Donnersbergkreis Musik als Arbeit und Vergnügen

Dvorak-Notturno: v.l. Elischka Kukalova, Niklas Liepe, Anna Lysenko, Naomi Shaham, Nil Kocamangil.
Dvorak-Notturno: v.l. Elischka Kukalova, Niklas Liepe, Anna Lysenko, Naomi Shaham, Nil Kocamangil.

«DANNENFELS.»Villa-Musica-Studentin in der Dannenfelser Kirche. Da wird vorzüglich musiziert, das Publikum strömt in Scharen, in der Pause bewirtet die evangelische Kirchengemeinde ungemein gastfreundlich in der Linnschen Scheune. Der Abend ist rundherum gelungen und musikalisch hochinteressant, weil zwei grundunterschiedliche Methoden, auf Musik zuzugehen, geradezu exemplarisch aufeinandertreffen. Zu hören ist Kammermusik in Trio-, Quintett- und Oktettbesetzung.

Zu Beginn: das Notturno in H-Dur op. 40 von Anton Dvorák, ein Andante religioso, das der Komponist zweimal aus einem zyklischen Werk entfernte und schließlich separat herausgab, jedes Mal verändert und umgearbeitet. Ein Andante religioso nun wäre grundsätzlich nicht so trocken-sachlich zu spielen, wie es hier geschah. Der Satz erschien eher als sorgfältige Untersuchung chromatischen Zwielichts, eher melancholisch verhangen als verhalten-gläubig, aber in den Einzelheiten sorgfältig und und zum Ende hin auch zunehmend spannend ausgearbeitet. Spieltechnische Probleme gab es nicht ansatzweise. Dass die Intonation nicht ganz rein war, ist angesichts der Tatsache, dass die Instrumente aus einem anderen Raumklima in die Kirche gebracht wurden, kaum anders möglich. Federführend ist hier ebenso wie im Streichtrio in F-Dur op. 96 von Franz Krommer (1759-1831) der Göttinger Geiger Niklas Liepe, Jahrgang 1990, Dozent der Villa Musica. Er musiziert das Trio mit den Studentinnen Anna Lysenko an der Viola und Nil Kocamangil am Cello. Das Eingangsallegro entspringt nicht einem einheitlichen Wollen der Musiker. Es ist alles technisch perfekt vorgetragen, keine Frage, aber die interpretatorische Grundentscheidung scheint geradezu falsch: ein verfehlter Versuch, einer heiteren, gefälligen Musik kämpferische Bedeutung aufzupfropfen und etwas in grimmigem Ton vorzutragen, was dessen gar nicht bedarf. Die leichten harmonischen Schärfen in den Begleitstimmen sind keineswegs die Hauptsache; sie sollen dem Satz Farbe geben, aber nicht ausgestellt werden. Hier ist nicht mit angestrengtem Ernst zu grübeln, sondern munter durchzuspielen: leichter, eleganter, melodienfreudiger. Böhmisch eben – Krommer stammt aus der Nähe von Iglau. Im Menuett ist man eher empört als dass man tanzt. Das Adagio will ein reizendes Wienerlied werden, aber man lässt es nicht, indem man die Musik ohne jeden Charme geradezu freudlos auffasst. Das zweite Menuett hingegen setzt fulminant, feurig, präzise und mitreißend ein. Das Finale ist wieder zu ernst und zu schwer: So viel Beethoven gibt Krommers Notentext nicht her. Sollte Franz Schuberts großartiges Oktett in F-Dur D 903 zwar spieltechnisch vorzüglich, aber ebenso trocken und in geradezu harschem Klang vorgetragen werden? Glücklicherweise nicht. Hier war federführend der Klarinettist Professor Irvin Venysch von der Tschechischen Kammermusik-Akademie, einer Partnerinstitution der Villa Musica. In Schuberts Oktett hat er ungefähr ebenso viel zu sagen wie der Primgeiger (in diesem Fall Liepe). Schon in seiner ersten melodischen Kantilene nimmt er sich wunderbare Freiheiten in der Tempogestaltung, läßt die Phrasen atmen und schwingen. Fagottistin Eugénie Ricard ist genau der gleichen Meinung, Hornistin Gil Barak widerspricht nicht, und in der Streichergruppe sorgt ein ganz hervorragender Cellist, Vilém Vltschek, für lebhafte, beredte Artikulation, indes Primgeiger Niklas Liepe noch immer seine Violine nicht weich und seidig klingen lassen will. Auch die verführerischsten Kantilenen bringt er mit herber, sachlicher Präzision. Das sprengt die Einheit des Musizierens aber nicht, sondern bringt belebende Spannung in das ungemein reiche Eingangsallegro. Das Adagio ist zunächst ein Zwiegesang zwischen erster Violine und Klarinette. Hier kommen beide musikalischen Charaktere schön zusammen, Liepe gibt seinem Instrument einen etwas wärmeren Ton, spielt sachte und kantabel. Man lässt dem Satz alle Zeit, die er braucht, langsam zu schwingen und zu pendeln, es gibt herrlich feine Violin-Solo-Stellen und eine über die beträchtliche Länge des Satzes gehaltene Spannung, die fasziniert. Das Scherzo ist sowas von munter und gutgelaunt: So hätte man die Musik Krommers angehen sollen. Wunder herrlichen Klangs wissen die acht Musiker dem Variationssatz zu entlocken. Die Streicher gefallen sich im Wiener Caféhauston, der ganze Satz ist wohllautend und wohllaunig, amüsant, klanglich höchst delikat: das kann man kaum richtiger, kaum schöner machen. Cellist Vilém Vltschek spielt sein Solo mit Verve, dabei leicht und warm, mit Freude an schwingenden Melodiebögen. Das Menuett hat zauberhaft schön gestaltete Momente, und wie der Geschwindmarsch des Finales sich vom Blitzen und Donnern eines offenbar fernen Gewitters nicht schrecken lässt, ist so herrlich im Detail und so folgerichtig im Verlauf ausgestaltet, dass dem Hörer die enorme Länge des Konzerts kaum bewusst wird. Der Applaus: verdient begeistert.

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