Weingarten/Weingarten Hexen vereinen Bürgermeister von „Wingerde“ und „Wengerde“

Verkehrte (Schilder-)Welt. Eric Bänziger (re.) ist Bürgermeister von „Wengerde“ und Stefan Becker Bürgermeister von „Wingerde“.
Verkehrte (Schilder-)Welt. Eric Bänziger (re.) ist Bürgermeister von »Wengerde« und Stefan Becker Bürgermeister von »Wingerde«.

Was Spaßvögel in der Hexennacht vormachten, haben nun Stefan Becker und Eric Bänziger, die Bürgermeister von „Wingerde“ und „Wengerde“, also dem pfälzischen und dem badischen Weingarten, hochoffiziell nachgemacht. So ungefähr jedenfalls.

Sie tauschten am Mittwochmorgen die Ortsschilder ihrer beiden Gemeinden aus. Spaßig ging es auch am Mittwochmorgen im Wingerder Rathaus zu. Denn die eigens angefertigten Ortsschilder wurden nur kurz getauscht. Am Ende nahm jeder Bürgermeister wieder Seines, um es für den Fall aufzubewahren, dass durch einen Streich wieder einmal eines abhanden kommt und ersetzt werden muss. Von dem „Geschenk“ des jeweils anderen hatten die beiden Ortsoberhäupter schon im Vorfeld erfahren. Ließen doch beide bei derselben Firma „ihr“ Ortsschild anfertigen.

Die in der Hexennacht ausgetauschten Ortsschilder sind längst auf informellem Weg dem jeweiligen Besitzer wieder übergeben worden. Warum man sie nicht jeweils behalten und an einem besonderen Ort zur Erinnerung aufbewahrt hat? Die Frage ist für den „Wengerder“ Bürgermeister schnell beantwortet: Das Schild gehört dem Land. Er hätte es also gar nicht so ohne weiteres verschenken dürfen. Da in seiner Gemeinde wiederholt schon Ortsschilder von ihrem Stammplatz entfernt worden seien, habe er inzwischen immer einige auf Vorrat. Einmal seien auf einen Schlag sogar alle fünf Ortsschilder gestohlen worden. Zudem hätten Unbekannte Tempo-Schilder täuschend echt bemalt. So sei zum Beispiel aus einer 30er- plötzlich eine 80er-Zone geworden. Das sei im Hinblick auf mögliche Folgen nicht ganz so spaßig gewesen.

Sekt, Wein und Wurst

Richtig getauscht wurden am Mittwoch indes andere Geschenke. Die „Wingerder“ Gastgeber bewirteten ihre „Wengerder“ Gäste mit pfälzischen Schmankerln, also Leberwurst, Blutwurst, Schwartenmagen und Co. Dazu wurde ein mit Gold prämierter Tropfen aus dem heimischen Weingarten kredenzt. Zudem gab es einen Geschenkkorb und ein Körbchen mit bei Weingarten (dem pfälzischen) angebautem Gemüse. Auch die Badener hatten Gaben für ihre Gastgeber. Unter anderem einen „Crémant“, der als Aperitif gleich geköpft wurde. „Auf Weingarten!“

Die Unterhaltung der Gemeindeoberhäupter begann mit persönlichen Dingen. So kam heraus, dass beide Hobby-/Nebenerwerbswinzer sind. Der „Wingerder“ Bürgermeister bewirtschaftet rund 56 Ar Weinbaufläche (maschinell), der „Wengerder“ acht Ar (von Hand, aufgrund der Lage). Beide Weingarten – Oder heißt es Weingärten? – tragen übrigens Trauben im Wappen. Zudem ist der Badener hauptamtlicher Bürgermeister „seiner“ 10.500-Seelen-Gemeinde, die 1368 erstmals urkundlich erwähnt wurde, während der Pfälzer den rund 1900 Bewohnern „seines“ 771 erstmals urkundlich erwähnten Dorfes ehrenamtlich vorsteht.

„Heiße Eisen“ angesprochen

Ansonsten tauschte man sich über diverse Verwaltungsgepflogenheiten und Projekte diesseits und jenseits des Rheins aus. So sollen laut Bänziger auf „Wengerder“ Gemarkung Windräder errichtet werden. Becker sieht dafür auf „Wingerder“ Gemarkung kaum Möglichkeiten – in mehr oder weniger weit entfernten Nachbarorten hingegen schon, zumal es da bereits Pläne gebe. Der oft zu schnelle Straßenverkehr ist auch in beiden Kommunen ein heißes Eisen. Becker würde sich da die eine oder andere zusätzliche Radarkontrolle zu früher oder später Stunde wünschen. Bänziger berichtet, dass sich „seine“ Kommune für eine sechsstellige Summe Geschwindigkeitsmessgeräte gekauft und an der Ortsdurchfahrt installiert hat. Die Geräte habe man jedoch an den Kreis Karlsruhe abgetreten, der die Bußgelder kassiere und verwalte und für den Unterhalt der Geräte sorge. Zudem habe man Personal beim Ordnungsamt, das auch mal frühmorgens und spätabends darüber wacht, dass die Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten werden.

Becker und seine Beigeordneten Norbert Andres und Angela Rieger schauten da schon ein wenig neidisch auf die Verhältnisse im „Musterländle“. Nicht nur an dieser Stelle konnten sie feststellen, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister in Baden mit eigener Verwaltung mehr Möglichkeiten hat als ein ehrenamtlicher in der Pfalz ohne, der sich Unterstützung bei der Verbandsgemeindeverwaltung erbitten muss. Und dass die Bauabteilung in Bätzigers Verwaltung acht Köpfe zählt, während es bei der für sechs Kommunen zuständigen Verbandsgemeindeverwaltung Lingenfeld zwei sind ... „Man hat den Eindruck, dass die Kommunen in Baden-Württemberg mehr Geld haben als in Rheinland-Pfalz“, meinte Becker. Wenigstens hat „Wingerde“ ein Ortsschild mehr als „Wengerde“.

Von Wingerde nach Wengerde

Am Ende des gut zweistündigen Treffens wurde vereinbart, den Kontakt aufrecht zu erhalten und dass die „Wingerder“ dem rund 50 Kilometer entfernten „Wengerde“ noch dieses Jahr einen Gegenbesuch abstatten. Vielleicht schon im Juli, wenn in „Wengerde“ als Alternative zum wegen Corona wiederholt abgesagten Straßenfest ein Sommerfest gefeiert wird, so wie in Schwegenheim am vergangenen Wochenende. Oder im Spätsommer/Herbst.

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Wie es sich für zwei Weinga(e)rten geziemt, gab es bei dem Treffen im »Wingerder« Rathaus Wein und Sekt, aber auch Pfälzer Wurstspezialitäten.
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