Kaiserslautern Wieder Lust auf den Klingelball

Das Spielgerät fest im Griff: Gabriele Brehm beim Torballtraining in der Turnhalle der Theodor-Heuss-Schule.
Das Spielgerät fest im Griff: Gabriele Brehm beim Torballtraining in der Turnhalle der Theodor-Heuss-Schule.

Einer lauernden Katze ähnlich kauert Gabi Brehm am Boden, hält den Kopf horchend schief, wirft sich dann wie ihre beiden Mannschaftskollegen auf den Boden, macht sich lang, blockiert das Tor vorm heranfliegenden Klingelball. Hier in der Theodor-Heuss-Schule trainiert eine Deutsche Meisterin im Torball.

Die Frau im schwarzen Borussentrikot mit der gelben Brustnummer 5 ist hochkonzentriert, denn nur ihr Gehör hilft ihr, den Ball zu orten sowie ihre Mitspieler, Männer in roten Trikots des TFC, zu dem die Torballabteilung gehört. In Dortmund ist Torball seit Ende vergangenen Jahres als Abteilung beim BVB angesiedelt. Die Damenmannschaft errang im April in Frankfurt die deutsche Meisterschaft. Mit dabei: die in Kaiserslauterern wohnende Gabi Brehm. Ziemlich spontan war sie eingesprungen, hatte nur zwei Trainingswochenenden Zeit, sich in die Mannschaft einzufügen. Und es reichte sogar für den Titel. „Der DM-Titel hat schon was. Ich will jetzt gerne weiter dranbleiben“, berichtet die 48-Jährige vom wiedererwachten Ehrgeiz. „EM hatte ich ja schon, DM eben noch nicht.“ Das sei aber lange her, war im Jahr 1999. Da spielte sie seit etwa zehn Jahren. Bald danach hat sie sich dann dem Torball abgewandt, war mit Goalball – mit größerem Feld und größerem Ball noch anstrengender und trainingsintensiver – bei der WM in Madrid, die Mannschaft verfehlte aber die Olympia-Qualifikation für Sydney. Und Gabi Brehm legte eine 15-jährige Pause ein, bis sie 2014 nach Kaiserslautern zog und begann, mit der hiesigen Mannschaft, die aktuell in der Zweiten Bundesliga spielt, zu trainieren. Mit den Männern hier zu trainieren sei schon gut, sie sei stärker gefordert, meint die Spielerin. Aber es gehe bei den Männern halt schon viel härter zu als bei den Frauen. „Deshalb spiele ich mit ihnen auch keine Turniere“, berichtet sie. Doch auch das Training ist nicht ohne. Ein hart von Christian Bachmann, der 2015 mit der Torballnationalmannschaft WM-Silber holte, geworfener Ball trifft sie an Hals und Kiefer. „Ein Abwehrfehler, ich hätte besser dicht machen müssen“, sagt sie später und zeigt, wie sie mit einem Brustpanzer geschützt ist. Aber bei der Ballabwehr getroffen, liegt sie erst mal auf dem Feld, braucht eine Weile, bis sie den Schmerz verarbeitet hat und es weitergeht. Im vergangenen Jahr hat Gabi Brehm auf Turnieren Kontakte geknüpft, bei Frauenmannschaften mitgespielt. Und mittlerweile ist sie richtig gefragt. So bekam sie unlängst einen Anruf aus Karlsruhe und war mit den Torballfrauen aus Stuttgart bei einem internationalen Turnier in Graz mit von der Partie – ohne gemeinsames Training. „In Dortmund hat es ja auch ganz schnell geklappt“, sagt sie selbstbewusst. Gerade weil die meisten Torballspieler blind sind – und jeder Nicht-Vollblinde eine Augenbinde tragen muss beziehungsweise bei Turnieren Eyepads aufgeklebt bekommt – ist das Gewöhnen aneinander besonders wichtig: Wer ist wie groß? Hat welchen Radius? Und vor allem welches Können? Begeistert berichtet Gabi Brehm, deren Sehbeeinträchtigung im Laufe ihre Jugend immer stärker wurde, die inzwischen nur noch ganz wenige Schemen sieht und eine private Massagepraxis in der Kaiserslauterer Innenstadt hat, vom Dortmunder Trainer Hasan Caglikalp: „Es ist faszinierend, wie er als Vollblinder das Können der Spieler beurteilen kann. Nur beim Wurftraining hat er einen Sehenden hinzugezogen, sonst hat er das im Ohr.“ Mit der neuen Technik, beim Wurf tiefer in die Knie zu gehen und mehr Schub zu geben, kriegt ihr Ball nun „mehr Schmackes“. Ein bisschen wie beim Bowling sieht es aus, wenn Torballspieler werfen, um den Ball unter den drei im Spielfeld gespannten Seilen hindurch zu manövrieren. An der Verbesserung ihres Spiels will sie weiter arbeiten. „Er hat gesagt, es ist noch Luft nach oben. 20 Prozent könne ich mindestens noch rausholen.“ Ganz überrascht sei sie gewesen, dass sie so häufig zum Einsatz gekommen ist bei der deutschen Meisterschaft, bei der vier Mannschaften in Vor- und Rückrunde sowie im Finale gegeneinander angetreten sind. Da es wenige Torball-Damenmanschaften gibt, wird kein regulärer Ligabetrieb gespielt wie bei den Männern. Dass sich im Spiel von Gabi Brehm einiges verbessert hat, merken auch die Kaiserslauterer Kollegen. Am liebsten spielt sie weiter auf der Außenposition, an einer der äußeren der drei Matten orientiert, die den drei Mannschaftskollegen zur Orientierung dienen. Und dann kommen der Wurf möglichst nahe an der Außenlinie, ganz gerade gespielt. „Richtig gute Spieler geben dem Ball noch einen Drall, dass er in eine andere Richtung springt oder über die abwehrenden Spieler drüber“, berichtet Brehm. Denn nur mit Abwehr ist es nicht getan: Ball fangen, entscheiden, wer angreift, werfen – acht Sekunden bleiben, um den Klingelball zum Gegner zu schicken. „Eigentlich sind zweimal fünf Minuten Spielzeit nicht lang, und das Spiel sieht von außen wohl auch eher harmlos aus“, meint Brehm. „Aber es hat schon seinen Grund, warum wir trotzdem klatschnass sind.“ Sich so richtig auszupowern, das gefällt Gabi Brehm an diesem anspruchsvollen Sport. Zur körperlichen Anstrengung kommt die extreme Konzentration – und klar muss es drumherum ganz still sein. Gabi Brehm ist froh, nun im Torball wieder so richtig weiterzukommen. Doch auch ihre anderen Interessen will sie nicht vernachlässigen. Gerne macht sie bei Tanzkursen an der Uni mit – „aber der Tanzpartner fehlt“. Aquafitness gehört zurzeit zu ihren Favoriten. Schwimmen, was sie gerne tut, ist ohne Begleitung auch nicht möglich. Und ein Fitnessstudio, das für sie geeignete Kurse anbietet, hat sie noch nicht gefunden.

Mit der Damenmannschaft des BVB gewann sie die deutsche Meisterschaft: Gabriele Brehm.
Mit der Damenmannschaft des BVB gewann sie die deutsche Meisterschaft: Gabriele Brehm.
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