Donnersbergkreis Auf ehrliche Art

Gab mit hoher Wandlungskunst ein Stück, das unter die Haut ging: Christian Birko-Flemming.
Gab mit hoher Wandlungskunst ein Stück, das unter die Haut ging: Christian Birko-Flemming.

«HARXHEIM.»Gast beim Theater im Rathaus in Harxheim war Christian Birko-Flemming in einer anspruchsvollen Doppelrolle. „Du bist meine Mutter“ hieß das Stück, vom Hambacher „Theater in der Kurve“ produziert, von Hedda Brockmeyer inszenierte und vor Ort technisch betreut.

Mit dem Stück des Holländers Joop Admiraal servierte der Bürgerverein einmal mehr keine leichte Kost, aber höchst ambitionierte Schauspielkunst. Ein Sohn besucht regelmäßig seine an Demenz erkrankte Mutter im Pflegeheim, ist ihr Gesprächs- und Lebenspartner in ihrer immer kleiner werdenden Welt. Liebevoll, anrührend, melancholisch, mit Humor. Ein Bett, ein Nachttisch, ein Kleiderständer, ein Wecker. Während sich der Darsteller auf der Bühne und im Schauspiel einrichtet, berichtet eine Stimme aus dem Hintergrund von der Entstehung des Stückes. Mit diesem Eingangstext erfahren die Zuschauer, dass der Autor eine „ehrliche Geschichte auf ehrliche Art“ erzählen will, nichts sei erfunden, sondern alles entspricht der Wahrheit. Die Anreise des Sohnes Joop wird in seiner Reflexion regelmäßig zu einer Reise in seine Vergangenheit, in seine Jugend. Schöne Erinnerungen wechseln sich mit heftigen Erinnerungen ab, das enge Verhältnis von Mutter und Sohn ist der Ausgangspunkt. „Du bist doch mein Gott“, erinnert sich der Sohn an eine Aussage seiner Mutter anlässlich einer früheren Auseinandersetzung. Noch erkennt sie ihn, freut sich über die Zeit, die er mit ihr verbringt, doch die Krankheit schreitet voran, das Entschwinden des Menschen geschieht in Schüben, der geistige Verfall und der Abbau des Körperlichen bedingen sich wechselseitig. Die Mutter fühlt sich wohl in ihrer Umgebung, genießt die Zuwendung des vertrauten Sohnes, die Rollen werden getauscht, der Sohn bemuttert den Menschen, der ihn zu dem machte, was er ist: ein emphatischer, selbstbewusster Schauspieler. Stolz ist sie auf ihn. „Wir haben es doch gut miteinander“, versichern sich Mutter und Sohn. Zwei Rollen, zwei starke Charaktere, ein grandioser Schauspieler! Christian Birko-Flemming gelingt es, beide Figuren real werden zu lassen, er wandelt sich in Gestik und Mimik, in Tonfall und Ausdruck vom Sohn zur Mutter und wieder zurück. Er schlüpft in die Rollen und nimmt die Zuschauer mit, die scheinbar vergessen haben, dass da auf der kargen Bühne tatsächlich nur eine Person sich bewegt, das Publikum spürt beide. Sehen und hören sie die Mutter, spüren sie den besorgten und umsorgenden Sohn, ist der erwachsene Sohn im Sprech- und Bildzentrum, spürt der Zuschauer die Verbundenheit der Mutter mit der Person, die sie noch in der Gegenwart hält. Wiederholung, Erinnerung, Wiederholung, das Wechselspiel der Demenzkrankheit wird mit viel Herz und mancher humorigen Einlage widergegeben, die Last der Krankheit tragen Sohn und Mutter gleichermaßen. Das Stück ist kein Lehrstück, mehr eine Lebensstudie, die mit Achtung und Respekt von dem Schicksal an Demenz erkrankt zu sein berichtet. Keine Lösung, keine ausweglose Verzweiflung, ein Tatsachenbestand, der zum Abschied und zum Erwachsenwerden gehört, ein Annehmen der schweren Situation. Birko-Flemmings Verwandlungskunst und die Zartheit seiner Interpretation begeistern die Harxheimer Zuschauer. Es gab mit „Du bist meine Mutter“ wieder einmal ein Stück, das unter die Haut ging und das beste Schauspielkunst auf die kleine, aber feine Bühne im Zellertal brachte.

x