Donnersbergkreis Alsenz: Landrat Rainer Guth spricht in Neujahrsansprache von Reformen und „Reförmchen“

Befürworter einer Fusion der VG Alsenz-Obermoschel mit einer VG im Kreis Bad Kreuznach demonstrierten vor der Halle mit Plakaten
Befürworter einer Fusion der VG Alsenz-Obermoschel mit einer VG im Kreis Bad Kreuznach demonstrierten vor der Halle mit Plakaten, auf denen zu lesen stand »Let my people go« oder »Leben wir vielleicht im 18. Jahrhundert?«.

Mit einem amüsanten musikalischen Nachschlag zum Reformationsjahr 2017 gab „Voll der Chor“ die Vorlage, die Landrat Rainer Guth in seiner ersten Neujahrsrede auch – bescheiden – von einem „Reförmchen“ sprechen ließ. Es betraf den Schauplatz: Erstmals bot am Samstag die Nordpfalzhalle in Alsenz dem Neujahrsempfang des Landrates die Bühne. Gut 300 Besucher schufen eine stattliche Kulisse und spendeten der Rede des neuen Landrates, der zu gemeinsamer Gestaltung der Zukunft des Kreises aufrief, viel Beifall.

In die Fläche und zu den Bürgern zu kommen, nannte Guth als Motiv für die Verlagerung des Empfangs, der jahrzehntelang stets im Kreishaus stattfand. „Wir verfahren dabei alphabetisch, das heißt 2019 sehen wir uns hoffentlich alle wieder irgendwo in der VG Eisenberg.“ Er dankte der VG Alsenz-Obermoschel für die Bereitschaft, trotz bewegter Gebietsreformzeiten erster Gastgeber zu sein. Zum Thema, das vor Ort am stärksten auf den Nägeln brennt – vor der Halle demonstrierten einige Befürworter einer VG-Fusion in Richtung Kreis Bad Kreuznach – sah er nun für die Fusion mit der VG Rockenhausen eine eindeutige Richtung. „Der Weg ist klar, das ,Wie’ entscheidet nun.“ Gespräche für eine selbstbestimmte Fusion seien angestoßen, er wünsche sie sich konstruktiv, fair und zielführend für ein langfristig gutes Miteinander. Ihn freue die Zustimmung der Verantwortlichen vor Ort zur Nachfolgerin des bisherigen Beauftragten Horst Fiscus, Tanja Gaß, mit der dem Wunsch des VG-Rates nach personeller Neuausrichtung bei diesem Amt entsprochen werde. Auf das neue Jahr blicke Guth mit viel Optimismus. Anders als im Bund, wo ebenfalls gewählt wurde, stehe die Kreisregierung. Im Kreishaus konnten auch erste Reformen greifen, etwa mit dem einstweiligen Verzicht auf Dezernenten oder der Bildung einer Stabsstelle für einen Wirtschaftsförderer. Ein Strategieworkshop mit den Führungskräften habe ihm große Motivation im Haus bewiesen. „Ich bin begeistert über die konstruktive innovative Haltung meiner Abteilungsleitungen, notwendige Veränderungen anzugehen. Das macht richtig Freude“, so Guth. Dabei gehe es um Prozessoptimierungen, übergreifende Zusammenarbeit, Digitalisierung und ähnliches im Haus. Seinem Vorgänger Winfried Werner zollte Guth besonderen Dank. Er habe „einen großen kommunalpolitischen Acker erfolgreich bestellt und am Ende dessen Neuverpachtung gut organisiert.“ Insbesondere dankte er Werner für die gemeinsame Feier zur Amtsübergabe, das habe es nicht überall so gegeben. Breiteren Raum nahm in Guths Rede das Thema Asylbewerber und Flüchtlinge ein. Deren Zahl stagniere im Kreis bei etwa 1100 Personen. Ein Großteil sei inzwischen anerkannt oder noch im Verfahren, die Quote abgelehnter Asylanträge steige aber, während Ausreisen kaum vollzogen werden könnten. Zielvorgabe sei: „Integration durch Tätigkeit statt Ausgrenzung ohne Beschäftigung“. Ein Clearingverfahren soll die Betroffenen nach ihren Fähigkeiten, Sprachkenntnissen, Integrationswillen beleuchten, worauf ein runder Tisch einschlägiger Behörden und eine Arbeitsgruppe beim Sozialamt Schritte zur Arbeits- und Ausbildungsvermittlung einleiten soll. Das könne auch Berufsgruppen helfen, die händeringend nach Arbeitskräften suchten, und der Abwanderung in die Städte, wo Integration ungleich schwerer sei, entgegenwirken. Wo der Integrationswille indes fehle, werde weiterhin die freiwillige Ausreise gefördert. Das Thema nahm Guth zum Anlass, mit allem Nachdruck gegen Rassismus, Fremdenhass und Intoleranz einzutreten. Das habe im Kreis keinen Platz, strich er unter großem Beifall heraus. Der kürzliche Mordfall in Kandel habe auch ihm Gedanken an das Warum eingegeben, an das ermordete Mädchen, deren Angehörigen er sein Mitgefühl aussprach. Kein Verständnis habe er aber für plump fremdenfeindliche, die Betroffenen in ihrer Trauer verletzende Pauschalaussagen oder das politische Ausschlachten dieser furchtbaren Situation. Sein Vertrauen gelte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem Rechtsstaat und dessen Organen. Ein großes Thema sei nicht nur hier die ärztliche und pflegerische Versorgung. Problemen in diesem Bereich wolle man zum einen mit einem Weiterbildungsverbund begegnen, der junge Mediziner anlocken und für die Region interessieren soll, um sie zu einer Niederlassung zu bewegen. Möglichst viele Haus- und Fachärzte aus der Region seien einzubinden. Ein runder Tisch „Pflege und Gesundheit“ soll, voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte, auf Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die Bildung von Netzwerken hinwirken. Dass als strukturschwach geltende Teile des Kreises wieder stärker mit Leben und Struktur gefüllt werden können, daran glaube er fest, versicherte Guth, dafür spreche schon die optimale Lage des Kreises zwischen Ballungsgebieten. Dabei müsse aber an Attraktivitätsfaktoren gefeilt werden. Das betreffe schnelles Internet, was bis 2020 flächendeckend verfügbar sein werde, und den Mobilfunk – hier müssten dickere Bretter gebohrt werden, er hoffe einstweilen auf sogenanntes Binnenroaming. Guth nannte als Attraktivitätsfaktoren aber ebenso Leerstandsmanagement, Mehrgenerationenwohnen, Gemeindejugendräte, Dorfcoaches, Nachfolgemanagement für Betriebe und ähnliches – Dinge, die der künftige Wirtschaftsförderer des Kreises koordinieren könnte. In die Hand nehmen müsse man es selbst, „wir kriegen es nicht von anderen gemacht“. Guth sprach zudem seine geplanten Besuche aller kreiseigenen Schulen an, den Straßenausbau – hier stünden stagnierende Zuschussmittel gegen steigende Preise –, die Zellertalbahn, deren endgültiger Förderantrag vorm Jahresende nach Mainz ging, das Klimaschutzkonzept. Als Beleg für Erfolge und Stärken des Kreises und seiner Bewohner erinnerte er an renommierte Preise, die 2017 gewonnen wurden – und an die hohe Ehrenamtsquote. „Herzlichen Dank allen, die für Natur und Umwelt und für die Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft ehrenamtlich bereit stehen, ohne Sie wären wir ein armes Land. “ Orts-Chef Klaus Zepp mahnte in einem Grußwort aus Sicht der VG Alsenz-Obermoschel, den Abstand zu stärker entwickelten Regionen nicht größer werden zu lassen. Er erwähnte Fortschritte bei der DSL-Versorgung, auch bei regenerativen Energien sei die VG führend mit zwei Fotovoltaik-Freiflächenanlagen sowie 33 bestehenden und drei projektierten Windrädern. In der VG habe man bei Windkraft auf ein Pachtmodell gesetzt, sagte Zepp mit einem Seitenblick auf die verlustträchtigen Windkraftbeteiligungen des Kreises. Das bringe immerhin 600.000 Euro, „manchmal ist weniger eben mehr.“ Die Fusionsdebatte habe viel Substanz gekostet, merkte Zepp weiter an, die Verantwortung dafür sah er in Mainz. „Den Zick-Zack-Kurs des Landes versteht doch eh keiner mehr.“ Er hoffe nun, dass sich die berechtigten Interessen der Region in den Fusionsverhandlungen wiederfinden werden. Für die musikalische Begleitung sorgten neben „Voll der Chor“ mit seinen tollen A-cappella-Sätzen (Leitung: Alexandra Koch) die Nordpfalzmusikanten aus Alsenz und Hochstätten mit zupackender Blasmusik (Leitung: Steven Krüger).

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