Donnersbergkreis Post aus London

Immer wieder klickte Weichmeier abwechselnd auf das W-Lan-Symbol auf seinem Laptop und auf den „Senden & Empfangen“-Knopf seines E-Mail-Programms. Noch immer keine Nachricht aus London. „Giuseppe, ich nehme noch einen Limoncello“, rief Weichmeier dem Wirt des „Mario Lanza“ zu. „Ah, Signor Weichmeier. Wolle nicht lieber eine Flasche Pinot Grigio?...“ „Ja, ich weiß“, unterbrach Weichmeier den Sing-Sang-Redefluss seines Lieblingsitalieners, „Nehme volle Flasche, komme billiger.“ Giuseppe Lanza zeigte seine blütenweiße Zahnreihe und nickte heftig. „Und unsere Zabaione isse auche wieder fantastico. Kanne nur empfehle.“ Weichmeier kapitulierte und bestellte beides – auch wenn ihm der Sinn weder nach italienischem Grauburgunder noch nach Weinschaumcreme stand. Der Hauptgrund, warum er sein mobiles Ermittlungsbüro im „Mario Lanza“ und nicht in seinem Wohnzimmer aufgeschlagen hatte, war ein ganz anderer: kostenloses W-Lan. Dank der Freifunk-Initiative Westpfalz gab es hier im Stadtgebiet seit einigen Monaten eine recht zügige und vor allem kostenfreie Verbindung mit dem World Wide Web. (Zuhause wartete Weichmeier noch immer auf einen DSL-Anschluss, der Geschwindigkeiten jenseits einer BTX-Verbindung zuließ.) „Bing. Sie haben Post“ – Weichmeier schreckte vor Verzückung hoch, als sein Laptop ihm den Eingang einer neuen Nachricht signalisierte: „Kibogirl1954“ hatte geschrieben. „Na endlich, Dörthe“, dachte Weichmeier und klickte auf „Öffnen“. Auf dem Bildschirm baute sich die E-Mail seiner Frau aus London auf, außerdem ein Anhang mit diversen Fotos. „Alle Achtung. Das hätte ich ihr gar nicht zugetraut“, dachte der Ex-Polizist, als ihm der Umfang der übersendeten Dateien bewusst wurde. Nachdem der Rechner alle Daten heruntergeladen hatte, klickte sich Weichmeier durch die Fotos. Einige waren zwar etwas unscharf oder unterbelichtet, zu erkennen waren aber dennoch genügend Details. Offenbar hatte Dörthe mit ihrem Handy Aufnahmen in dem besagten Londoner Büro in der Wardour Street gemacht. Ein Bild zeigte einen abfotografierten Stadtplan der Kleinen Residenz in englischer Sprache. Weichmeier musste lachen: Irgendjemand hatte „Paulskirche“ offenbar mit „St. Paul’s Cathedral“ übersetzt. Das Lachen blieb dem ehemaligen Polizisten allerdings sofort wieder im Halse stecken, als er die nächste Aufnahme betrachtete. Die zeigte ein abfotografiertes Foto an einer Pinnwand, das mit roten Pfeilen beschriftet worden war. Deutlich konnte er das Eingangsportal der Paulskirche erkennen und die Worte „explosion“ und „big blast“. Es stimmt also tatsächlich. Diese Männer planten im großen Stil einen Anschlag auf das Kirchheimbolander Wahrzeichen. Offenbar wollten sie sich den Weg in die Kirche freisprengen, um sich Zutritt zu verschaffen. Warum – dazu benötigte Weichmeier weder lange Bedenkzeit noch die Bilder, die sich nun auf dem Bildschirm aufbauten: Detailaufnahme der Mozartorgel! Er hatte von Anfang an Recht gehabt. „Einen Ramazzotti!“, brüllte Weichmeier in Richtung Giuseppe Lanza, der vor Schreck den Teller mit der Zabaione und das Glas Pinot Grigio fallen ließ. (Illustration: Herrmann) Fortsetzung folgt Wie geht Weichmeiers neuester Fall weiter? Mehr erfahren Sie morgen in der nächsten Advents-Krimi-Folge. Alle Teile können Sie auch online nachlesen auf www.rheinpfalz.de/adventskrimi.

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