Donnersbergkreis Zeitreise durchs pralle Stadt-Leben

Grauer Turm und Stadtmauer bildeten die stimmige Kulisse für die liebevoll einstudierten Darbietungen.
Grauer Turm und Stadtmauer bildeten die stimmige Kulisse für die liebevoll einstudierten Darbietungen.

Als „spielerisches Historienfest“ von Bürgern für Bürger hatten sich der Verein Heimatmuseum und das Museumsleiter-Ehepaar Karneth ihren Beitrag zum 650. Stadt-Jubiläum Kirchheimbolandens vorgestellt. Und durften sich am Ende freuen, dass die Sache aller Mühen wert war. Rund 200 Mitwirkende, darunter viele Kinder und Jugendliche, ließen am Samstag in einem sechsstündigen Programm vor der Kulisse von Stadtmauer und Grauem Turm mit szenischen Darbietungen, Musik und Tanz sechseinhalb Jahrhunderte Stadtgeschichte aufleben.

Und sogar noch ein bisschen mehr, denn nach dem Willkommenslied der Kita „Ritten“ erinnerten Mädchen und Jungen vom „Louhans“ mit Goldlorbeer im Haar und harmlosen kleinen Schwertern in den Händen an die Römer in der Region. Auch das 13. Jahrhundert, mit dem die Zeit-Reise begann, lag noch außerhalb des eigentlichen Jubiläums-Datums, ging aber in einer von Messdienern einstudierten Szene auf die im Mittelalter so bedeutende Rolle der Herren von Bolanden ein und insbesondere Werner II. als Gründer des Klosters Rothenkirchen auf Kirchheimer Gemarkung. Nicht nur, weil rund 20 Schüler des Nordpfalzgymnasiums danach das eigentliche Jubiläum zum Thema machten, wurde ihr am Text der Stadtrechtsurkunde orientiertes Theaterstück zu einem Höhepunkt. Dramaturgisch geschickt dargestellt wurden die wechselseitigen Interessen zwischen Kaiser Karl IV., der sich mit Stadtrechtsverleihungen der Loyalität auch regionaler Regenten versichern wollte, Graf Heinrich II. von Sponheim, der mit der Stadtwerdung Privilegien einheimste, und der Kirchheimer selbst. Zwar sahen die Bauern durch den teuren Stadtmauerbau nur höhere Lasten auf sich zukommen, Handwerker jedoch träumten bereits vom wirtschaftlichen Aufschwung, lobten Freiheit und Gerichtsbarkeit, mobile Händlerinnen konnten ihre Ware im Bollerwagen nun auch auf dem Kerchemer Markt loswerden. Was sich in flottem Spiel eindrücklich zwischen Kaiserthron und Alltagsleben vermittelte, setzte die Kita „Villa Kunterbunt“ mit ihrem Lied von den „Fleißigen Handwerkern“ herzerwärmend spielerisch fort, während die Herman-Nohl-Schule zwei historisch verbürgte „Kerchemerinnen“ auf den Wochenmarkt im 15. Jahrhundert begleitete, um mehr über ihren Speiseplan zu erfahren. Wobei „Hirsebrei und Haferbrot“ keineswegs die Spannweite dessen beschreibt, was auf mittelalterliche Tische kam. Wie der Verein Heimatmuseum mit zwei nach Originalrezepten gekochten Suppen belegte: ungewohnten Geschmacksexplosionen, durch Zutaten wie Meerrettich, Malzbier, Traubensaft, Datteln, Feigen und exotischen Gewürzen. Womöglich zusätzlich von einem Gläschen Malvasier-Wein beseelt, den Luther liebte, konnte nun das „Rüpelspiel“ der Nordpfälzer Puppenbühne „Borzelkaschde“ mit Figuren des berühmten Hans Sachs aus dem 16. Jahrhundert verfolgt werden. Da ging’s um die Moral von der Geschicht’, nämlich sich am besten nicht um die Zänkereien anderer zu scheren. Ein bisschen hatte diese Aufführung durch aufgeregte Unruhe vor einem weiteren Programmpunkt zu leiden: Die zahlenmäßig größte Gruppe aus der Grundschule schickte sich an, dem 18. Jahrhundert Leben einzuhauchen, jenem für Kirchheimbolanden so wichtigen Barockzeitalter. Makellos spielten die Kinder auf Blockflöten und zu Schlaginstrumenten umfunktionierten Bällen unter anderem Charpentiers heute als „Eurovisions-Hymne“ bekannte festliche Musik. Weiter zu barocken Klängen ging’s beim reizenden und mit graziösen Knicksen abgeschlossenen „Menuett im Duett“ in historischen Kostümen. Auch über Mode und Körperkult im Barock hatten die Grundschulkinder sich Gedanken gemacht und putzten nun einen Herrn und eine Dame standesgemäß heraus, Haarpuder und Rouge nicht zu vergessen. Ein nicht nur von den Mamas und Papas bejubelter, ausgefeilter, bestens choreographierter, farbenfroher Auftritt. Das 19. Jahrhundert war danach den Tänzen einfacher Leute gewidmet, in einem bunten Potpourri erläutert und vorgetragen von der Trachten- und Volkstanzgruppe Kirchheimbolanden. Kirchheimbolandens – dank Ernennung zum Bundesausbauort – Weg zum Wirtschaftsstandort ab den 1960er Jahren erhellte mit persönlichen Erinnerungen Klaus Mages: 1967 gehörte er zu den ersten Lehrlingen, die KKK am Standort seines neuen Turboladerwerks ausbilden ließ. Wie er damals, so bearbeiteten drei heutige Borg-Warner-Azubis mit großen Feilen ein Werkstück im Schraubstock und lieferten damit die technische Begleitmusik zu den Ausführungen von Mages, der 50 Jahre im Werk arbeitete und noch seinen Kittel mit dem „KKK“-Logo trug. Den komödiantischen Schlusspunkt für das 21. Jahrhundert sollte die nebenbei auch für den guten Ton sorgende Georg-von-Neumayer-Schule setzen. Die Lehrer-Frage „Was soll nur aus Dir werden?“ beantwortete das Leben von vier dargestellten Schülern später mit „erstaunlichen Karrieren“. Recht schnell erkennbar waren im Spiel die ehemaligen Neumayer-Schüler Ramon Chormann, Axel Haas, Walter Mizera und Gustav Herzog. Und dann gab’s doch noch zwei Überraschungsgäste, die zur Freude von Eva Heller-Karneth und Rainer Karneth, die gemeinsam mit Museumspädagoge Sebastian Kreisel moderierten, eine wesentliche historische Programm-Lücke schlossen: die revolutionären Ereignisse 1848/49. Bernd Knell (Gesang, Gitarre) hatte einfach die Bad Kreuznacher Besuchergruppe, die er just zu dieser Stunde durch die Stadt führte, an den Grauen Turm umgeleitet, um hier die wichtigsten Daten und Ereignisse zu erläutern, und mit Marianneli Spratte (Geige) auch noch musikalische Begleitung für Lieder der Revolutionszeit mitgebracht. Wenn ein Wunsch offenblieb, dann der: Zu mancher Stunde hätte diese ungewöhnliche Veranstaltung der Bürger für Bürger noch ein paar mehr zuschauende Bürger verdient.

Auch zahlreiche Kinder und Jugendliche ließen die 650-jährige bewegte Stadtgeschichte für die Zuschauer wieder aufleben.
Auch zahlreiche Kinder und Jugendliche ließen die 650-jährige bewegte Stadtgeschichte für die Zuschauer wieder aufleben.
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