Bruchsal Schutz im Schlafwägele

Ausreichend Platz bietet ein „Wägele“ für eine Person. Diese werden in Bruchsal hergestellt. Es gibt aber auch weitere Varianten
Ausreichend Platz bietet ein »Wägele« für eine Person. Diese werden in Bruchsal hergestellt. Es gibt aber auch weitere Varianten der Schutz-Behaussungen in der Pfalz und in Baden.

Auch ohne Corona-Pandemie haben es Obdachlose schwer, einen sicheren Schlafplatz zu finden. Mehrere Ideen den Menschen einen Schutzraum zu geben gibt es. Ein badischer Bauunternehmer konstruierte „Not-Schlafwägele“ für Obdachlose. Die mobilen Behausungen bieten auf zwei Quadratmetern Schutz für die Menschen in Not.

Obdachlose werden oft vertrieben, sind Konfrontationen ausgesetzt, weiß Matthias Holoch: vor allem wenn sie im Freien nächtigen. Den Bauunternehmer brachten Beobachtungen in der Obdachlosenszene in Berlin und in Frankfurt zu der Idee, mit einfachen Behausungen den Außenseitern der Gesellschaft mehr Schutz vor Wind und Wetter – oder aber auch Diebstahl – zu bieten: auf zwei Quadratmetern.

„Schlafwägele“ nennt er die Konstruktion, an der er erstmals vor vier Jahren zu arbeiten begonnen hatte. Bei Recherchen im Internet hatte er zuvor schon von Versuchen andernorts gelesen – mit derartigen mobilen Behausungen. Auch über das so genannte „Ulmer Nest“, einer als Erfrierungsschutz entwickelten „Schlafkapsel“, informierte er sich. Mehrfach seien ihm bei Besuchen in Berlin, wo er meist in einem Jugendgästehaus nahe dem Hauptbahnhof übernachtete, „Leute begegnet die in Bruchsal nicht in der Öffentlichkeit auftauchen“. Auch Frankfurts Bankenviertel machte ihn stutzig: Obdachlose, die neben ihren voll bepackten Einkaufswägen nächtigten.

Mobile Behausungen auch in Rheinland-Pfalz

Seit vergangenem Herbst sind in Mainz, der Landeshauptstadt in Rheinland-Pfalz, einige der von Holoch entwickelten mobilen Behausungen im Einsatz. 70 bis 80 Kilogramm wiegen die aus wetterbeständigem Dreischichtholz gebauten „Schlafwägele“, der Innenraum ist 70 Zentimeter breit und zwei Meter lang. Wichtig war dem Konstrukteur, dass ein Nutzer sich aufrecht hinsetzen kann in dem Gefährt. Unter der Matratze befindet sich ein Fach, in dem der oder die Obdachlose auch persönliche Gegenstände zurücklassen kann. Das Ganze ist zudem verschließbar und sogar mit Rauchmelder und einem kleinem Feuerlöscher ausgestattet. Durch kleine Lüftungsschlitze kann man nach draußen schauen – und die Luftzufuhr ist gesichert.

Nach der Beobachtung von dem sozial engagierten Holoch, der auch Mitglied im Kirchengemeinderat St. Vinzenz ist, würden Obdachlose meist tagsüber schlafen. „Nachts hätten sie dagegen Angst vor Übergriffen und verstecken sich“, glaubt er. Eigentlich hatte er sich schon damit abgefunden, dass seine Idee keine Resonanz finden würde: dann traf er vor einiger Zeit auf einer Studienreise in Israel einen Arzt aus Mainz, und erzählte ihm davon. Der Arzt war angetan, und vermittelte den Kontakt zu der Mainzer Initiative „Armut und Gesundheit“, ein deutschlandweit agierender gemeinnütziger Verein, der sich mit Hilfsprojekten für Notleidende einsetzt.

Der Verein sei in erster Linie Anlaufstelle für Menschen ohne Krankenversicherung, sagt ein dort beschäftigter Sozialarbeiter auf Anfrage. „Schlafen draußen im Freien ist nach wie vor gefährlich“, ergänzt er. Die Behausung aus Bruchsal sieht er dabei „als absolute Notlösung“. Die Mainzer nennen sie daher auch „Not-Schläfwägele“.

Obdachlose vor Erfrierungen schützen

Gedacht als Erfrierungsschutz – menschenwürdig sei dagegen „am besten die Unterbringung in richtigem Wohnraum“. Derzeit sind zwei der hölzernen Behausungen von Matthias Holoch in der Stadt an Main und Rhein im Einsatz und jeweils einem Obdachlosen „fest zugeteilt“ – vier weitere werden gerade noch farblich aufgepeppt.

Die Konstruktion aus Bruchsal könnte aus Sicht des Erfinders Matthias Holoch einen kleinen Beitrag zur Erleichterung des Lebens von Obdachlosen leisten: die bisherigen sechs Modelle hat er bei einer Holz verarbeitenden Firma im benachbarten Stutensee fertigen lassen – und den Nutzern in Mainz geschenkt. „Es macht Spaß anderen Menschen zu helfen. Ich möchte damit kein Geld verdienen“, sagt der Bauunternehmer. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie würden Obdachlose „noch weiter hinten runter fallen als ohnedies schon. Matthias Holoch, der ursprünglich ein Diplom als Informatiker erwarb, war vor Jahren in die Gerüstbaufirma des Vaters mit eingestiegen. Gerüstbau und Wohnprojekte sind sein eigentlicher Haupterwerb.

Seit Februar diesen Jahres erprobt man auch in Ulm/Donau mit dem Pilotprojekt der dort eingesetzten Schlafkapsel „Ulmer Nest“, neue Wege zur Unterstützung bereits vorhandener Maßnahmen zum Erfrierungsschutz.

Große Nachfrage an den Hütten aus Holz

Die Behausungen wurden von zwei Ulmer Jungunternehmern initiiert. Wie bei dem Bruchsaler „Schlafwägele“ ist das Material überwiegend aus Holz. Die ersten zwei Schlafkapseln in Ulm wurden im Januar aufgestellt – betreut von Streetworkern der Caritas. Die Nachfrage sei rege, heißt es. Begleitet wird das Projekt in Ulm durch eine Studie der Universität Kassel. Die Stadt Ulm hatte 35.000 Euro in das Pilotprojekt investiert.

Badischer Erfinder und Erbauer: Matthias Holoch.
Badischer Erfinder und Erbauer: Matthias Holoch.
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