Donnersbergkreis Klassiker in elektronischer Brechung

«ROCKENHAUSEN.» Wie Kai Schumacher am Freitag ist auch der zweite reüssierende Konzertpianist des Festivals Neue Musik am Samstag, der junge Italiener Filippo Gorini, aus der klassischen hohen Klavierschule erwachsen. Gegenüber der RHEINPFALZ betont er, dass auch die großen, ihn prägenden „B-Komponisten“ wie Bach, Beethoven und Brahms in ihrer Zeit ähnlich revolutionär und wegbereitend wirkten und ihn beeinflussten wie die am Samstag Gehörten.

Wobei bei Stefano Gervasoni die Hommage und Reminiszenz an solche Vorbilder wie bei ihm Robert Schumann auch kompositorisch zum Ausdruck kommt. Gervasoni sucht die Auseinandersetzung und den Dialog mit dem Romantiker mittels dessen Sammlung aus „Zwölf vierhändigen Klavierstücken für kleine und große Kinder“. Und zwar dergestalt, dass ein elektronisches Gerät ein künstliches „Audiosignal“ als eine Art Spiel- und Klangpartner erzeugt. So fügt sich scheinbar eine Art elektronische Stimme in die Klaviermusik ein, Klaviermusik, Imagination des Zuhörers und technische Möglichkeiten fließen zusammen, eröffnen neue Werk-sichten. Der Pianist muss den romantischen Klavierzyklus kennen und können, um dieses Medium dialogisch adäquat zu nutzen. Gervasoni gab anschließend sehr ausführliche Erläuterungen zu diesem Verfahren und seiner Sicht auf Schumann und ließ dazu auch Beispiele nochmals von Gorini und seinem Mann an der Elektronik, Nicola Casetta, einspielen. Nach Bachs bahnbrechendem Wohltemperierten Klavier(werk) quer durch alle Dur- und Molltonarten, Chopins und Liszts Virtuosentum oder den Klangfarben der Impressionisten wie Ravel oder Debussy und dem folkloristischen Kolorit wie etwa Albeniz schien mit und auf dem Klavier alles „gesagt“. Um so schwerer sind eigenständige Kreationen, wie es hier aber Giovanni Bertelli mit „Bar/Bar“ gelang, vorgetragen im Anschluss an zwei Stücke von Mauro Lanza. Ausgerechnet zu Bertellis bahnbrechendem Werk fehlten der sonst vorbildlich erstellten Broschüre nähere Informationen. Daher ließ der spannungsgeladene Vortrag auch eine gewisse Ratlosigkeit zurück. Ob vollgriffige Akkorde, kraftvoll markante Akzente, rasanter Wechsel der Takt- und Tonarten, freie Dissonanzbehandlung und plakative, eruptive Wirkungen – oft jäh und unvorbereitet einstürmend – verlangen nicht nur dem Interpreten alles ab. Das Werk wirkt letztlich wie die Zusammenfassung aller pianistischen Möglichkeiten der letzten Jahrhunderte, ein klingendes Kompendium der Klaviermusik – von Lyrik bis hin zu bizarrer Schroffheit, von Faustschlägen auf die Tasten und mit den Unterarmen erzeugten Klangexplosionen bis hin zu kaum hörbarem Streichen über die Klaviatur, ohne eine Taste anzuschlagen. Das Einschieben stereotyper Wiederholungen – etwa das häufige und vernehmliche Vor- und Zurückblättern in der Partitur, das manches Schmunzeln auslöste – wirkte zudem wie ein zusätzliches parodistisches Element. Eine bessere Hinführung und Vorbereitung erfuhren die Kompositionen von Daniele Ghisi, die eigentlich Klanginstallationen sind: Die erste Produktion dieser Art „iCi“ (en echo) – vor der Welturaufführung von „ThisIsTheGame“ mit Gesangssolistin Salome Kammer zu hören – nimmt Bezug auf Lewis Carolls „Alice hinter den Spiegeln“. Die in der Art von Kino-Dolbysurround-System installierten Klänge mit Rundbeschallung von im Halbkreis aufgestellten Lautsprechern haben semantische und auch allegorische Funktion. Fragmente aus Musik, Stimme und eine elektronisch entwickelte Geräuschkulisse bilden ein Konglomerat, das durch die Aussteuerung am Mischpult durch den Raum kreist, sich verdichtet und wie ein Soundtrack zu Filmen ungeahnte Stimmungsbilder assoziativ erzeugt. Nach den „Klavierkonzerten“ mit Nutzung des Computers oder Synthesizers als „Duo-Partner“ verzichtet Ghisi hier auf den live mechanisch gespielten Instrumentalpart, seine Klanginstallationen verarbeiten vokale und instrumentale Bestandteile, sodass sie lediglich schemenhaft durchschimmern. Solche Vorführungen sind indes keine Selbstläufer. Neue Musik bedarf einer noch intensiveren Hinführung: Auch in gesonderten, kleinen Schritten vollzogene Demonstrationen der technischen Mittel, die lange nicht jede(r) kennt, wären hilfreich. Dies könnte beispielsweise mit zusätzlichen Video-texteinspielungen verbessert werden.

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