Donnersbergkreis Wunderschön lebhaft und leicht

Hatte seinem Publikum mittels der Manual- und Pedaltasten der Orgel so einiges mitzuteilen: Thorsten Grasmück.
Hatte seinem Publikum mittels der Manual- und Pedaltasten der Orgel so einiges mitzuteilen: Thorsten Grasmück.

«KIRCHHEIMBOLANDEN.» „Einen 15-jährigen Organisten hatten wir im Orgelsommer noch nicht“, sagte Bezirkskantor Martin Reitzig am Sonntagnachmittag in der Paulskirche. Und aus dem, was dieser 15-Jährige namens Thorsten Grasmück aus der Südpfalz an der Bank der altehrwürdigen Mozartorgel ablieferte, war zu lernen, dass zumindest in diesem Fall gar nichts gegen einen so jungen Interpreten spricht: Sein Konzert „Freude tonal“ machte in der Tat reine Freude und bot zudem den Vorzug, manches wenig Bekannte in bunter, abwechslungsreicher Mischung vorzustellen.

Zu Beginn freilich zeigte der junge Mann, seines Zeichens Schüler der zehnten Klasse im Landauer Eduard-Spranger-Gymnasium, erster Bundespreiträger bei „Jugend musiziert“ – mit Maximalpunktzahl – und Jungstudent bei Stefan Viegelahn an der Frankfurter Musikhochschule, dass er auch schon die höchst überflüssige Kunst versteht, zu Beginn eines Konzertes etliches zu reden, wiewohl eigentlich kaum etwas zu sagen ist. Umso mehr hatte er aber mittels der Manual- und Pedaltasten der Orgel mitzuteilen: Sein Spiel ist im schönsten Sinn lebhaft, reich akzentuiert und mit herrlichem Sinn für die Klangfarben des Instruments begabt, dass das Zuhören von Anfang bis Ende eine Freude ist. Auch komplexe Passagen meistert er souverän, wenn auch noch nicht mit allergrößter Perfektion des Anschlags (Doch bedarf es solcher maschinenhafter Perfektion wirklich?), und sicher und richtig wurde er auch den unterschiedlichen musikalischen Stilen des vom Barock bis ins 20. Jahrhundert ausgespannten Programms gerecht. Am Anfang: Johann Sebastian Bach mit einem Jugendwerk, entstanden unter dem Eindruck der Begegnung Bachs mit dem bewunderten Dietrich Buxtehude um 1705, Präludium und Fuge in E-Dur BWV 566. Das Präludium kommt sicher und konzise, in der Fuge gefällt die schöne Verwendung von Registern unterschiedlichsten Charakters, wodurch die Architektur des Stückes sehr anschaulich wird. Eine rechte Bach-Orgel ist das Kirchheimbolander Instrument indes nicht: Den Pedalsoli fehlen, so klar sie artikuliert werden, wuchtige Donnerbässe, um recht zu wirken. Ein schöner Kontrast: Es folgt eine Cantiléne von Gabriel Pierné (1863-1837), Organist an Ste. Clotilde in Paris. Es ist ein ruhiger, meditativer Satz, mit klanglichem Raffinement gespielt. Eine besonders große Freude machte Thorsten Grasmück dem Publikum mit seiner Interpretation von Bachs Triosonate in G-Dur BWV 530. Das tänzerische Vivace brachte er in wunderbar lebhafter Phrasierung, brillant registriert, leicht und transparent, bei absolut überlegener Beherrschung des Notentexts. Die beiden Folgesätze waren ebenfalls wunderbar. Wenn bedeutende italienische Orgelkompositionen des 19. Jahrhunderts angekündigt sind, tut man gut daran, mit Kuriosem zu rechnen. Und so war denn auch Giovanni Morandis (1777-1556) Rondo con imitatione de campanelli – also ein Rundgesang mit Glockenspielimitation – ein munteres Spektakelstück, eine ganz auf Effekt gebürstete Illustrationsmusik, in diesem Fall noch dadurch bereichert, dass die Imitation des Glockenspiels durch das tatsächlich auf der Stummorgel vorhandene Glockenspiel ergänzt wurde. Da Grasmück das schwungvoll ausspielte, ohne tiefere Bedeutung hineingeheimnissen zu wollen, war das Zuhören ein großer Spaß. Von Percy Fletcher (1879-1932) stammt Fountain Reverie, die raffinierte Evokation eines reich fließenden Schalenbrunnens, die Grasmück ungemein kostbar registrierte, dynamisch geschickt steigerte, ebenso effektbewusst wie behutsam registriert. Er lässt das Barockinstrument gleichsam behutsam über sein Zeitalter hinauswachsen, und zwar großartig. Im Scherzo von Eugéne Gigout (1844-1925) zelebriert Thorsten Grasmück erneut die Schönheit der milden Zungenstimmen. Er zeigt feinen Klangsinn und eine Vortragskunst, die den Notentext bis ins Detail belebt und agogisch atmen lässt. Zum Schluss: Präludium und Fuge in Es-Dur op. 99/3 von Camille Saint-Saëns (1835-1921). Das Präludium ähnelt mit seinen rasch gebrochenen Akkorden und der Melodielinie im Bass einer Widor-Toccata – Grasmück spielt elegant, voll Schwung und Spannung. Die Fuge ist nicht geprägt von barocker Transparenz, sondern vom vollorchestralen Orgelsound seiner Zeit. Wie Grasmück hier steigert, wie er immer wieder glitzernde Stimmen über dem dichten Klanggrund aufsteigen lässt, ist herrlich. Klar, dass dem in der gut besuchten Paulskirche langer, dankbarer Applaus folgt und als Zugabe ein Triumphmarsch morandischer Machart.

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