Kreis Germersheim Keine Entlassung nach Abhöraffäre bei Ardagh Glass

Die fristlose Kündigung ist in der ersten Instanz vom Tisch. Gestern verweigerte die 6. Kammer des Arbeitsgerichtes in Landau unter Vorsitz von Richter Kai-Uwe Paulsen die beantragte ersatzweise Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung des Schwerbehindertenvertreters bei Ardagh Glass. Er soll vertrauliche Informationen unerlaubt weitergegeben haben.

Als Beleg führt Ardagh den Mitschnitt eines oder mehrerer Gespräche des Schwerbehindertenvertreters im Betriebsratsbüro an. Der wurde anonym auf einer SD-Speicherkarte dem vom Gespräch betroffenen kranken Ardagh-Mitarbeiter zugespielt und der Personalleitung übergeben. Dieser Mitschnitt soll belegen, dass der Schwerbehindertenvertreter und der Betriebsratsvorsitzende Mesut Topak in Gegenwart eines nicht zu Verschwiegenheit verpflichteten Mitarbeiters über die Erkrankung des Kollegen gesprochen haben. Und das nicht gerade in freundlichem Ton; auch die Bezeichnung „dicker Saukopp“ soll gefallen sein, zitierte der Richter aus den Akten. Die Speicherkarte selbst liegt nicht vor, sie ist bei der Staatsanwaltschaft in Landau , die wegen dieses illegalen Mitschnitts ermittelt. Die Abschrift, die in den Gerichtsakten liegt, wurde im Ardagh-Personalbüro erstellt. Derweil sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen. Das teilte Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig auf Anfrage mit. Bei einer behördlichen Durchsuchung des Betriebsratsbüros bei Ardagh im Dezember waren keine Abhöreinrichtungen oder Aufzeichnungsgeräte sichergestellt worden. Schon zu Beginn der gestrigen Sitzung formulierte Richter Paulsen Zweifel, ob solch ein illegaler Mitschnitt überhaupt vor Gericht verwendet werden darf. Doch selbst wenn man das tue, sei nicht die Kündigung als letzte Konsequenz notwendig. Selbst die Ardagh-Werksleitung habe dem Mann ja angeboten, bei freiwilliger Aufgabe seiner Vertrauensposition (Schwerbehindertenbeauftragter) im Werk weiterarbeiten zu können. Damit sei seine Tätigkeit als Arbeitnehmer in keiner Weise infrage gestellt worden – also auch eine Entlassung nicht notwendig. Zumal der Mann seit 1987 bei Ardagh beziehungsweise dem Vorgängerunternehmen Heye Glas arbeite. Eine Möglichkeit, die Ardagh bleibe, sei, die Absetzung des Schwerbehindertenbeauftragten von dieser Vertrauensposition beim Arbeitsgericht zu beantragen. Das sei nach Betriebsverfassungsgesetz möglich. Und damit wäre auch dem von Ardagh vorgebrachten Schutz der Mitarbeiter Genüge getan. Ardagh begründet die fristlose Entlassung mit notwendigem Schutz der Mitarbeiter vor weiterem Datenmissbrauch in der Vertrauensposition als Schwerbehindertenbeauftragter. Ardagh-Rechtsanwalt Kai Bodenstedt (Hamburg) und die Ardagh-Personalleiterin blieben jedoch beim ursprünglichen Antrag auf ersatzweise Zustimmung zur fristlosen Kündigung, beantragten hilfsweise die Absetzung als Schwerbehindertenbeauftragter – also für den Fall, dass die fristlose Kündigung nicht wirksam wird. In ihrem Beschluss wies die Kammer mit Vorsitzendem Richter Paulsen und zwei ehrenamtlichen Richtern den Antrag auf ersatzweise Zustimmung zur fristlosen Kündigung ebenso zurück wie den Hilfsantrag. Beschwerde kann Ardagh beim Landesarbeitsgericht einlegen. Damit ist die Abhöraffäre aber nicht beendet. Am 11. Mai findet am Arbeitsgericht der Kammertermin wegen der fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Mesut Topak statt (wir berichteten). Topak soll einer der Teilnehmer des Gespräches gewesen sein, bei dem der Vertrauensbruch stattgefunden haben soll. Ihm wurde deshalb ebenso wie dem Schwerbehindertenbeauftragten fristlos gekündigt. | tom

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