Donnersbergkreis Vitale Freude und orchestrale Klangfülle

Heinz-Günter Nuck und Martin Reitzig, hier auf einer Archivaufnahme in der Paulskirche.
Heinz-Günter Nuck und Martin Reitzig, hier auf einer Archivaufnahme in der Paulskirche.

«KIRCHHEIMBOLANDEN.» Innehalten und zur Besinnung kommen mit schöner Musik, fern jeder kalendarisch angesagten Hektik, Glückwünschen und Böllerschüssen „auf ein Neues“: Seit vielen Jahren bieten die Silvesterkonzerte in der Protestantischen Peterskirche eine willkommene, regelmäßig gut besuchte Alternative zu allem Trubel am späten Abend. Diesmal wieder mit Bezirkskantor Martin Reitzig an der Orgel und dem Trompeter Heinz-Günter Nuck, Lehrer an der Binger Musikschule. Ein eingespieltes Duo auf gleicher Wellenlänge und gleichem meisterhaften Niveau. Schon viele Male traten sie vor Ort auf.

Die anspruchsvolle Auswahl von Barock-„Hits“ wie etwa der Händel- Arie „Lascia, ch’io piangia“, hier von der Trompete eher kraftvoll gesungen als geweint, und weniger berühmten Stücken lebte vom Abwechslungsreichtum der Stilrichtungen und kontrastierenden Stimmungen; festliche Klangpracht wechselte mit tiefer Nachdenklichkeit. Angekündigt auf dem aufschlussreich kommentierenden Programmzettel war „ergötzliche Musik zum Jahresausklang“ unter dem Titel „Moonlight & Roses“. Gemeint war mit diesem eher trivialen (und vom Verleger unerlaubt der Komposition im Nachhinein aufgesetzten) Aufhänger das „Andantino in Des-Dur“ des Engländers Edwin H. Lemare (1865-1934), sein populärstes Werk. Die in ihrer Einfachheit eingängige, ja zärtliche Melodie schmeichelte sich schnell ein und schien sich aus dem kirchenmusikalischen Umfeld weit zu entfernen. Sie war vielmehr ein gefühlvolles Chanson oder Liebeslied, dem die warme Tönung der spätromantischen Steinmeyer-Orgel sehr entgegenkam. Zurück zum Beginn: Reitzig eröffnete das Konzert mit Georg Friedrich Händels (1685-1759) feierlich barocker Festmusik zur „Ankunft der Königin von Saba“ – vitale Freude und orchestrale Klangfülle triumphierten hier. Die facettenreichreiche Registrierung brachte reizvolle Details und den Farbenreichtum der miteinander konzertierenden Orgelstimmen wirkungsvoll zur Geltung– ein fesselnder Einstieg! Eingängig, durch und durch charmant, ja geradezu spritzig erklang später die „Marcietta“ (in gemäßigtem Marschtempo) des französischen Romantikers Théodore Dubois (1837- 1924), gefolgt von seiner „Marche- Sortie“, dem Auszugsmarsch, jetzt im Duo mit der Trompete: festlich, straff, im ganz großen Verkündigungston. Nuck spielte mit klarem Ansatz, souverän und sonor strahlend. Die Leuchtkraft seines zuvor geblasenen „Trumpet Voluntary“, komponiert von dem Engländer John Stanley (1712-1786), riss auf Anhieb die Zuhörer mit. Erhebend, bekenntnishaft und vor allem von Lebensfreude durchdrungen war die Generationen später entstandene „Marcia per dopo la messa (nach der Messe)“ für Orgel von dem Italiener Vincenzo Petrali (1832-1889). Ungemein farbig und kontrastreich: Georg Philipp Telemanns (1681-1767) Duo-Sonata D-Dur. Da ließ zunächst der Kopfsatz, ein „Spirituoso“, den Bläser einmal mehr fanfarenhaft schmetternd auftrumpfen- ein geradezu feudales Triumphieren! Der Orgel vorbehalten blieb der getragene Largosatz: Mit seiner tiefgreifenden und schwermütigen Meditation in düsteren Schattierungen ließ er schicksalhafte Vergänglichkeit anklingen. Bewegend. Umso feuriger war von dieser Innerlichkeit das bravouröse Finale abgesetzt, das „Vivace“, in dem die Trompete wieder temperamentvoll und virtuos brilliert und dabei bewundernswert verflochten mit der Orgel bleibt. Mit zum Glanzlicht der Konzertstunde und mit spontanem Beifall bedacht wurde „ein Klassiker“ hochgestimmter Barockmusik, das „Fanfare- Rondeau“ von Jean-Joseph Mouret (1682-1738) – ein jubelnder Dauerbrenner. Zurück zu Besinnung und religiöser Nachdenklichkeit führten zwei Choralvorspiele von Johannes Brahms (1832-1897), „Schmücke dich, oh liebe Seele“ und „Es ist ein Ros entsprungen“. In fein perlendem Fluss untermalte der Organist die Themen und strukturierte Stimmen und Zwiegespräche der Register mit bewundernswerter Transparenz. Ein religionskriegerisches Schlachtfeld? In Felix Mendelssohn-Bartholdys (1809- 1847) „Kriegsmarsch der Priester“, geschrieben für das Racine-Schauspiel „Athalie“, steigert sich die Orgel zu Beginn in ein dramatisch wuchtiges Crescendo, die Trompete fällt ein und dominiert. Beide Instrumente ergänzen einander, dialogisieren und beschwören martialisch Aufbruchstimmung – trägt ihr unerschütterlicher Optimismus hinüber ins Neue Jahr? Der Schlussbeifall für die beiden Künstler ist lange und sehr zugetan, bedankt wird er mit dem Präludium zu Marc-Antoine Charpentiers (um 1643-1704 in Paris) „Te Deum“, allseits bekannt als Eurovisions-Hymne. Ein dem Anlass geschuldetes Muss. Und jetzt versagte plötzlich die Trompete ihrem Meister einzelne Töne. Macht überhaupt nichts – ein rundum beglückender Jahresausklang war dieses vielseitige Konzert allemal.

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