Kreis Germersheim Gummibärchen für Kastanien

Bonn/Maximiliansau. Nachgezählt haben Angelina (5) und Benjamin (3) Schütze aus Maximiliansau am vergangenen Donnerstag nicht, ob sie für jede Kastanie ein Gummibärchen bekommen haben. 100 Kilo druckt die Waage am Ende aus, und dafür gibt es drei Kartons mit süßen Leckereien von Haribo. Während viele Kastanientauscher schon am Abend zuvor mit Wohnwagen am Firmensitz in Bonn angekommen sind oder in ihren Autos übernachten, haben sich Mama Jana Schütze, Oma Margit und die Kinder in einem kleinen Hotel ganz in der Nähe der Süßwarenfabrik einquartiert. Um dreiviertel sieben machen sie sich mit der heimischen Altpapiertonne und dem Kinderwagen mit zwei Rucksäcken voll Kastanien und Eicheln auf den Weg. Auf 100 Metern vor Haribo-Tor drängen sich bereits gefühlte 5000 Menschen. Der gesamte Straßenabschnitt ist gesperrt. „Wie damals vor 25 Jahren beim Begrüßungsgeld“, dachte sich Oma. Die Kastanientauschaktion gibt es bereits seit 78 Jahren. Süßer Lohn für das Sammeln natürlicher Ressourcen. Wenn es um deren Transport geht, sind vor allem die Eltern gefragt. Die Idee mit der Altpapiertonne hatten nicht nur die Südpfälzer. Rollcontainer, Bollerwagen oder Schubkarren haben die meisten Sammler mit Säcken, Kisten oder gar einer Kinderbadewanne voller Waldfrüchte beladen. Michael Rotter aus Essen packt drei Industriekisten mit jeweils 40 Kilo Kastanien übereinander auf eine Sackkarre. Mit Sohn Timo (6) und Nachbarsjungen Max (8) hat er sich um 5 Uhr morgens auf den Weg gemacht. Ein gut gelauntes Seniorenehepaar reiht sich mit einem nicht ganz prallen Kastaniensack in die lange Schlange ein. 50 Kilo ist das Limit pro Person. Einige Anwohner bieten in ihren Vorgärten frischen Kaffee und Brötchen an. Freundliche Helfer der Firma erklären den schwer bepackten Sammlern die Anstellordnung: also die geschätzten 100 Meter Truchseß-Straße in Bad Godesberg hoch, wieder runter und wieder hoch. Pünktlich um sieben öffnen sich die Werkstore. Die Menge zieht durch vier schlangenförmig angeordnete, von Bauzäunen getrennte Pfade. An jeder Wendung steht eine Dixi-Toilette. 50 bis 100 Mitarbeiter sind mit der Kastanienaktion beschäftigt, schätzt Haribo-Azubi Helge Gabri. Mit den übrigen Azubis des Unternehmens verteilt sie an die Kinder in der Schlange einen Vorschuss, um sie bei Laune zu halten. Wobei die meisten von ihnen ihren Spaß hatten. Um 10.45 Uhr öffnet die zweite Waage, und die vier Südpfälzer rücken ein großes Stück nach vorn. Benjamin schaut interessiert zu, wie die Baggerschaufel den ersten Lastwagen füllt. Die 300 bis 400 Tonnen Kastanien, mit denen das Unternehmen insgesamt rechnet, werden traditionell in deutsche und österreichische Wildparks geliefert. Karl-Heinz Wetzler stellte sich mit seinem Universal-Bollerwagen für den Karnevalsverein in seiner Heimatstadt Dormagen an. Deshalb kann er auch 150 Kilo Kastanien und 150 Kilo Eicheln in jeweils drei Säcken abgeben. Seine Enkel, so erzählte er, bekämen auch etwas vom süßen Lohn ab. In erster Linie aber würden die Gummibärchen und Co. beim Karnevalsumzug unter die Leute geworfen. Dann verwandelt er seinen Bollerwagen in ein Kinderbett und verstaut darin die bunten „Kamelle“. Nach dreieinhalb Stunden kommen die südpfälzischen Kastanien auf die Waage. Mit geübtem Griff prüft der Wiegemeister die Qualität, packt die 100-Kilo-Tonne und leert sie mit geübtem Schwung aus. Während Mama und Oma von der professionell organisierten „Schlangenbändigung“ beeindruckt sind, haben sie von der angepriesenen Kinderbetreuung etwas mehr erwartet. Die Kinder indes freuen sich auf der Hüpfburg, am Glücksrad und am Basteltisch. Den gelben Haribo-Bär umringen sie, wo immer er auftaucht. Und eine Tüte Gummibärchen haben Benjamin und Oma gleich vor Ort aufgenascht.

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