Karlsruhe „Wir müssen miteinander reden“

Man gibt sich betont friedlich und liberal, gleichzeitig wird der wertkonservative Charakter der Religionsgemeinschaft betont. Rund 40.000 Muslime aus ganz Deutschland, aber auch Delegationen aus dem Ausland sowie 2000 Gäste anderer Religionen wurden zur „Friedenskonferenz“ erwartet, deren Höhepunkt vor drei Tagen das traditionelle Freitagsgebet in Anwesenheit des Kalifen Mirza Masroor Ahmad war. Was auf den ersten Blick auffällt, sind die deutlich erhöhten Sicherheitsvorkehrungen auf dem Messegelände. Angesichts der aktuell grassierenden Islamfeindlichkeit sei es eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagt Mohammad Din vom Presseteam. Konkrete Hinweise auf Anschläge gebe es in Karlsruhe aber – „Allah sei Dank“ – nicht. Dass die Sicherheit groß geschrieben wird, hängt natürlich auch mit der Anwesenheit des Kalifen zusammen, der immerhin spirituelles Oberhaupt einer Glaubensgemeinde mit weltweit bis 150 Millionen Mitgliedern ist, die als die am meisten verfolgte muslimische Gemeinde weltweit gilt. Der in Pakistan geborene Mirza Masroor Ahmad lebt deshalb seit 1984 im Exil in London. In Deutschland sind die Ahmadiyya eine eher kleine Glaubensgemeinde mit rund 45.000 aktiven Mitgliedern, rund 300 davon leben in Karlsruhe. Der Einfluss auf die Politik ist trotzdem vergleichsweise groß, in zwei Bundesländern ist man bereits als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Kirchen gleichgestellt. In Karlsruhe wurde neben vielen Bundestagsabgeordneten am Samstag auch Justizministerin Katarina Barley (SPD) erwartet. Selbst ein Vertreter der AfD war zur Podiumsdiskussion mit dem Thema „Grundgesetz und Scharia“ eingeladen. „Wir müssen miteinander reden, sonst kommen wir nicht weiter“, sagt Abdullah Wagishauser dazu, der amtierender Vorsitzender (Emir) der Ahmadiyya in Deutschland ist. Eingefleischte Gegner des Islam werde man zwar kaum überzeugen können, doch die, die mithören, die will man erreichen. Maryam Hübsch, Journalistin und eine Sprecherin der Frauen bei Ahmadiyya, hofft, dass sich so die Spaltung der Gesellschaft irgendwann überwinden lässt. Von den gewaltbereiten Strömungen im Islam distanzieren sich die Ahmadiyya ausdrücklich. „Gewalt wird kategorisch abgelehnt“, beteuert Wagishauser. Das gelte übrigens auch für die Zwangsehe, auch wenn Zuwanderer diese „Tradition“ aus ihren Herkunftsländern immer wieder mal mitbringen. „Wir arbeiten aktiv daran, so etwas zu unterbinden.“ Etwas schwerer tut sich Wagishauser beim Thema Homosexualität. Diese werde von Gott nicht „geliked“, um es modern auszudrücken. In diesem Punkt sei man tatsächlich sehr konservativ, ähnlich wie die katholische Kirche. Doch auch in diesen Fällen gelte, dass ein Mensch in erster Linie immer ein Mensch sei, den es zu respektieren gilt. Viele Kritiker sehen die Ahmadiyya nicht so entspannt. Sektenartiges Verhalten wird der Glaubensgemeinschaft immer wieder vorgeworfen und dass man Europa missionieren wolle. Auch dass die Trennung der Geschlechter in der Moschee und auch bei der Jalsa Salana rigide praktiziert wird, beißt sich mit dem weltoffenen Bild des Islam. Das Jahrestreffen sei in erster Linie ein spirituelles Treffen, heißt es hierzu. Das Gebet, die Konzentration auf den Glauben stehe im Mittelpunkt und deshalb müssten Ablenkungen vermieden werden.