Kreis Germersheim Für Tempo 30 braucht man langen Atem

Bürger kritisieren unterschiedliche Praxis in Sachen Tempolimit.
Bürger kritisieren unterschiedliche Praxis in Sachen Tempolimit.

Zu viel Verkehr, zu viel Lärm, zu gefährlich: Viele Bürger und Kommunen wünschen sich in ihren Orten Tempo 30. Das Limit auf Gemeindestraßen anzuordnen, ist kein Problem und wird oft umgesetzt. Bei Kreis- und Landesstraßen, die durch Orte führen, haben aber Kreis und Landesbetrieb Mobilität das Sagen. Beim Kampf um Tempo 30 haben die Kommunen das Netzwerk Tempo 30 Pfalz und Bündnis 90/Die Grünen auf ihrer Seite. Auf deren Einladung wurde das Thema am Freitag drei Stunden lang vor und mit 70 Bürgern in Zeiskam diskutiert.

Dass Tempo 30 gewünscht sei, die Umsetzung aber oft scheitere, bemängelte Zeiskams Ortsbürgermeister Klaus Weiß (SPD). Dass „die Sicherheit und der Schutz unserer Bürger“ durch Tempo 30 verbessert werden könne und Bürger, die an Kreis- und Landesstraßen wohnen, benachteiligt seien – davon ist der Lingenfelder Bürgermeister Frank Leibeck (SPD) überzeugt. Probleme aus seiner Sicht: die komplexe Gesetzeslage und die Kompetenz-Zuordnung. Denn: Als Untere Straßenverkehrsbehörde sei die Verbandsgemeinde für Anordnungen zuständig. Aber: Wenn es um Kreis- und Landesstraßen gehe, habe sie zwar die Zuständigkeit, aber nicht die Umsetzungskompetenz. Leibecks Appell an die Bundestagsabgeordneten: bei einer Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) der VG die Kompetenz zu geben: „Wir sind die kommunale Kompetenz vor Ort!“ Leibecks Amtskollege aus Kandel, Volker Poß (SPD), schloss sich an – und schilderte Kandels langjährigen Kampf um Tempo 30: „Man braucht als Kommune langen Atem.“ Sein Vorschlag: in geschlossenen Ortschaften generell Tempo 30: „Das würde vieles erleichtern, muss aber politisch gewollt sein.“ Bundestagsabgeordneter Tobias Lindner (Grüne) ist für eine StVO-Änderung, damit Kommunen über Tempo 30 entscheiden und umsetzen können: „Bei mir rennen sie offene Türen ein.“ Andere Parteien sähen das aber anders. Lindner: „Nerven Sie meine Kollegen! Und nerven Sie sie regelmäßig!“ Jutta Blatzheim-Roegler, Landtagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, ist stolz auf die Region: „Hier gibt es besonders viele interessierte Kommunen, die Tempo 30 einführen wollen und engagierte Menschen, die das unterstützen.“ Das Pilotprojekt in Kandel habe gezeigt: „Wo ein Wille ist, ist manchmal auch ein Weg.“ Karlheinz Jung vom Netzwerk Tempo 30 Pfalz ist sich sicher, dass das von der FDP geführte Verkehrsministerium die Maßstäbe für Tempo 30 „zum Nachteil der Anlieger von Durchfahrtsstraßen“ auslege. Würden die strengeren Lärmwerte des Bundesimmissionsschutzgesetzes zugrunde gelegt, könnte viel öfter Tempo 30 angeordnet werden. Zudem klagte er, dass „sämtliche Lärmgutachten im Land falsch berechnet“ seien. Viele Fahrzeuge würden nicht als Lkw, sondern als Pkw gerechnet. Jürgen Menge (SPD), Ministerialrat im Verkehrsministerium, wies den Vorwurf zurück, dass sich die Chancen, Tempo 30 zu erreichen, verschlechtert hätten. Im Gegenteil: Auf etwa 700 klassifizierten Ortsdurchfahrtsstraßen sei bereits Tempo 30 angeordnet, hauptsächlich aus Gründen der Verkehrssicherheit. Wenn nur bei fünf von 100 Häusern der Lärmgrenzwert überschritten werde, werde für die Straße Tempo 30 angeordnet. Dass Lärmgutachten falsch berechnet würden, konnte sich Menge nicht vorstellen: „Wir prüfen das aber.“ Dass nicht nur Anlieger sondern auch Kommunen mit Lärmaktionsplänen klagen könnten, sagte Anwalt Wolfram Sedlak (Grafschaft-Vettelhoven) mit Verweis auf ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Anwalt Bernhard Renz (Zeiskam) sagte, dass die Infrastruktur in Kommunen oft veraltet sei und vom Verkehr überrollt werde. Renz forderte ein Verkehrslenkungskonzept. Bürger beklagten, dass in manchen Orten Tempo 30 möglich sei, in anderen nicht, Prüfverfahren zu lange dauerten, einzelne Fahrzeuge viel zu laut seien, es zu viel Verkehr gebe – und „relativ wenig“ für Tempo 50 spreche.

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