Donnersbergkreis „Wir müssen mehr aufklären“

„Es braucht Orte, an denen wir dem Vergangenen begegnen, es erfahren können, so wie hier auf diesem Platz.“ Das sagte Norbert Wi
»Es braucht Orte, an denen wir dem Vergangenen begegnen, es erfahren können, so wie hier auf diesem Platz.« Das sagte Norbert Willenbacher, der Sprecher des Arbeitskreises Friedenstage, bei der Gedenkfeier.

80 Jahre nach der Reichspogromnacht wollten am Freitagabend an der ehemaligen Synagoge in Kirchheimbolanden rund 150 Menschen in einer bewegenden Veranstaltung an die Opfer und die Folgen des 9. November 1938 erinnern. Es war auch ein Gedenken an den kürzlich verstorbenen Pfarrer Elmar Funk, der diese Feier im Jahr 1975 ins Leben gerufen hatte.

Norbert Willenbacher, der Sprecher des Arbeitskreises Friedenstage, eröffnete seine Rede mit dem berühmten Gebet von Dietrich Bonhoeffer: „Von guten Mächten wunderbar geborgen…“, geschrieben in der Festungshaft in Berlin-Tegel an Silvester 1944 – den sicheren Tod vor Augen. Willenbacher hatte genau dieses Zitat gewählt, weil der unlängst verstorbene Elmar Funk, das „Gewissen der Region“, diese Gedenkfeier ins Leben gerufen hat. Funk hatte Steine aus Yad Vashem in Jerusalem – eine internationale Holocaust-Gedenkstätte – sowie aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Natzweiler-Struthof und Auschwitz zusammengetragen und hier als stumme Zeugen eingemauert. Norbert Willenbacher zeigte sich froh ob der Erinnerungskultur in Kirchheimbolanden, „die es in dieser Substanz und in dieser Intensität sicher nicht oft gibt in unserer Republik“. Dennoch mahnte er angesichts der Vorgänge in Chemnitz und anderswo vor den alten Mustern, die man leider sehr gut kenne. „Deshalb müssen wir nicht weniger, sondern mehr aufklären, informieren und falsches Handeln aufzeigen. Dazu braucht es Orte, an denen wir dem Vergangenen begegnen, es erfahren können, so wie hier auf diesem Platz.“ In Gedenken an Elmar Funk hatte der Posaunenchor unter der musikalischen Leitung von Bezirkskantor Martin Reitzig eine Vertonung des berühmten Bonhoeffer-Gebets angestimmt. Wie in all den Jahren zuvor entzündete die Amnesty-International-Ortsgruppe eine mit Stacheldraht umwobene Kerze für einen bedrohten Menschenrechtsverteidiger. Diesmal Murhabasi Namegabe, ein im Kongo lebender Pädagogik-Professor, der in seiner Heimat Heime für Straßenkinder und für ehemalige Kindersoldaten unterhält. Als Aktivist ist er inzwischen selbst verfolgt. Amnesty schickt Petitionen nach Kinshasa an die Regierung. Murhabasi Namegabe war bei den Friedenstagen 2006 zu Gast in der Donnersberger Kreisstadt. Wolfgang Ernst sprach über eine Aktion des Rotary-Clubs Kirchheimbolanden, der in 375 freiwilligen Arbeitsstunden einen Teil der Mauer des 175 Jahre alten jüdischen Friedhofs saniert hatte (wir berichteten in unserer Samstagsausgabe). Ronald Gordon aus Kolumbien, zur Zeit Doktorand bei Norbert Willenbacher am Karlsruher Institut für Technologie, berichtete über die Flüchtlingsschicksale seiner Familie in der NS-Zeit. Seine Großtante ist eine Heilige: Edith Stein. Nicht nur die Schülersprecher der Georg-von-Neumayer-Schule und des Nordpfalzgymnasiums waren Teil der Feier, sondern auch die beiden zehnten Klassen der Realschule Plus waren in Begleitung ihrer Lehrer und des stellvertretenden Schulleiters Stefan Klemme erschienen. Als Vertreter der Kirchen sprach der protestantische Dekan Stefan Dominke. Er beklagte, dass die Kirchen in der NS-Zeit – bis auf wenige einzelne Ausnahmen – geschwiegen haben und dass auch heute die Kirche deutlicher für die Verfolgten und Geschundenen eintreten müssten. Stadtbürgermeister Klaus Hartmüller ging auf den Begründer der Kritischen Theorie, Theodor W. Adorno, und die Bedeutung der Gedenkfeier angesichts der Gräuel in der Reichspogromnacht ein und legte einen Schleifenkranz für die Stadt Kirchheimbolanden nieder. Kreisbeigeordnete Michael Ruther berichtete, dass seine Mutter, Jahrgang 1924, in den zwanziger Jahren in Kirchheimbolanden mit der Schwester des Holocaust-Überlebende Carl Hausmann in der Langstraße spielte. Beide litten sie an einer hoch infektiösen, aber mit Medikamenten und entsprechender Therapie heilbaren Krankheit; dies noch vor der Machtergreifung. Zur Mutter von Michael Ruther kam der Hausarzt, weigerte sich allerdings zum Judenkind Gretel Hausmann zu kommen. In ihrer Verzweiflung sei dann die Mutter von Gretel Hausmann zum Krankenhaus gegangen, wo man ihr die Aufnahme der Tochter verweigerte. Gretel Hausmann starb in den Armen ihrer Mutter. Für Flüchtlinge, Notleidende und an den Rand gedrängte Menschen müsse in unserem Land Medizin und Heilung immer möglich sein, so Ruther. Einen sehr gelungenen musikalischen Schlusspunkt der Gedenkfeier setzte der Posaunenchor.

x