Nussloch / Karlsruhe Brotgetreide ist ein Spekulationsobjekt

Die Preise für Getreide haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges verdoppelt.
Die Preise für Getreide haben sich seit Beginn des Ukraine-Krieges verdoppelt.

Unter dem Motto „Regional und ungespritzt“ produziert die Marktgemeinschaft „Kraichgau-Korn“ rund 7.000 Tonnen Getreide im Jahr. Stefan Jehle sprach mit Roland Waldi, Sprecher des Vorstands von„Kraichgau-Korn“.

Sich selbst nennen sie ironisch „die Kraichgau-Körner“: Derzeit 47 Bauern in dem Dreieck zwischen Karlsruhe, Heidelberg und dem Kraichgau bieten eine Alternative zur Biolandwirtschaft. Sie wollen gesundes Brotgetreide anbauen und verzichten daher auf chemischen Pflanzenschutz. Roland Waldi, der selbst in Nussloch-Maisbach bei Heidelberg 50 Hektar Land bewirtschaftet, spricht im RHEINPFALZ-Interview über die derzeit explodierenden Einkaufspreise bei Getreide. Diese haben sich, durch den Krieg in der Ukraine und seinen Folgen, gegenüber dem Vorjahr annähernd verdoppelt. Waldi kritisiert deutlich, dass Brotgetreide zum Spekulationsobjekt wird. Lieferengpässe gebe es nicht.

Getreide ist die Basis für Brot, für viele andere Lebensmittel. Welche Gedanken beschleichen Sie, bei dem Wissen, dass ihre Kollegen in der Ukraine – der so genannten „Kornkammer Europas“ – unter Beschuss russischer Raketen stehen?
Wenn ich ehrlich bin: ich habe Angst vor der Zukunft. Und habe keine Ahnung wo das hinführen und wo das enden soll.

Glauben Sie, dass Brot als wichtiges Grundnahrungsmittel auch bei uns jetzt knapp werden könnte?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht gibt es in Teilen wieder eine Verlagerung zu Billigbrot-Produkten, aus Brot-Fabriken. Von unseren Fachbäckereien hören wir ein ganz unterschiedliches Resümee. Manche merken das gar nicht, andere etwas mehr. Aber verschwinden wird Brot als Grundnahrungsmittel sicher nicht.

Welche Bedeutung hat Getreide aus Russland oder der Ukraine für uns?
Wir können uns hier selber versorgen. Wohl aber nicht mehr zu dem Preisniveau, das vor dem Krieg bestand. Aber es drängte früher auch russisches und ukrainisches Getreide auf unseren Markt. Von den jetzt gestiegenen Preisen kommt nicht unbedingt etwas beim Bauern, beim Erzeuger an. Allein die Spritkosten für die Traktoren haben sich in den letzten Monaten verdoppelt.

Die Marktgemeinschaft Kraichgau-Korn beliefert 40 Bäcker in der Region. Wie ist die Situation derzeit bei Ihnen?
Unsere Bäcker profitieren davon, dass sie ihr Mehl derzeit billiger einkaufen als der konventionell arbeitende Kollege. Wir haben bei der Marktgemeinschaft Kraichgau-Korn diese Preisspirale nicht mitgemacht. Jedes Jahr im September legen wir unsere Preise fest. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs gab es eine geringfügige Anpassung, weil uns die Preise für Energie und Düngemittel um die Ohren geflogen sind. Aber die Kosten für die Ernte des vorigen Jahres sind bereits abgerechnet.

Wie sieht es bei Ihnen aus mit der aktuellen Ernte?
Im Moment sieht es nach einer durchschnittlichen Ernte aus. Es fehlt in vielen Teilen der Region an Wasser. In vier Wochen können wir das genauer beziffern. Aber es wird keine Rekordernte geben.

Sind bei Ihnen die Lagerstätten rechtzeitig leergeräumt für die neue Ernte?
Ja, unsere Lager sind dann leer. Das sage ich auch ganz offen: das machen wir in der Regel nicht, alte Ernte in das neue Jahr mit rüber nehmen. Wir haben derzeit noch etwa 250 Tonnen Weizen auf Lager liegen. Die liegen im Landkreis Karlsruhe.

Weizen, Roggen, Dinkel, Emmer und Einkorn – das sind die wichtigsten Sorten Ihrer Marktgemeinschaft. Wie viele Hektar werden von den 47 Bauern bestellt?
Derzeit sind das 1.600 Hektar an Flächen. Produziert werden darauf etwa 7.000 Tonnen Getreide.

Die Preise für viele Nahrungsmittel steigen deutlich: Brot wird wohl in absehbarer Zeit auch teurer werden. Butter überschritt in Supermärkten die 3-Euro Grenze je 250 Gramm. Werden Produkte aus der Landwirtschaft, jetzt zu den Preisen gehandelt, die Erzeuger und ein umweltgerechtes Handeln eigentlich erfordern?
Nein. Ganz klares Nein. Spargel und Erdbeeren und die Nachfrage in der Region haben uns dieses Frühjahr aufgezeigt, dass der Verbraucher zu billigen griechischen oder spanischen Erzeugnissen gegriffen hat. Unabhängig davon, dass auf unserem Markt genügend Spargel und Erdbeeren zu haben gewesen wären – mit einem auch deutlich günstigeren CO2-Fußabdruck. Der deutsche Bürger greift wieder zum billigen Produkt. Und fragt nicht nach, wie und wo es produziert wurde.

Haben Sie oder ein anderer der 47 Landwirte aus Nordbaden, die in Ihrer Marktgemeinschaft organisiert sind, Kontakte zu Bauern aus der Ukraine?
Nicht direkt. Allerdings haben wir vor gut einem Jahr so genannte „Weizen-Knusperli“ gemacht, ein Müsli, eine Delikatesse. Da war noch eine Palette mit etwa einer Tonne übrig, die haben wir vor etwa vier Wochen einer lokalen Ukraine-Flüchtlingshilfe gespendet. Unser Kollege Jochen Harsch in Pfaffenhofen/Zabergäu hatte das organisiert. Das ging über die Bibel-Mission direkt in die Ukraine.

Gemeinsam gutes Schaffen. Das ist der Slogan der Marktgemeinschaft Kraichgau-Korn. Was wünschen Sie den Bauern in der Ukraine?
Dass dieser Krieg und die dadurch ausgelöste Krise ganz schnell beendet wird, mit allen Mitteln, die wir haben. Den Ukrainern wünsche ich Gesundheit, Frieden und Erfolg. Den Kollegen dort wünsche ich, dass sie ihre Ernte einbringen – und zu einer gewissen Normalität zurückfinden können. Und vor allem: dass es bald mal Gesetze gibt, die verhindern, dass Nahrungsmittel zu Spekulationsobjekten werden. Die derzeitigen Preissteigerungen sind nicht nachvollziehbar, und auch nicht akzeptierbar. Denn eigentlich ist in Europa genügend Weizen auf dem Markt.

Roland Waldi.
Roland Waldi.
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