Karlsruhe „Kein Dach über dem Leben“

Waschechter Mannheimer, ohne Wohnsitz: Internetblogger und Buchautor Richard Brox.
Waschechter Mannheimer, ohne Wohnsitz: Internetblogger und Buchautor Richard Brox.

Er ist inzwischen Deutschlands bekanntester Obdachloser: Richard Brox. Jetzt erzählt der gebürtige Mannheimer seine Lebensgeschichte in einem Buch. „Kein Dach über dem Leben“ heißt das erschütternde Werk.

Rund 30 Jahre lang lebt Brox als Aussteiger auf der Straße. Er flüchtet vor sexuellen Attacken, verweigert die Schule, säuft, nimmt Drogen, aber schafft den Ausstieg. Der 53-Jährige weiß genau, wovon er schreibt, schließlich ist er seit seiner Zwangsräumung vor 31 Jahren im Mannheimer Stadtteil Schönau ohne festen Wohnsitz. „Zwei gute Menschen haben mir damals geholfen, nicht ganz vor die Hunde zu gehen“, erzählt er im Gespräch mit der RHEINPFALZ. „Das waren Wolfgang Raufelder und Herbert Mies, zwei Kommunalpolitiker, die leider nicht mehr leben“, so Brox weiter. Wie er damals auf der Straße landet und von den Mannheimer Sozialbehörden ignoriert und schikaniert wird, erzählt der einstige „Problemjugendliche“ in drastischen Worten. Brox spricht von einer Spirale des Bösen, die Menschen tief hinunterziehen kann. Aber er habe seinen Frieden mit den Mannheimer Behörden gemacht. Nach drei Jahren auf der Platte verlässt er 1990 die Kurpfalz und geht auf Wanderschaft. Der Zufall will es, dass er in Berlin völlig durchnässt einen trockenen Ort sucht, weil die Notschlafstelle erst abends öffnet. Er landet in einem Internetcafé, wo man ihm einen Computer gibt und Brox sogar jemanden vom Chaos Computer Club kennenlernt. Schnell hat er die erste eigene E-Mail-Adresse und eine Standard-Webseite namens kurpfaelzer-wandersmann.de, auf der er Tagebuch über sein bewegtes Leben führt. Erst spät versteht er, dass seine Webseite öffentlich ist und seine Storys von vielen gelesen werden. Richard Brox wird kurzerhand zum Lobbyisten für Heimatlose und Suchtkranke, tritt in Talkshows auf und berichtet vom Leben unter der Brücke. Dann lernt er den Schriftsteller Günter Wallraff kennen, sie drehen den Film „Unter Null – Obdachlos durch den Winter“ und werden Freunde. Heute lebt der Mannheimer, der gerne wieder in seine Geburtsstadt zurückkehren würde, in der Wohnung des bekannten Buchautors in Rheinland-Pfalz. Mit der Erscheinung seines eigenen Printerzeugnisses erhofft sich Brox einen Paukenschlag. „Der Anfang zerreißt jedem das Herz, das im Laufe der Seiten langsam wieder zusammengesetzt wird. Aber nach dem Lesen ist niemand mehr so wie vorher“, verspricht der Autor. Alle Einnahmen aus dem Buch und eines danach angedachten Films über sein Leben – mit Musik von Xavier Naidoo und den Söhnen Mannheims – will der 53-Jährige, der zurzeit noch von 300 Euro im Monat lebt, in ein Projekt für Wohnungslose und arme Menschen in Mannheim stecken. Brox’ großer Traum: Wenn Streetworker aus den Reihen der heute rund 50 Mannheimer Obdachlosen gewonnen werden könnten, wäre das der Beginn einer „unglaublichen Wiedereingliederung“ von Ausgestoßenen und beispielgebend für andere Großstädte. Dafür, dass die Behörden, vom Jobcenter über das Sozialamt bis zum Gesundheitsamt, in Sachen Wohnsitzlose endlich an einem Strang ziehen, wolle er arbeiten. Und das, „sobald ich wieder eine eigene Wohnung in meiner Heimatstadt Mannheim gefunden habe.“ Buchtipp Richard Brox: Kein Dach über dem Leben: Biografie eines Obdachlosen. Rowohlt Verlag, 256 Seiten. Erscheinungstermin 15. Dezember 2017.

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