Über den Kirchturm hinaus Gedanken zur Unplanbarkeit des Lebens

Ein Sonnenaufgang als Symbol des Neubeginns: In schweren Zeiten kann aus einem Ende ein Anfang werden.
Ein Sonnenaufgang als Symbol des Neubeginns: In schweren Zeiten kann aus einem Ende ein Anfang werden.

Alles anders. Das Leben ist nicht planbar, das wussten wir schon immer. Theoretisch. Und in der Theorie ist das auch ganz annehmbar. Wenn es aber nun so kommt… Gespräche in den vergangenen Wochen lassen genau diese Verunsicherung spüren: Vieles, alles, worauf wir uns immer verließen (oder noch mehr: worüber wir nie nachdachten, weil es eben immer so war und immer so zu bleiben schien) ist anders. Ich zähle nun hier nicht alles auf; jede hat ihre Gedanken dazu, jeder hat Bilder vor Augen, was in den vergangenen Monaten und Jahren geschah.

„Das Leben ist das, was passiert, während Du andere Pläne machst“, sagte John Lennon. So schön Zitate sind – doch was ist mit meinen Plänen? Was bleibt von meinem Leben und von mir übrig? Eine Frage, die ich mir stelle und die mir gestellt wird von Menschen, die eine schlimme Diagnose bekommen. Dann klingt sie anders. Auch wenn Menschen diese Frage stellen, die einen lieben Menschen verloren haben. Was bleibt?

Im scheinbaren Ende ein Anfang

Vor fast einem Jahr erlebten wir die Flutkatastrophe an der Ahr. Die Bilder, die Schlagzeilen scheinen für uns durch andere überlagert, durch all das, was zwischenzeitlich noch an Schlimmem geschah und täglich geschieht. Doch was bedeutete diese Nacht für die Menschen dort? In allem Fortschreiten im Aufbau bleiben Brüche und Wunden, tiefe Verletzungen, Schneisen, die die Flut in die Herzen grub, nicht nur in das Tal. Die Trauer um die Toten ist da. Erinnerungsstücke sind unwiederbringlich verloren. Langsam werden die geretteten und hastig auf den Dachboden verbrachten Gegenstände wieder entdeckt, gesäubert. Und alle Emotionen, die daran hängen, leben wieder auf. Das, was neu entsteht, ist ein Danach und das Davor verloren…

Doch es bleibt mehr – wie die Erfahrung, dass man eben nicht alleine ist, dass Menschen helfen. Es bleibt das Wissen und die Erfahrung, dass im scheinbaren Ende ein Anfang möglich ist. Dass nach der Nacht ein Tag kommt. Dass Zuversicht und Leben stark sind. Dass die Liebe die Brücke bleibt zu meinen Verstorbenen und dass es Menschen um mich gibt, die „einfach so“ da sind, mich tragen, obwohl ich womöglich, da mir durch eine Krankheit oder eine Katastrophe vieles genommen wurde, scheinbar nichts zurückgeben kann. Es ist wohl eine der schwersten Herausforderungen, annehmen zu können, dass andere Menschen mich tragen. Mich tragen zu lassen – in Liebe.

Oft wird diese Bibelstelle an Hochzeiten und in Wohlstimmung gehört. Doch wie wahr, klingen die Zeilen in Nachtzeiten und als Zuspruch auf die Frage, was denn wirklich bleibt: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Korinther 13)

  • Pastoralreferentin Tanja Weidmann, katholische Krankenhausseelsorgerin in Bad Dürkheim
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