Über den Kirchturm hinaus Weitergabe der Kultur des Lebens

Einen Maibaum aufzustellen, hat vielerorts Tradition.
Einen Maibaum aufzustellen, hat vielerorts Tradition.

Man ist ein Kind seiner Tradition und Kultur. Denn Tradition sorgt für die Weitergabe der Kultur des Lebens, also die Art und Weise jenes Menschenlebens. Überall gibt es Traditionen, die die Einheimischen nie aufhören zu leben oder zu beleben und aufrecht zu erhalten.

Im Monat Mai gibt es in vielen Dörfern hierzulande eine Maibaumtradition. Dabei geht es um einen geschmückten Baum, den man an einem bestimmten Ort in der Mitte des Dorfes aufstellt. Mir ist hier etwas Bemerkenswertes aufgefallen. Zu diesem Brauchtum gehört auch die Kultur der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit. Der Maibaum wird bewacht und beschützt, damit er nicht gestohlen wird.

Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Gewaltlosigkeit

Auch wenn man den Maibaum stehlen möchte, ist jegliche Gewalt nicht erlaubt. Hier möchte ich einige Aspekte dieser Tradition, zum Beispiel den Schutz des Maibaums mit aller Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Gewaltlosigkeit, hervorheben. Diese drei Eigenschaften sind in unserer Gesellschaft heute mehr denn je gefragt. Wir erleben momentan in vielen Ecken dieser Welt die Kultur des Hassens, der Gewalt und der Gleichgültigkeit. Dadurch geht die Kultur des Lebens und der Bewahrung der Menschlichkeit verloren. Das könnte zur Vernichtung der Menschheit führen.

Es wäre schön, wenn sich alle Menschen gegen die Kultur des Verderbens aussprechen und alle Formen der Gewalt und Gegengewalt ablehnen. So könnte man die Sucht nach dem Krieg und der Gewalt minimieren oder sogar überwinden. Die Traditionen lehren uns und die nächsten Generationen, uns immer wieder die Achtsamkeit auf die Natur und die verschiedenen Kulturen zu verinnerlichen.

Mutter des Lebens und Königin der Schöpfung

Auch in der katholischen Kirche hat die Bewahrung der Traditionen, der Schöpfung und der Kultur einen bedeutsamen Wert. Eine dieser Traditionen und Teil der Kultur der Kirche sind die Maiandachten. Zu deren Gestaltung gehört die Dekoration der Marien-Figuren mit verschiedenen bunten Stoffen und Blumen oder Pflanzen. Hier geht es um die Verehrung Marias – die Muttergottes als Fürsprecherin vor Gott.

Die Gläubigen betrachten Maria als Mutter des Lebens und Königin der Schöpfung Gottes. Durch ihre Gebete hoffen wir auf Gottes Schutz über das Leben, auf die Befreiung aus allen Schäden der Natur und auf die Bewahrung der Schöpfung. Meines Erachtens gehören die Maiandachten auch zu den Traditionen und der Kultur der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für das gesamte Menschenleben. Da bittet man um Gerechtigkeit, Liebe, Vergebung, den Mut, gewaltlos zu sein, und Frieden für die ganze Menschheit.

„Liebt einander!“

Deshalb könnte man die Verbindung zwischen dem Brauchtum des Maibaums und der Gestaltung der Maiandachten im Monat Mai herstellen. Beide haben etwas mit dem Menschenleben zu tun. Beide Brauchtümer sollten weiterhin erhalten bleiben. Denn sie richten den Blick auf die Werte der Achtsamkeit und Aufmerksamkeit. Sie ermutigen zum Leben des Bewahrens und ermahnen gegen die Kultur des Hassens, des Krieges und der Vernichtung, wie es gerade in Osteuropa der Fall ist.

An dieser Stelle sage ich das, was Maria im Evangelium sagt: Was er euch sagt, das tut! (Joh 2,5). Und er (Jesus) sagt: Liebt einander! (Joh 13,34). Das ist es, was jede Tradition und Kultur des Lebens und der Gewaltlosigkeit bewahrt und weiterführt.

  • Pater Clifford Chikeobi Modum, Administrator der Pfarrei Heilige Lukas Hettenleidelheim

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