Donnersbergkreis Ein Mann hört mit

Mit Temperament für die Sache der Frauen: Marjam Azemoun in der Rockenhausener Stadtbücherei.
Mit Temperament für die Sache der Frauen: Marjam Azemoun in der Rockenhausener Stadtbücherei.

«ROCKENHAUSEN.» Mit eindrucksvollem Schauspiel, Wortwitz und zahlreichen, teils kuriosen historischen Begebenheiten begeisterte die Berliner Schauspielerin Marjam Azemoun rund 50 Besucher in der Rockenhausener Stadtbücherei. Anlässlich des Internationalen Frauentags hatten Stadt und Verbandsgemeinde die Künstlerin mit ihrem Programm „100 Jahre Frauenwahlrecht“ eingeladen.

Gerade hatten es sich die Besucher auf ihren Stühlen gemütlich gemacht, da schallte es lautstark von hinten: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, sie muss gleichermaßen das Recht haben, die Bühne zu besteigen.“ Mit diesen Worten der französischen Frauenrechtlerin Olympe de Gouse stürmte Marjam Azemoun auf ihre Bühne. So wurde sofort deutlich, warum die ausdrucksstarke Azemoun bereits für TV-Produktionen wie „Tatort“ oder „Bella Block“ engagiert wurde. Denn nach der stimmgewaltigen Einführung hing das Publikum an ihren Lippen und lauschte ihrer Erzählung vom Schicksal der französischen Frauenrechtlerin de Gouse. Im Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts hatte sie gute Gründe, wütend auf ein Podium zu stürmen. So auch auf das der Nationalversammlung im Jahr 1791, wo sie das unmündige Dasein der Frauen geißelte, die weder wählen noch Eigentum besitzen durften. Die vermeintlich fortschrittlichen männlichen Akteure der Revolution waren in diesem Gesichtspunkt allerdings wenig gesprächsbereit, lehnten die Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen ab. Und so musste sich de Gouse wie andere Frauen eben mit dem Recht auf das Schafott begnügen: Sie wurde 1793 hingerichtet. Auch Louise Otto-Peters nahm eine wichtige Rolle im Bühnenprogramm ein. Die deutsche Schriftstellerin hatte während des 19. Jahrhunderts nicht nur für die Rechte der Frauen gekämpft, sondern dazu auch viele Texte verfasst. Diese präsentierte Azemoun eindrucksvoll von einem kleinen Podium aus: „Die Teilnahme der Frau an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht.“ Otto-Peters sollte die Inkraftsetzung des von ihr geforderten Frauenwahlrechts nicht mehr erleben, das am 12. November 1918 vom Rat der Volksbeauftragten verkündet wurde. Alle deutschen Frauen ab 21 Jahren durften nun das aktive und passive Wahlrecht ausüben. „Als ich gefragt wurde, ob ich die Geschichte hinter 100 Jahren Frauenwahlrecht an einem Abend zusammenfassen kann, war ich skeptisch. Aber wir wissen ja: Wir Frauen stellen uns gern für schwierige und kaum lösbare Aufgaben zur Verfügung“, sagte Azemoun und sorgte damit für Lacher der Zuschauer. Oder eher Zuschauerinnen, denn nur ein Mann war gekommen. Azemoun nahm es gelassen: „Es ist leider so, dass bei solchen Themen kaum Männer zu den Vorstellungen kommen und wenn, dann oft nicht auf eigene Initiative.“ Die Geschichte des Frauenwahlrechts hatte sie auf jeden Fall meisterhaft und unterhaltsam in einen Abend verpackt. Sie erzählte zahlreiche kleine Geschichten, darunter Kurioses: So setzte sich mit dem Theologen Adolf von Harnack im späten 19. Jahrhundert ein Mann dafür ein, dass Frauen als Bibliothekarinnen arbeiten dürfen. Der Haken: Die von Natur aus sehr ordentlichen Frauen dürften diese Tätigkeit nur verrichten, wenn sie sich unterwürfig, bescheiden und selbstverleugnend zeigen würden. In der Bundesrepublik durften Frauen erst seit 1962 ohne die Zustimmung ihres Ehemanns ein Konto führen. Noch verrückter wurde es beim Frauenanteil im Reichs- beziehungsweise Bundestag: 1919 betrug er knapp neun Prozent, ein Wert, der erst wieder im Bundestag von 1983 erreicht wurde, als die Grünen ins Hohe Haus einzogen. Zu Beginn des Abends hatte die Gleichstellungsbeauftragte der Verbandsgemeinde, Petra Greß, darauf verwiesen, dass trotz vieler positiver Veränderungen längst nicht alle Ziele erreicht sind. Azemoun berichtete in ihrem Programm, dass Frauen, umgerechnet 77 Tage mehr arbeiten müssten, um die Lohndifferenz von 21 Prozent zu den Männern auszugleichen. Beate Klein-Liebheit, zuständig für Kultur bei der Stadt, mahnte: „Was einmal erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen.“

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