Donnersbergkreis „Man bewegt sich nicht mehr so frei“

Besonders in sozialen Netzwerken wird der Ton rauer, berichten die Abgeordneten.
Besonders in sozialen Netzwerken wird der Ton rauer, berichten die Abgeordneten.

„Gibt’s ne Menge Leute, die nicht übel Lust hätten, den verlogenen Arschlöchern der SCHEISSDEMOKRATTEN, also Hohlbirnen wie Ihnen, mal ordentlich den Marsch zu blasen.“ Das ist ein Auszug einer E-Mail, die Jaqueline Rauschkolb im Herbst erhielt. Die Eisenbergerin sitzt für die SPD im rheinland-pfälzischen Landtag. „In der heutigen Zeit fühle ich mich nicht immer komplett sicher, denn wenn man sich zu bestimmten Themen politisch äußert, kann das immer Leute auf den Plan rufen, die anders denken. Und da die Debatten im Internet sehr oft sehr gewaltvoll sind, was Worte angeht, ist die Frage, ob dem auch Taten folgen würden“, sagt Rauschkolb. Tätlich angegriffen wurde sie noch nicht, bedroht einmal auf einer Anti-Nazi-Demo, wie sie berichtet. Ob der Ton rauer wird? „Ja, aber es liegt eventuell auch daran, dass ich in Mainz in unserer Fraktion Sprecherin für Migration und Integration bin und dieses Thema sehr aufgeladen diskutiert wird“, berichtet die Abgeordnete – und ergänzt: „Es kam schon vor, dass ich nach Reden im Landtag beleidigende Nachrichten über Facebook bekommen habe.“ Auch stelle sie fest, dass der Ton rauer werde, wenn man Bürgern nicht direkt helfen könne. „Dann wird es schon ungemütlich. Das ist für mich aber eine Einbahnstraße. Ich helfe gerne und setze mich für die Menschen ein, aber mit einem fairen und respektvollen Umgang.“ Daran gedacht, als Politikerin aufzuhören, habe sie noch nicht. Man dürfe nicht klein beigeben. „Es gibt ja die einen Menschen, die ich auch schon bei Haustürgesprächen erlebt habe, die Politik und Politiker verachten, und zum anderen die, die bei bestimmten Themen andere Meinungen vertreten und einen deshalb beleidigen. Ich stelle auch fest, dass es bei manchen Themen nur noch entweder richtig oder falsch gibt und nichts mehr dazwischen und dass eine andere Meinung nicht immer akzeptiert wird.“ Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Gustav Herzog stellt fest, dass der Ton rauer geworden ist. Gerade in sozialen Netzwerken wie Facebook. „Die Distanz durch das Internet lässt wohl bei einigen jede zivilisatorische Zurückhaltung fallen. Allgemeine Beleidigungen bis böse Unterstellungen werden immer mehr. Das Posten von verächtlich machenden Bildern und Texten ist unerträglich geworden“, so der Abgeordnete aus Harxheim. Bedroht oder tätlich angegriffen wurde er noch nicht. Auch fühle er sich als Politiker sicher – „bis jetzt noch“. Über das Thema Bedrohung werde aber durchaus in Berlin gesprochen – Abgeordnete reden miteinander, auch führe man Gespräche mit seinen Mitarbeitern. Denn auch diese seien betroffen. „Und es gibt eine gute fachliche Beratung durch die Sicherheitsdienste.“ Auch bei den Linken sind Bedrohungen ein Thema, wie Bundestagsabgeordneter Alexander Ulrich mitteilt. „Natürlich diskutieren wir das Thema in der Bundestagsfraktion und werden uns auch nach der Sommerpause mit dem Bundeskriminalamt unterhalten“, berichtet der Abgeordnete aus Reichenbach-Steegen im Landkreis Kaiserslautern. Auch er wurde noch nicht bedroht oder tätlich angegriffen. Und Fälle, bei denen er Angst hatte? „Eigentlich nicht. Höchstens, wenn man bei einer Demonstration gegen Rechts teilgenommen hat.“ Als Politiker fühle er sich so sicher „oder unsicher wie jeder andere Mensch auch. Aber natürlich macht man sich aufgrund der aktuellen Meldungen seine Gedanken, ob wir Politiker Zielgruppe von Fanatikern sind.“ Auch Ulrich spürt, dass der Ton in den sozialen Netzwerken ein anderer ist. Das bestätigt Simone Huth-Haage, CDU-Landtagsabgeordnete aus Bolanden: „Der Ton wird in der Tat rauer. Vor allem über soziale Medien und vor Wahlen zeigt sich die Kommunikation enthemmt und zunehmend aggressiv. Diese traurige Entwicklung betrifft alle Bereiche der Politik von der Bundesebene bis hin zur kommunalen Ebene.“ Ans Aufhören habe sie deswegen noch nicht gedacht: „Ich bin der Auffassung, dass man als verantwortlicher Politiker Rückgrat zeigen muss und sich im Interesse unserer freiheitlichen Gesellschaft nicht extremen Kräften – gleich ob von rechts, von links oder religiös motiviert – beugen darf.“ Einer Bedrohung sei sie bislang noch nicht ausgesetzt gewesen. Das Thema aber werde auf Landesebene besprochen. Auch, wie man mögliche Gefahren frühzeitig erkennen und welche Vorsichtsmaßnahmen man ganz persönlich ergreifen kann. „Als wir vor wenigen Monaten im Landtagsausschuss die Schließung der Al-Nur-Kita in Mainz forciert hatten, die unter salafistischem Einfluss stand und damit nicht mehr auf dem Boden unserer Verfassung, hatte ich nach der ein oder anderen verbalen Attacke Sorge um meine Sicherheit“, sagt Huth-Haage. Sie gibt zu: „Verschiedene Bedrohungslagen in den letzten Jahren, Veränderungen in unserer Gesellschaft und die Sensibilisierung, die wir als Landespolitiker durch Sicherheitskräfte erfahren, führen schon dazu, dass man sich nicht mehr so frei bewegt, wie das in den ersten Jahren meiner Zeit als Landtagsabgeordnete der Fall war.“

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