Donnersbergkreis Inspektor Stubenfliege ermittelt

Die Bäume flogen an Weichmeier vorbei, als er den Donnersberg hinaufraste. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch, und der Motor des himmelblauen Fiat 500 heulte lautstark auf. Weichmeier bereute bereits, dass er Dörthes Wagen genommen hatte. Aber seinen minzgrünen VW-Käfer zu holen, hätte zu viel Zeit gekostet. Nach dem Besuch im „Kilkenny“ gestern Abend hatte Weichmeier ihn stehen lassen und war heimgelaufen. Er geriet ins Grübeln. Wo hatte er sein Auto eigentlich abgestellt? Seit das Parkdeck geschlossen hatte, musste er sich dauernd neue Plätze suchen. Neulich hatte er sogar ein Knöllchen kassiert – Weichmeier krallte seine Finger ins Lenkrad, als er an das süffisante Lächeln der Politesse dachte. Das Duftbäumchen am Rückspiegel („Extra Vanille mit einem Hauch von Pfirsich“) baumelte hektisch vor Weichmeiers Nase, als dieser entschlossen auf die Bremse trat. Knirschend kam der Wagen auf dem Schotterplatz des Donnersberger Forstlokals zum Stehen. Es war besser, er würde die letzten Meter zu Fuß zurücklegen, wenn er nicht auffallen wollte. Apropos nicht auffallen – Weichmeier öffnete das Handschuhfach. Irgendwo musste hier noch eine Mütze von ihm sein... „Bingo!“, entfuhr es dem Ex-Kommissar, als er seine dunkle Schirmmütze zu fassen bekam. Aber da war noch etwas. Weichmeier zog eine kleine Tasche hervor: Neben allerlei Kosmetikkrempel befand sich darin Dörthes Lieblingssonnenbrille – seine Frau erinnerte ihn damit immer an Puck, die Stubenfliege. Er hatte sich nie getraut, ihr das zu sagen. Allerdings verdeckte sie einen Großteil des Gesichts... Mit Mütze, Stubenfliegen-Brille und hochgeklapptem Kragen stapfte Weichmeier im Schutz der Bäume Richtung Radarstation. Plötzlich blieb er stehen. Da war sie. Alles war wie auf dem Foto: Das Stahlgerüst, die Antennen, die Satellitenschüssel. Der dichte Zaun verhinderte einen Blick ins Innere der Anlage. Etwas aber war merkwürdig. „Da ist ja gar keiner“, entfuhr es dem Ex-Komissar. Einen Moment wartete er, dann steuerte er das verwaiste Eingangstor an. Beim Anblick des dicken Vorhängeschlosses verfinsterte sich Weichmeiers Miene sofort. Wie hatte er nur so blöd sein können, dass er Hals über Kopf hierher gefahren war? Ohne sein Dietrich-Set, dass ihm seine Kollegen zum Abschied geschenkt hatten. Stattdessen stand er hier mit nichts als Dörthes Kosmetiketui in der Tasche und machte sich zum Narren! Als ob er mit Lidschatten, Lippenstift oder NagelfeileFlugs kramte Weichmeier sie hervor, während er sich verstohlen umsah. Noch immer keine Spur von Wachleuten. Kurz stocherte er im Schloss herum, bis es mit einem leisen „Klick!“ aufsprang. Weichmeier hielt die Luft an, dann drückte er das Tor zur Seite und schlüpfte ins Innere der Anlage. Als er den Blick über den großen Platz vor ihm schweifen ließ, überkam Weichmeier ein mulmiges Gefühl. Alles wirkte ungewöhnlich ordentlich. Einige Stühle reihten sich aneinander, an einer Gebäudewand waren Kisten mit seltsamen Symbolen sauber aufeinandergestapelt, merkwürdige Metallgestelle ragten daneben in die Höhe. Erst jetzt fielen Weichmeier ringsherum die Scheinwerfer auf, die – sollte sie jemand einschalten – die Platzmitte in ihr Licht tauchen würden. Dort, auf dem staubig-grauen Asphalt, musste erst kürzlich jemand ein übergroßes „H“ auf den Boden gepinselt haben. Über einem Stuhl hing eine leuchtende Weste und ein Paar Gehörschützer. Daneben lagen ein paar kleine Fähnchen. „Ein Hubschrauberlandeplatz“, schoss es ihm durch den Kopf. Natürlich, das musste es sein! Der Ex-Kommissar sah sich weiter um. Sein Blick blieb an einem kleinen Schuppen hängen. Leise ächzend öffnete sich die Tür. Stifte, Essensreste, ein überquillender Aschenbecher und eine eingetrocknete Kaffeetasse bedeckten einen kleinen Tisch. Daneben entdeckte Weichmeier eine Din-A-4 große Mappe. Der Ex-Ermittler trat näher, blätterte durch den Papierstapel und pfiff leise durch die Zähne. Zugegeben, er verstand kein Wort. Das mussten kyrillische Buchstaben sein. Aber er war sich sicher: Das hier war Beweismaterial allererster Güte! Plötzlich fuhr Weichmeier zusammen. Von Weitem hörte er Motorenlärm. „Zeit zu verschwinden“, dachte er. Hektisch stopfte Weichmeier die Mappe unter seine Jacke und machte sich schleunigst aus dem Staub. Fortsetzung folgt Was hat es mit dem Hubschrauberlandeplatz auf sich? Und kann Weichmeier die mysteriösen Schriften noch entziffern? Morgen erfahren Sie mehr. Alle Folgen des Advents-Krimis finden Sie auch auf www.rheinpfalz.de/adventskrimi.

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