Donnersbergkreis Eiskalt zur WM geschnippt

Den Unterricht schwänzen, durch die Flure fegen und dem Hausmeister auf der Nase rumtanzen: Das leistet sich Christian Becker, der sonst selbst als Lehrer am Wilhelm-Erb-Gymnasium in Winnweiler für Ruhe und Ordnung sorgt, nur auf dem Spielfeld. Als deutscher Meister für das „Kinderspiel des Jahres 2017“ tritt er am letzten November-Wochenende zur „Icecool“-Weltmeisterschaft in Riga an.

Über 240 Brettspiele hat Becker in seinem Besitz. Doch dass ein Besuch im Hamburger Brettspiel-Café „Würfel und Zucker“ vor gut einem Jahr solche Auswirkungen haben könnte, hätte sich der 30-jährige Chemie- und Physiklehrer nie träumen lassen: Es sei Zufall gewesen, dass dort gerade an diesem Tag ein inoffizielles Vorrundenturnier zur Deutschen Meisterschaft im Geschicklichkeitsspiel „Icecool“ stattfand, erinnert sich Becker. „Ich kannte das Spiel vorher gar nicht. Aus Spaß habe ich trotzdem einfach mal mitgemacht.“ Mit Erfolg: Der „Icecool“-Neuling belegte nicht nur den ersten Platz, sondern qualifizierte sich mit seiner Leistung auch für die Deutsche Meisterschaft, die im September dieses Jahres auf dem Amigo-Spielefest in Mannheim ausgetragen wurde. Mit etwas Training setzte er sich dort gegen elf weitere Konkurrenten aus ganz Deutschland durch. Doch Becker schnippte sich nicht nur mit Strategie und Geschick auf das goldene Siegertreppchen, sondern auch zur Weltmeisterschaft nach Riga Ende November. In Lettland, dem „Icecool“-Geburtsland, messen sich dann Teilnehmer aus 20 Nationen im Kampf um den Titel. Sein Interesse an Brettspielen, sagt der 30-Jährige, habe er dank seiner Patentante schon sehr früh entdeckt. „Sie hat häufig und gerne sehr anspruchsvolle Spiele mit mir gespielt und mich nie einfach gewinnen lassen“, erzählt er von seiner Motivation, die bis heute anhält. Bei der WM in Riga schätzt der passionierte und ehrgeizige Brettspiele-Fan seine Chancen gar nicht schlecht ein: „Es hat ja bereits in Deutschland geklappt, obwohl ich das nicht gedacht hätte. Jetzt würde ich auch gerne Weltmeister werden. Wenn ich schon mitmache, dann auch richtig.“ Auch sein Umfeld habe von Anfang positiv auf seine Erfolge reagiert: So begleiteten ihn seine Spieleabend-Kumpels, die fest mit dem Titel rechneten, als Unterstützung zur Deutschen Meisterschaft. „Ich halte mich gern auf dem Laufenden, was Spiele betrifft. Beispielsweise habe ich auch die Spielmesse in Essen besucht“, erklärt Becker. Deswegen sei er oft eine Anlaufstelle für Familie und Freunde, wenn es darum gehe, einen Spieleabend zu planen. Den Satz „Treff doch mal eine Auswahl“ bekomme er regelmäßig zu hören. Ebenso unterstützt Schulleiter Ralf Schäfer das Hobby des jungen Lehrers, der in Schmalenberg aufwuchs und in Kaiserslautern sein Lehramtsstudium absolvierte. Nicht nur habe er ihn für den Abreisetag der Weltmeisterschaft freigestellt, der zufällig auf den Tag der offenen Tür fällt. Seit einem Jahr kann Becker seine Leidenschaft auch in der Brettspiele-AG an die Schüler weitergeben: „Es ist für mich viel sinniger, mit Leuten ein Spiel zu spielen und mich mit ihnen zu unterhalten, als in die Stadt zu gehen und mich zu betrinken oder meine Zeit am PC zu vergeuden“, findet Becker. „Es macht doch auch viel mehr Spaß, wenn man gewinnt und unvermittelt wahrnimmt, wie sich sein Gegenüber ärgert“, gibt er schadenfroh zu. Die Gelegenheit, sich zusammen mit den AG-Kindern auf die anstehende WM vorzubereiten, nutzt der 30-Jährige gerne: „Ich mache jetzt keine spezielle Krankengymnastik für Finger, aber ich spiele einfach.“ Dabei übe er vor allem besondere Schüsse, sogenannte Skill-Shots. Auch für die kleinen Spiele-Fans ist die WM-Teilnahme ihres Lehrers spannend: Wann gibt es schon eine besser Gelegenheit, um sich professionelle Tipps und Tricks von einem deutschen Meister abzuschauen?