Glosse Straßenbau im Bienwald: Schlingerfahrt auf rutschigem Asphalt
Brandl, Brechtel und Weiß überraschen mit neuer Lösung für die marode K 23. Folgt eine Triumphfahrt? Oder droht ein Totalschaden? Spannend! Zur Lektüre empfehlen wir Popcorn.
Erstens kommt alles anders, zweitens als man denkt: Die Diskussion um die Zukunft der fast kerzengeraden Kreisstraße 23 zwischen Schaidt und der L545 zwischen Scheibenhardt und Bienwaldmühle hat mittlerweile viele überraschende Wendungen genommen. Beobachter warten geradezu darauf, wann der erste Entscheider aus der Kurve getragen wird. Die aktuellen Anwärter sind der Landratskandidat, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Martin Brandl (CDU), Noch-Landrat Fritz Brechtel (CDU) und Bald-Bürgermeister Steffen Weiß (Wörth, FWG). Bereits aus dem Rennen ist Nichtmehrlange-Bürgermeister Dennis Nitsche (Wörth, SPD). Er spielte aber in der ersten Runde eine entscheidende Rolle. Denn „nach Darstellung der Kreisverwaltung“, so die Darstellung von Weiß, habe sich die Stadt Wörth im ersten Anlauf nicht kompromissbereit gezeigt. Weshalb es einen zweiten Anlauf gab.
Seit Jahren marode, jetzt gesperrt
Das Ganze fing schon mit einer Überraschung an. Die war aber nicht, dass das mittlerweile wegen der Schäden gesperrte, etwa 8 oder 9 Kilometer lange Sträßchen durch den Bienwald marode ist. Das ist seit Jahren klar und der Kreis wollte die Straße auch sanieren. Mit den üblichen Zuschüssen des Landes, versteht sich. Dafür muss aber seit 2016 überprüft werden, ob die Straße überhaupt entsprechend genutzt wird.
Dabei kam heraus: Die K 23 erfüllt keine Durchgangsfunktion, sie wird überwiegend von Menschen genutzt, die in die anliegenden Orte – Schaidt und Scheibenhardt – wollen oder von dort kommen. Damit wäre sie eine Gemeindestraße.
Zudem verfügt der Wörther Ortsbezirk Schaidt über zwei weitere Anbindungen. Und die Fahrt nach Scheibenhardt dauert laut Routenplaner 16 Minuten: egal ob über die K 23 mitten durch den Bienwald oder auf der längeren Strecke über Büchelberg. Wer mag, kann auch 2 Minuten länger über Steinfeld fahren.
Eigentlich wird die Straße nicht gebraucht
Im Klartext: Eigentlich wird die K23 gar nicht gebraucht. Und außer den Menschen in Schaidt mochte sie auch keiner mehr: Der Landkreis Germersheim wollte die Straße gerne an die Stadt Wörth weiterreichen, zu der Schaidt gehört. Vor der Übergabe sollte die Straße sogar für 1,2 Millionen Euro noch saniert werden. Aber der Stadtrat Wörth scheute die Unterhaltungskosten: Einstimmig lehnt er die Übernahme ab – so Nitsche, der nicht alleine für alles verantwortlich gemacht werden möchte, vor allem für das, was folgte.
Rechnung ohne den Wirt gemacht
Denn die weitere Rechnung wurde nicht nur ohne Wörth, sondern auch ohne den Wirt gemacht: Die Landesforstverwaltung sollte das Sträßchen unter seine Fittiche nehmen, waren Kreis und LBM sich einig. Schließlich müssen die Holzlaster ja irgendwie zum Holz kommen. Der Forst war auch willig: Nur eine asphaltierte Straße wollte er nicht. Für deren Unterhaltung sind die Forstämter nicht gerüstet, eine „wassergebundene Decke“, vulgo: Schotterstraße, tut es sonst im Wald überall auch.
Damit waren dann auch alle zufrieden. Fast alle. Nur die Schaidter sahen sich getäuscht. Sie waren die ganze Zeit davon ausgegangen, dass die Straße wieder geteert wird, und machten ihren Unmut deutlich. Ein Argument: Die Schotterstraße wäre im Bau genauso teuer wie die Sanierung der Asphaltstraße: 1,2 Millionen Euro.
Darauf schlug die Stunde des Dreigestirns Brandl, Brechtel und Weiß. Auf Anregung des Landratskandidaten setzen sich Noch-Landrat und Bald-Bürgermeister zusammen: „Und nach 20 harmonischen Minuten war alles geklärt“, berichtete Weiß an die Wörther Fraktionsvorsitzenden: „Der Kreis bezahlt und bleibt Träger, also auch für künftige Maßnahmen. Die Stadt übernimmt für den Kreis in einem Vertragsverhältnis Pflege und Unterhalt, entweder über den Bauhof oder durch Fremdvergabe.“ Ausgewiesen werden soll die Straße als „Kreis-Radweg“, der von Anliegern auch mit dem Auto befahren werden darf – in der Alltagsrealität also von jedem, der ein Anliegen hat oder keine Angst, erwischt zu werden.
Kein Beifall aus Schaidt
Die Reaktion aus Schaidt ließ für Weiß in der Zukunft aber deutlich weniger harmonische Zeiten erwarten: Von Wahlkampf war die Rede und davon, dass „der designierte Wörther Bürgermeister die Katze im Sack mit ins Rathaus bringt“, so der SPD-Ortsvereinsvorsitzende und Stadtrat Herbert Hauck: „Die Verkehrssicherungspflicht für eine 7,5 Kilometer lange Straße durch den Wald bedeutet enorme laufende Kosten für die Stadt. Dessen ist er (Weiß) sich offenbar nicht bewusst.“
Und Hauck erinnerte daran, dass es Dinge gibt, in denen der Wörther Stadtrat sich grundsätzlich einig ist: „Wir kämpfen als Stadtrat über die Fraktionsgrenzen hinweg seit Jahren dafür, dass der Kreis die Kreisumlage senkt und sich finanziell an der Bäderinfrastruktur beteiligt. Und dann kommt man mit einem solch kostenintensiven Vorschlag um die Ecke. Zum Glück wird das der Stadtrat entscheiden.“
Weiß versucht gegenzulenken
Weiß war also auf rutschigen Asphalt geraten und versuchte gegenzulenken: „Es geht ausdrücklich nicht um eine Übernahme der Trägerschaft durch die Stadt und damit in der Zukunft notwendige Sanierungsarbeiten. Einen Vertrag über Pflege und Unterhalt kann man nach meiner Auffassung auch zeitlich befristen, vermutlich angesichts der Investition des Kreises nicht auf 1 oder 2 Jahre, aber auf 8, 10 oder 15 Jahre.“ Das klingt nicht besonders ausgegoren.
Brandl: „Bin nicht der richtige Adressat“
Aber was sagen die anderen beiden Beteiligten dazu? Brandl – der einzige Wahlkämpfer unter den Beteiligten – platziert sich bei einer Nachfrage der RHEINPFALZ bescheiden auf der Rückbank: „Ich bin nicht der richtige Adressat für eine Frage bezüglich Verabredungen mit Steffen Weiß bezüglich der K23. Das ist Sache des Landrats, des designierten Bürgermeisters und der zukünftigen Gremien.“ Er habe das Treffen initiiert, weil er eine „teure und im Sinne für die Schaidter Bürger minderwertige Lösung für die K23 nicht einfach so hinnehmen wollte“.
Landrat Brechtel rechtfertigt zunächst den Termin vor den Wahlen: „Das war eine Anregung von Martin Brandl, diesen Lösungsvorschlag zu diskutieren, bevor durch eine Ausschreibung des Landesbetriebs Mobilität nicht mehr rückholbare Tatsachen geschaffen werden.“ Für die Stadt Wörth gehe es nur um die Verkehrssicherung, nicht um den baulichen Unterhalt, so Brechtel. Über Details könne man erst reden, wenn man Zahlen habe. Die Zahlen könnten aber aus Erfahrungswerten gewonnen werden.
Brechtel: „Sanierung wird sogar billiger“
Und Brechtel stellt klar, dass er nicht an oberflächige Reparaturen denkt. Auch der Unterbau der Straße soll erneuert werden. „Die Sanierung wird sogar billiger als der Rückbau, weil das vorhandene Material wieder verwendet werden kann“, so Brechtel. Für den Forstweg hätte es entsorgt werden müssen.
Damit ist die neue Lösung für K 23 zur politischen Rutschbahn geworden. Denn der Asphalt des Waldsträßchens enthält laut Landesbetrieb Mobilität Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), einfach gesagt: Pech. PAKs sind krebserregend, die Verwendung von Teer ist im Straßenbau seit 1984 verboten. Der Asphalt der K 23 kann nur unter bestimmten Bedingungen wieder verwendet werden, unter anderen nur außerhalb von Bereichen mit einem höchsten Grundwasserstand von weniger als 2 Metern. Entlang der K23 steht das Wasser allerdings oft bis an die Oberfläche ...
Ein typischer Fall von Aquaplaning?
Das könnte also für den Landrat ein typischer Fall von Aquaplaning werden – zum Glück nur im übertragenen Sinne. Weiß hingegen sieht sich eher als Beifahrer und signalisiert, dass er trotzdem weiß, wo der Rückwärtsgang liegt. Er betont nämlich, dass alles noch durch die Gremien müsse, und sicherheitshalber hat er auch daran erinnert, dass er ja noch gar kein Bürgermeister ist: „Da wurde noch nichts zugesagt – kann ich ja auch gar nicht!“, schreibt Weiß.
Nach der Sommerpause und nach den Wahlen wollen Brechtel und Weiß ihre Lösung – oder war es doch die von Brandl? – in den Gremien einbringen. Wie auch immer die Schlingerfahrt durch den Bienwald weiter geht, einer ist auf keinen Fall daran schuld: Aus dem Wettbewerb um den besten Bruchpiloten ist Nitsche dann raus. Damit wäre für alle drei Platz auf dem Siegertreppchen.