Kreis Germersheim Ein Herz für Igel

Ein Leckerbissen für Igel: aus Mehlwürmern geschlüpfte Mehlkäfer. Selbst gezogen von Bärbel Bohl-Neu.
Ein Leckerbissen für Igel: aus Mehlwürmern geschlüpfte Mehlkäfer. Selbst gezogen von Bärbel Bohl-Neu.

„Das ist eine ganz einfache Sache, die einfach jeder bewerkstelligen kann“, sagt die Germersheimerin Bärbel Bohl-Neu. Sie hält ein Igeljunges im Arm, welches noch den ganzen Winter in ihrer Obhut bleiben muss. Wenn man sich dem Kleinen nähert, hört man ein leises kontinuierliches Röcheln. Der Grund: eine schwere Lungenentzündung, die mit einfachen Mitteln hätte verhindert werden können. Jedes Jahr nimmt Bärbel Bohl-Neu im Winter Igel auf, doch es „kommt kein Igel rein, der nicht vorher beim Tierarzt war, den der Finder nicht zum Tierarzt gebracht hat“. Derzeit sorgt sie für zwölf Igel, davon benötigen vier Medikamente, die restlichen halten Winterschlaf. Dieser dauert gewöhnlich vom Herbst bis Anfang März oder sogar bis Ende April, da Igel durch die Kälte nicht an genügend Nahrung gelangen. Von Zeit zu Zeit wachen sie zwar auf, verlassen ihren Bau aber normalerweise nicht. Es sei denn, sie werden von etwas aufgeschreckt. Ansonsten gilt laut Igel-Expertin: „Wer jetzt rumläuft, auch wenn er nicht krank wirkt, ist krank.“ Vor allem durch den warmen Sommer seien viele Jungtiere erst spät geboren und hätten sich nicht genügend Fettreserven angefressen. Ein gesunder Igel wiege mindestens 500 Gramm und habe in wachem Zustand eine Körpertemperatur von circa 37 Grad Celsius. Anzeichen für eine Krankheit sind laut Bohl-Neu schwankendes Laufen, das Liegen auf der Seite oder rasselndes Atmen. Selbst Tiere, die sich munter zeigen, seien oft krank, deswegen gelte: so schnell wie möglich zum Tierarzt. Nicht alle Ärzte kümmerten sich um Igel oder Wildtiere, daher sei ein Anruf in der Praxis vorher sinnvoll. In der Zwischenzeit kann der Igel schon „notversorgt“ werden, berichtet Bohl-Neu. Damit es ihnen gut geht, sollten die Tiere bei Raumtemperatur untergebracht werden, also nicht im unbeheiztem Keller oder in der Garage. Zuerst bräuchten sie Wasser, keine Milch - optimal mit einem Teelöffel Traubenzucker pro Liter Flüssigkeit verdünnt. Nach Möglichkeit sollte der Igel mit nassem Katzenfutter mit hohem Fleischanteil versorgt werden, am Besten versetzt mit einem Esslöffel Weizenkleie oder Haferflocken. Dadurch wird das Futter besser aufgenommen, weiß Bohl-Neu. Bis zum Besuch beim kundigen Tierarzt sollte der Igel in einem mit Zeitungspapier ausgelegten Umzugskarton untergebracht werden. In diesen werde noch ein Schuhkarton hineingelegt, der seitlich ein kleines Loch haben sollte, um dem Tier einen Rückzugsort zu bieten. Ausgefüllt mit circa zwei Zentimeter langen Zeitungspapierstreifen habe man nun eine Unterbringung, in der der Igel sich verstecken kann, erklärt Bohl-Neu. Der Unterschlupf sollte ihrer Ansicht nach idealerweise in einem ruhigen Raum aufgestellt werden, in dem der Igel „erst einmal runterfahren kann, denn er ist voller Adrenalin“. Erst wenn das Tier ruhig ist, könne festgestellt werden, wie es ihm wirklich geht. Da viele Tiere von Flöhen oder anderen Parasiten besetzt sind, sollte man den Igel nicht mit den bloßen Händen, sondern mit dicken Handschuhen anfassen. Deshalb müssen laut Bohl-Neu auch andere Tiere von ihm ferngehalten werden. Durch den Stress und die Wärme vermehrten sich die Parasiten oft explosionsartig. Um dem Wildtier zu helfen, sollte es direkt dem Tierarzt vorgestellt und je nach Zustand entwurmt werden. Entfloht werden soll nicht mit Spot-On für Hunde – das ist giftig und führt zum Tod der Igel. Die Germersheimer Igel-Spezialistin Bärbel Bohl-Neu weiß: „Wenn Leute erzählen, ich habe auch schon mal einen Igel aufgezogen und ihn im Frühjahr ausgewildert, dann haben sie Glück gehabt.“ Viele unterschätzten, dass es bei der Igelpflege um mehr als nur das Füttern geht, artgerechte Haltung und die Versorgung mit Medikamenten gehörten auch dazu. Das Lebewesen habe die besten Überlebenschancen, wenn es in die Obhut von Menschen kommt, die sich damit auskennen. Info Der Verein ProIgel stellt weitere Informationen zum richtigen Umgang mit Igeln, Adressen von Tierärzten und Wildtierstationen unter www.proigel.de zur Verfügung.

Bärbel Bohl-Neu mit Tyson.
Bärbel Bohl-Neu mit Tyson.
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