Donnersbergkreis Landrat Guth im Interview: "Modernisierung vorantreiben"

„Wir müssen es schaffen, in die strukturschwächeren Teile unseres Kreises neue Impulse zu setzen“, sagt Landrat Rainer Guth (rec
»Wir müssen es schaffen, in die strukturschwächeren Teile unseres Kreises neue Impulse zu setzen«, sagt Landrat Rainer Guth (rechts) im Gespräch mit Sebastian Stollhof. Dabei setzt er auf einen Wirtschaftsförderer.

Seit September ist Rainer Guth Landrat des Donnersbergkreises. Der 47-Jährige hat seitdem nicht nur im Kreishaus neue Wege eingeschlagen.

Der Eisenberger Rainer Guth verzichtet im Kreishaus auf Dezernenten und setzt große Hoffnungen in einen Wirtschaftsförderer. Ein Gespräch über Windkraftbeteiligungen, Fusion, Ärger über Grüngutplätze oder die Zellertalbahn. Herr Guth, Ihr Terminkalender ist randvoll. Hand aufs Herz: Wie viele Stunden haben denn derzeit Ihre Arbeitstage? Das darf ich gar nicht sagen, sonst steht es in der Zeitung, und es liest meine Frau (lacht). Rund 60 Stunden in der Woche sind es schon. Haben Sie es bei dem Terminstress schon bereut, als Landrat kandidiert zu haben? Nein (lacht). Es ist alles gut. Ich würde es wieder machen. Die ersten 100 Tage im Chefsessel der Kreisverwaltung haben Sie hinter sich. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Nach 100 Tagen zu bilanzieren, ist schwierig, aber ich glaube, wir haben schon ein paar Veränderungsprozesse angestoßen. Ich würde sagen, wir sind in der Verwaltung auf einem guten Weg. Die beiden deutlichsten Veränderungen sind, dass wir die Abteilungsleitungen stärker in die Verantwortung nehmen. Wie sieht das aus? Wir haben keine Dezernenten mehr. Albert Graf ist in Ruhestand gegangen, Fabian Kirsch ist nach Mainz gewechselt. Die beiden Stellen haben wir in der Form nicht mehr besetzt. Die Abteilungsleiter haben dadurch Teile der Verantwortung, die vorher die Dezernenten hatten, mit übernehmen müssen. Regelmäßiger Austausch führt zu kurzen Wegen. Aber auch die darunter liegenden Ebenen Referatsleitung und Sachbearbeiter müssen nun mehr Verantwortung mitschultern, weil die reine Übernahme der Verantwortung durch Abteilungsleiter auf die Dauer nicht zu schultern ist. Dann gibt es noch eine andere Stoßrichtung. Welche? Die Stelle von Herrn Kirsch musste gesetzlich besetzt werden, weil es die Stelle des leitenden staatlichen Beamten ist. Hier haben wir in der Konsequenz eine weitere Abteilung geschaffen. Diese wird von Eva Hoffman geleitet. In der Abteilung ist die Kommunalaufsicht, das Gesundheitsamt, die Ausländerbehörde sowie das ehemalige Rechtsamt. Welche Ziele verfolgen Sie damit? Der Fokus liegt darauf, die Effizienz zu verbessern, Eigenverantwortung zu stärken und Prozesse zu beschleunigen. So, dass Anträge schnell bearbeitet werden. Trotzdem sollen die Mitarbeiter aber am Ende nicht belasteter sein, als sie es vorher waren. Ich glaube, dass das dadurch geht, dass wir einfach die Prozesse mal überprüfen, Schnittstellen verbessern, überflüssige Tätigkeiten auch mal über Bord werfen. Wir werden stärker digitalisieren. Mein Ziel ist es, dass wir in naher Zukunft zu den modernsten Verwaltungen gehören, was die Prozesse angeht. Ich glaube, das schaffen wir auch, weil wir – das ist mir deutlich geworden – in unseren Ämtern und Behörden gute Leute haben. Kaum waren Sie im Amt, mussten Sie sich mit einigen größeren Themen befassen, unter anderem den drohenden Verlusten bei der Windkraft. Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen, dass sich die verlustträchtigen Beteiligungen an Windparks veräußern lassen? Gut. Auf das Bieterverfahren, das wir eingeleitet haben, und zu den Unternehmen, denen wir unsere Offerte geschickt haben, erhalten wir noch aus dem Markt heraus weitere Anfragen. Das sind nicht wenige. Das Interesse ist kapitalmarktbedingt, aber auch bedingt durch die noch kalkulierbare Verzinsung unserer Windräder. Wir werden voraussichtlich viele Angebote erhalten, und ich glaube, dass der Markt auch relativ gut ist, was die Angebotshöhe angeht. Ob das reicht, unsere Kosten am Ende zu decken und Verluste abzuwenden, kann ich noch nicht beurteilen. Sind für Sie nach diesen Erfahrungen erst einmal künftige Beteiligungen an Windparks vom Tisch? Ich sehe uns als öffentliche Verwaltung nicht in der Pflicht, überall in den Betrieb der Daseinsvorsorge zu gehen. Dafür haben wir unternehmerische Profis, die das machen und die das als Kerngeschäft verstehen. Ich schließe nicht aus, dass wir uns in weiteren Projekten der Erneuerbaren Energien irgendwann mal wieder beteiligen. Aber nicht unter den Risikoparametern, die wir jetzt mit der Windkraft haben. Es gibt beispielsweise auch das reine Verpachtungsmodell, etwa mit dem Ausbau der Fotovoltaik auf unseren Schuldächern. Hier haben wir kein Betriebsrisiko. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir im Bereich Biomasse-Blockheizkraftwerke für Schulen und andere größere Gebäude aktiv werden. Ein Ärgernis für viele sind die neuen Regeln für die Nutzung der Grüngutplätze. Im 1. Quartal soll das Thema nochmal auf den Tisch kommen. Haben Sie schon einen Lösungsvorschlag? Keinen zusammengeschriebenen, aber viele Einzelvorschläge. Wir werden das Konzept überarbeiten, wir werden es auch ändern. Wenn man es richtig geschickt machen wollte, müsste man Geld in die Hand nehmen, das wir nicht haben. Solange uns das Land Geld vorenthält, was uns eigentlich zusteht, können wir auch viele Dinge nicht umsetzen, die wir uns wünschen. Kommen wir zur Zukunft der Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel. Mit Tanja Gaß soll auf Ihren Vorschlag hin eine Mitarbeiterin der Kreisverwaltung Beauftragte werden. Wie werden Sie nun den Fusionsprozess begleiten? Wir schauen, wie in allen Verbandsgemeinden, dass die Dinge aus Sicht der Kommunalaufsicht korrekt laufen und beraten in dieser Hinsicht bei Bedarf. Das wird gut gehen, denn Frau Gaß ist hier seit über 20 Jahren Mitarbeiterin im Haus. Sie kennt hier jeden und jedes Amt, war in vielen Ämtern selbst schon aktiv. Ich glaube, dass wir in Alsenz-Obermoschel kaum weitere Optionen haben, noch für eine gute Weiterentwicklung in dem Prozess der Fusion zu sorgen – ohne in eine Zwangssituation entweder der Fusion oder der Verwaltung zu fallen. Die Stelle des Beauftragten ist keine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit. Aber es ist wichtig, dass sie von einer neutralen Person wahrgenommen wird, mit Verwaltungserfahrung, Kommunikationsfähigkeit und der Fähigkeit, die Menschen an den Tisch zu bringen, um miteinander und nicht übereinander zu reden. Ich glaube, dass Frau Gaß dazu die richtige ist. Das heißt, Frau Gaß wird als Aufgabe die Vorbereitung einer Fusion mit Rockenhausen haben. Und auch Sie gehen diesen Weg mit? Ja. Das war aber auch der Weg, auf den ich im Wahlkampf hingewiesen hatte, als damals der Gutachterausschuss des Landes zum Thema kreisübergreifende Fusion bei der Oberen Kyll Nein gesagt hat. Da war klar, eine kreisübergreifende Fusion geht nicht. Wir müssten die Landesverfassung ändern, um eine kreisübergreifende Fusion gegen den Willen beider Kreise zu machen. Eine Fusion mit Rockenhausen ist ein gangbarer Weg und eine gute Lösung. Wenn wir die Energien, die da verbraucht wurden, eine Fusion in irgendeine Richtung zu lenken und Grabenkämpfe darüber auszutragen, schon darauf verwendet hätten, die Strukturen zu verbessern, die Regionen zu fördern, ein Miteinander zu schaffen, wäre die Region deutlich weiter, als sie heute ist. Ausgeschrieben haben Sie die Stelle eines Wirtschaftsförderers. Gibt es hier schon einen Kandidaten? Es gibt Bewerbungen und damit auch potenzielle Kandidaten. Wir haben heute darüber gesprochen, wen wir aus den vorliegen Bewerbungen einladen. Was erhoffen Sie sich von einem Wirtschaftsförderer? Viel! Wir dürfen nicht auf der Stelle treten, wenn es um Standortentwicklung geht. Wir brauchen jemanden, der sich der Aufgabe Wirtschaftsförderung voll und ganz widmet. Das ist eine für uns strategisch wichtige Aufgabe. Jeder, der viel unterwegs ist, sieht ländliche Regionen, die infrastrukturell wesentlich schwächer sind als Teile unseres Kreises, aber wirtschaftlich und sozial besser dastehen. Ich glaube, dass wir daran arbeiten können. Das muss jemand machen, der dies koordiniert, der den Überblick bewahrt, gute Ideen mitbringt, sich vernetzt, die Dinge aufbaut. Wir müssen es schaffen, in die strukturschwächeren Teile unseres Kreises neue Impulse zu setzen. Eine Hängepartie ist die Sanierung der Zellertalbahn. Wird der Freizeitverkehr 2018 aufgenommen, und was ist der Stand in Sachen Sanierung? Der Antrag, der lange hing, weil dauernd Nachbesserungen seitens des Landes gewünscht waren, ist vor Weihnachten rausgegangen. Wir gehen davon aus, dass wir für 2018 analog der Regelung der Vorjahre, das heißt über die Trägerschaft des Donnersberg Touristik-Verbandes, den Freizeitverkehr laufen lassen können. Es wäre aus meiner Sicht jetzt auch das politisch falsche Zeichen, die „Lok vom Gleis“ zu nehmen. Seitens des Landes ist der Wille da, das weiter zu begleiten. Es gab beihilferechtliche Bedenken zwischendurch, die scheinen aber ausgeräumt. Wir wollen nochmal das Gespräch mit Staatssekretär Becht suchen, damit der notwendige Drive reinkommt und der Antrag möglichst bald abschließend bearbeitet wird. Es gibt im Moment kein Zeichen aus Mainz oder Brüssel, das noch eine negative Entwicklung erwarten lässt. Was werden weitere Themen sein, die Sie 2018 anpacken wollen? In der Verwaltung wollen wir das, was wir begonnen haben, auch weiterführen und die Modernisierung vorantreiben. Wir müssen dazu auch dringend das Thema Digitalisierung voranbringen. Erste Pflöcke haben wir bereits eingeschlagen, es geht aber auch darum, keinen weiteren Verzug in Kauf zu nehmen. Dazu gehört auch, dass das Haus hier besser versorgt ist. Wie die Stadt sind auch wir nicht zufrieden, was Primacom bislang in Kirchheimbolanden geleistet hat. Wir sind hier einfach unterversorgt. Ein Projekt wird ein neues Fortbildungscurriculum unter der Leitung von Dr. Schmid vom Westpfalz-Klinikum für Hausärzte sein. Wir organisieren eine kreisinterne Fortbildung für Hausärzte mit dem Ziel, dass junge Ärzte hier im Kreis zum Allgemeinmediziner ausgebildet werden und in vier bis fünf Jahren auch hier leben und eine der Praxen übernehmen oder sich in einer neuen niederlassen. Das ist auch ein Stück Kreisentwicklung. | Interview: Sebastian Stollhof

x