nun darunter leiden. Das ist dann eben der Preis für eine Gesellschaft, die längst jedes Maß verloren zu haben scheint.

Der Leberreischling.
Der Leberreischling. Foto: Madr
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