Hassloch Tauschbörse auch im zehnten Jahr gefragt

Nadja Wittmann (links) und Renate Käb führen genau Buch über die Einsätze.
Nadja Wittmann (links) und Renate Käb führen genau Buch über die Einsätze.

Seit zehn Jahren floriert in Haßloch ein Tauschhandel. Dabei geht es nicht um Waren oder gar Geld, sondern um Zeit, Geschick und Wissen. Abgerechnet wird auf eine besondere Weise.

Es ist noch nicht 18 Uhr, als sich schon einige Männer und Frauen rund um die lange Tafel auf der Terrasse des Naturfreundehauses in Haßloch eingefunden haben. Sie treffen sich regelmäßig am letzten Donnerstag im Monat. Meist sind es rund zehn Personen, manchmal mehr. Heute sind ein paar neue Gesichter unter den Anwesenden. Die Tafel füllt sich. Immer mehr Stühle werden herangerückt. Sie wollen sich engagieren und an der Tauschbörse teilnehmen, die vor zehn Jahren ins Leben gerufen wurde.

Die Haßlocher geben ihre Zeit, wenn in Abwesenheit ein Garten gegossen werden muss oder Medikamente bei der Apotheke abgeholt werden sollen. Dafür bekommen sie vielleicht Hilfe, wenn das Ab- und Aufhängen der Gardine zu beschwerlich wird. Oder einen selbstgebackenen Kuchen. Andere bringen ihr Wissen im Umgang mit dem Computer ein, so wie Alfred Hagen. Der Rentner hat als Betriebswirt und IT-Spezialist gearbeitet. Auch mit Smartphones kennt er sich aus. Aber im Moment hat er noch Miese auf seinem Tauschkonto. Deshalb ist er heute hier, um zu sehen, wo er gebraucht wird.

Talente nicht in Gold

Die Währung ist nicht Geld, sondern Talente – so werden die Zeiteinheiten bezeichnet. Für eine Stunde Engagement werden zehn Talente berechnet. Wer sich für andere einsetzt, bekommt die jeweilig verbrauchte Zeit gutgeschrieben. Wer nimmt, dem werden Talente von seinem Konto abgezogen. Die Buchführung der Konten übernehmen Renate Käb und Nadja Wittmann. In den meisten Fällen vermitteln sie die benötigte Leistung. Oder diese wird direkt am Stammtisch vereinbart, wobei es sich um einen Ringtausch handelt. Das bedeutet, dass der Ausgleich der erbrachten oder erhaltenen Leistungen innerhalb der gesamten Gruppe erfolgen soll. Werden Hilfen geleistet, müssen Käb oder Wittmann vorher darüber informiert werden „Nur dann ist der Tauschpartner versichert“, sagt Wittmann.

Die Versicherung übernimmt das Land Rheinland-Pfalz. Die Tauschbörse ist aus einer Initiative des Landes entstanden. Käb nahm an der Schulung zur Seniortrainerin teil. Seit 2002 bildet Rheinland-Pfalz ältere Menschen zu ehrenamtlichen Seniortrainern aus. Insgesamt wurden rund 550 Ehrenamtliche geschult. Zurzeit sind landesweit rund 400 Menschen in dieser Funktion unterwegs und engagieren sich im Gemeinwesen. Zielt ist es, den Gemeinsinn und lokale Strukturen zu stärken.

Netzwerk mit Spaßfaktor

Die Seniortrainer bauen ein Netzwerk auf. So wie Käb mit der Haßlocher Tauschbörse. Zunächst waren die Treffen in der Senioreneinrichtung des Theodor-Friedrich-Hauses. In der Corona-Zeit, als persönlicher Kontakt unmöglich waren, telefonierten die Angehörigen der Tauschbörse regelmäßig. Mit den Lockerungen durfte man wieder gemeinsam etwas unternehmen – mit Abstand und im Freien. Also wanderte die Gruppe oder ging auf Fahrradtour. Denn eines ist den Mitgliedern ebenso wichtig wie das Tauschen: die Gemeinschaft.

„Es macht Spaß“, sagt Hagen. Und: „Man wird nie im Stich gelassen.“ Christa Merkel ist bei der Tauschbörse, um in Zukunft vielleicht mal Hilfe zu bekommen. Jetzt schon füllt sie ihr Talente-Konto fleißig auf. „Ich biete universelle Hilfe an“, sagt sie. Die Liste der angebotenen Tätigkeiten ist lang: von Straße kehren, über Umzugshilfe, kleine Näharbeiten, Einkäufe erledigen oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen. Auch kleinere Reparaturarbeiten kann das Netzwerk erledigen. Aber eines dürfen die Hilfen nicht sein: Konkurrenz zu den Handwerksbetrieben. Zum Beispiel Grabpflege: Urlaubsvertretungen ja, regelmäßig nein. Ebenso entspricht das Tapezieren eines ganzen Hauses nicht dem Sinn der Tauschbörse und fiele laut Wittmann eher unter den Begriff Schwarzarbeit.

Klaus Kneis arbeitete früher als Mechaniker im Flugzeugbau. Er ist handwerklich geschickt und übernimmt gerne kleinere Aufgaben wie das Reparieren eines Duschkopfs oder bringt eine Waschmaschine wieder in Gang. Heute ist er hier, um zu sehen, wo er gebraucht wird. Im Gegenzug hat er schon Kuchen und selbstgemachte Pizza entgegengenommen. Auch die Gemeindeschwesterplus klopft schon mal bei dem Haßlocher Netzwerk an, wenn sie für einen ihrer Kunden einen Chauffeur für eine Fahrt nach Neustadt benötigt. Das wird schnell organisiert.

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