Kreis Germersheim Das Grauen des Kriegs gibt’s nicht leise
. Es kracht und dröhnt ohrenbetäubend, der Klang von Maschinengewehrsalven, explodierenden Granaten, der hohle Klang von Pfeifen, mit denen vor Gasangriffen gewarnt wird. Ein paar Leute verlassen die fast voll besetzte Germersheimer Stadthalle: Es ist ihnen zu laut für einen Sonntagabend. Die Freiheit, vor dem Lärm zu fliehen, hatten allerdings die Soldaten in den Schützengräben nicht – rund 320.000 sind allein in Getöse von Verdun verreckt. Was Schüler aus Germersheim und Wissembourg zum Thema Erster Weltkrieg auf die Beine gestellt haben, macht genau dieses Grauen etwas begreiflich. „Tranchés – Risse und Gräben“ ist damit nicht Jedermanns Sache. In Germersheim wurden Videos gedreht und Gedichte jener Epoche vor dem „großen Krieg“ zu Bildern gemacht: Christian Morgenstern ist dabei, Ernst Stadler, Jakob von Hoddis. Dazwischen spielen Schüler der Musikschule Germersheim Werke von Schönberg und Chopin. Die Zeit vor dem Weltkrieg war modern, zukunftsgläubig – und doch haben sich so viele, kaum älter als die Oberstufenschüler, voller Hurra-Patriotismus totschießen lassen. Welcher Aufwand ist nötig, den Krieg begreifbar zu machen? 19 Drehtage haben Kai Rößler, Maurica Klein, Jennifer Jakob und Johann Hambsch für ihren Beitrag gebraucht, über eine Woche saßen sie noch einmal am Filmschnitt. Über den Zeitraum von zwei Jahren haben die Elsässer Schüler eine Hip-Hop-Inszenierung des Krieges erdacht, die auch die besondere Rolle des Elsass vor dem Ersten Weltkrieg betrachtet. Ein Riss ging damals durch die Region: Kaiser oder Republik? „Esch bin Franzos“, schreit Darsteller und Tänzer Kévin Labbé in seiner Bühnenrolle. Das sahen einst nicht alle Bewohner des Reichslandes Elsass-Lothringen so: Viele wählten die Seite des Kaisers, meldeten sich zum deutschen Wehrdienst – und wurden zumeist bei der Kaiserlichen Kriegsmarine verheizt. Ihre Beweggründe: Die Zugehörigkeit zum Kaiserreich hatte einen wirtschaftlichen Aufschwung ins Elsass gebracht. Aber wieso gingen nun die jungen Leute damals mit Begeisterung in den Krieg? „Das war eben die Zeit“, sagt Maren Szadorf vom Germersheimer Goethe-Gymnasium. Kriegsbegeisterung und das Gefühl der eigenen Unfehlbarkeit? Heute undenkbar, findet sie. Sind sie mit der Wirkung ihrer Inszenierung zufrieden? Rößler ist es: „Unser Beitrag war vielleicht ein bisschen lang, es ging aber wirklich nicht kürzer“, sagt er. Schockieren, das habe seine Gruppe aber durchaus gewollt. Dass ihr sperriger Beitrag mit Filmschnipseln von Weltkriegsgefechten endet (Rößler: „Das gab es gemeinfrei im Internet“), wirkt am Schluss des Videos fast beruhigend auf die Nerven der Zuschauer. Der Elsässer Teil von „Tranchés“ soll noch öfter in der Region gezeigt werden. Genaue Termine stehen noch nicht fest. „Aber wir haben ja vier Jahre Zeit, bis sich das Kriegsende von 1918 jährt“, sagt Sabine Bergmann-Ferreira vom beteiligten Eurodistrict Pamina. Erst dann ist wieder Ruhe.