Kreis Germersheim An das „Seemannslos“ erinnert
Ein heiterer Sommerabend lockte viele Besucher zur „Nacht der Museen“, und auf dem Rathausplatz beim Schiffermast trafen über 700 Nachtschwärmer auf Neuburger Vergangenheit. Sie hatten in der benachbarten Museumsscheune Gelegenheit, die Geschichte des Rheins zu erkunden, der für das kleine Schiffer- und Fischerdorf bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts die ganz große Rolle spielte.
Einerseits konnte der Rhein bei Hochwasser in kürzester Zeit viele Existenzen vernichten, er war gefährlich für die Schiffer. Andererseits war er für fast alle Neuburger Existenzgrundlage, weiß Gerd Balzer anschaulich und detailliert zu erzählen, wenn er auf alten Karten die vielverzweigten Rheinarme erklärt. Durch die richtigen Rheinarme zu lotsen, war vor der Rheinbegradigung wichtigste Aufgabe der Neuburger Lotsen. Nach Tullas Rheinbegradigung waren es Untiefen, Stromschnellen oder die Einfahrt in den Karlsruher Hafen, die Lotsenunterstützung erforderte. Mit über 200 Lotsen, den „Taxiunternehmen der Schiffer“ war Neuburg neben Kaub die größte Lotsenstation am Rhein. Viele weitere Neuburger waren als Schiffer und Fischer oder gar als Goldwäscher mit dem großen Strom verbunden. Auch Klaus Hessert, Musiker und Dirigent aus Neuburg, hat seine ersten Lebensjahre auf dem Schiff der Eltern zwischen Basel und Rotterdam verbracht. Aus Kindheit und Jugend in Neuburg ist ihm noch der erste Weihnachtstag in bester Erinnerung, an dem alle „Fahrensleute“ gleichzeitig zuhause waren. Neben der Jahresversammlung und dem Ball des Schiffervereins zelebrierte die ganze Bevölkerung bis zum Jahr 1964 beim Schiffermast die feierliche Totenehrung aller Verstorbenen mit dem „Seemannslos“. Das Lied wurde 1879 von dem amerikanischen Komponisten Henry W. Petry Martell komponiert, durch einen Film und verschiedene Cover-Versionen unter anderem von Freddy Quinn bekannt. Klaus Hessert hatte die Melodie für Sänger und Musiker neu arrangiert und sich damit einen Wunsch erfüllt, nämlich alle Neuburger Chöre – „Eintracht“, „Schifferchor“ , „Sängervereinigung“ – sowie das Akkordeon-Orchester und die „Original Pfälzer Blasmusikanten“ beim „Seemannslos“ gemeinsam musizieren zu lassen. Gespannte feierliche Stille herrschte auf dem Platz als die Schiffsglocke ertönt:. „Laut ruft die Glocke über das Deck, nichts half das Kämpfen, das Schiff ist leck.“ „Trommelwirbel, Trompetenklänge und mehrstimmiger Gesang, das war richtiges Gänsehautfeeling“, versichern viele Besucher bei dieser würdevollen Darbietung, in Erinnerung an des Seemanns Schicksal, das „Seemannslos“, denn nicht wenige Menschen verunglückten jährlich auf dem Rhein. Noch mehr Erinnerungen und Erzählungen konnten die 81-jährige Sängerin Hilde Rimmelspacher und Hesserts Tante, die 94-jährigen Tilla Jung beisteuern. In die Zukunft dagegen blickte zur Begrüßung Bürgermeister Hermann Knauß und betonte die europäischen Werte wie Freiheit, Frieden und Solidarität. Seine guten Wünsche an Europa unterstrichen die über 150 Akteure auf der Bühne mit der offiziellen Europa-Hymne, als im grandiosen Zusammenwirken der Stimmen und Instrumente „Freude schöner Götterfunke“ aus der 9. Beethoven-Sinfonie erklang. Die Festrede zur Museumsnacht hielt der pensionierte Pfarrer der Rheinschiffer, Heino Pönitz, der aus Kehl per Fahrrad angereist kam. Außerdem wurde in der Kirche eine Bilderausstellung über 100 Jahre Konfirmation in Neuburg eröffnet, die noch weiterhin zu sehen sein wird. |bp