Wörth Partnerschaft: Ruanda ist in Sachen Digitalisierung voraus

Wörther Delegatierte in Ruanda.
Wörther Delegatierte in Ruanda.

Seit Jahrzehnten verbindet Ruanda und Rheinland-Pfalz eine Partnerschaft. Sie soll neu belebt werden. Der Wörther Bürgermeister ist mit Projektideen aus Ostafrika zurückgekehrt.

1982 startete die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda als einmaliges Projekt einer Entwicklungszusammenarbeit, die sich zum Ziel setzte, unmittelbar zwischen den Menschen zu wirken. Nach über 40 Jahren sah die rheinland-pfälzische Landesregierung es an der Zeit einen Generationenwechsel einzuleiten. Eine Reihe jüngerer Bürgermeister soll die Partnerschaft neu beleben und neue Kontakte und Projekte entwickeln. Mit dabei ist auch der Wörther Bürgermeister Dennis Nitsche (SPD), der jüngst von einer Delegationsreise im Südwesten Ruandas zurückkehrte.

Für Nitsche war die Reise etwas Besonderes. In seiner Doktorarbeit hat er sich mit der „Befriedungsfunktion internationaler Straftribunale“ auseinandergesetzt und dabei insbesondere die Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda analysiert. Etwa 800.000 Menschen starben 1994 innerhalb von nur zwölf Wochen. Der Schrecken dieses Völkermords ist heute noch in dem kleinen ostafrikanischen Land präsent.

Große und kleine Ideen für die Partnerschaft

In die Reise der Wörther Delegation fiel der Heroes Day, ein nationaler Feiertag in Gedenken an die Opfer des Genozids. Ein „eindrücklicher Tag“ für Nitsche. „In den Reden wurde die neue Einheit des Landes beschworen. Es war toll, das Seelenleben der Gesellschaft kennenzulernen. Wir haben eine ähnlich belastete Geschichte“, erkennt Nitsche eine Gemeinsamkeit der beiden Länder. In Ruanda sei bei der Aufarbeitung nicht alles richtig, aber auch nicht vieles falsch gemacht worden.

Im Mittelpunkt der Reise standen aber konkrete Projekte. „Nur unverbindlichen freundschaftlichen Kontakt zu pflegen wäre mir persönlich zu wenig – dafür wären die investierte Zeit und der Aufwand zu hoch. Die Kooperation muss zwingend konkret greifbare Ergebnisse haben“, legt Nitsche die Messlatte hoch. Neben ihm waren aus der Wörther Stadtverwaltung noch Christoph Gröger (Leiter Facility Management), Thomas Schuler (Leiter Bauhof) und Andreas Scherzer (Leitung Nachhaltige Stadtentwicklung). Teil der vierköpfigen Delegation. Während der einwöchigen Reise waren die Wörther vor allem im Distrikt Rugavu an der Grenze zum Kongo, der als kommunaler Partner ausgesucht wurde. Die beiderseitige Grenznähe und die Bemühungen um den Klimaschutz hätten die Partner zusammengebracht.

Viele Ansatzpunkte gefunden

„Wir hätten nicht gedacht, dass wir so viele Ansatzpunkte finden“, gibt sich Nitsche zufrieden über einige kleine und große Projektideen, die jetzt umgesetzt werden sollen. So sollen in Rugavu einige öffentliche Gebäude mit Kleinwindkraftanlagen und Batteriespeichern ausgestattet werden. Im Fokus stehen vor allem Schulen. Die Stadt Wörth stellt dazu fachliche Expertise bereit. Ein großes Thema war zudem der Agrarbereich. Nitsche war beeindruckt, wie viele Flächen im Land landwirtschaftlich genutzt werden. „Das Land ist nahezu komplett erschlossen. Es gibt kaum einen Fleck, an dem nichts angebaut wird.“

Stadt Wörth als „Türöffner“

Mehr als 80 Prozent der ruandischen Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten. Industrie und große Agrarbetriebe suche man vergebens, die Haushalte leben vielfach vom eigenen Boden. Der ruandische Staat versucht die Ernährungslage zu fördern, indem jeder ländliche Haushalt eine Kuh erhalten soll. „Die Rinder sind mangelernährt und geben zu wenig Milch“, sagt Nitsche. Zudem fehle es an Möglichkeiten die Milch länger haltbar zu machen. „Kühlschränke gibt es nicht.“ Die Stadt Wörth wolle hier als „Türöffner“ fungieren und Kontakte zur Pfälzischen Lehr- und Versuchsanstalt und zum Hofgut Neumühle herstellen, um die Ernährung, Erträge und Konservierung zu verbessern, sagt Nitsche.

Dünger aus der Luft gewinnen

Eine große Projektidee resultiert aus den Folgen des Kriegs in der Ukraine, die auch in Ruanda zu einem Mangel an Düngemitteln führte. Dabei habe sich Nitsche an ein Projekt des Chemieunternehmens Evonik erinnert. Mit Windkraftanlagen wird dabei Strom erzeugt, um den Stickstoff aus der Luft in Düngemittel umzuwandeln. Auch hier stellt er Kontakte her und hofft auf Fördermittel für die Umsetzung der klimaneutralen Düngemittelproduktion. „Wir können kein Geld aus der Stadtkasse für Ruanda nehmen“, sagt Nitsche.

„Die Zusammenarbeit darf nicht einseitig sein“, stellte Nitsche klar, dass auch Wörth von der Zusammenarbeit profitieren kann. „In Sachen Digitalisierung ist Ruanda ganz weit vorn.“ Ein Beispiel, das ihn nachhaltig beeindruckte, war die Verfolgung von Geschwindigkeitsübertretungen. „Zwei Minuten nach dem Blitz hat man einen Strafzettel auf dem Handy und nach zwei Tagen muss schon gezahlt werden.“ Auch die Konzepte für Bürgerengagement seien vorbildlich. Nitsche will die Kooperation weiter ausbauen und erwartet schon bald den Gegenbesuch aus Ruanda. „Im Mai oder Juni kommen die Kollegen nach Wörth.“

Eine dicht besiedelte Hügellandschaft in Ruanda.
Eine dicht besiedelte Hügellandschaft in Ruanda.
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