Kaiserslautern Wie in der Geschichte der Stadt Epidemien das Gesundheitssystem verändert haben

Das neue Kaiserslauterer Distrikt-Krankenhaus wurde 1893 eröffnet. Zur Zeit des Krankenhaus-Baus hieß die heutige Albert-Schweit
Das neue Kaiserslauterer Distrikt-Krankenhaus wurde 1893 eröffnet. Zur Zeit des Krankenhaus-Baus hieß die heutige Albert-Schweitzer-Straße noch Hohenecker Weg.

Von Barbarossa ist in Kaiserslautern oft und gern die Rede. Neben seinen Verdiensten als Kriegsherr, Kreuzritter, Heiratspolitiker, Machtstratege, Stadt- und Universitätsgründer schenkte der römisch-deutsche Kaiser Friedrich I. den Lauterern das erste Krankenhaus. In der frühen Neuzeit wurden hier vor allem Seuchenopfer behandelt.

„Kaum jemand“, so schreibt der Historiker Jürgen Keddigkeit in seiner 2018 erschienen Chronik des Klinikums, „bringt den legendären Kaiser in Zusammenhang mit der Kaiserslauterer Krankenpflege und einem Krankenhaus. Dabei hätte man allen Grund, dem (…) Herrscher dankbar zu sein, denn die von Barbarossa veranlasste Gründung eines Spitals (…) war der direkte Vorläufer des Westpfalz-Klinikums.“

Der sagenumwobene Staufer wurde 1152 deutscher König und drei Jahre später Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Ob und wann er sich jemals am Ufer der Lauter aufgehalten hat, ist unter Experten umstritten. Jedenfalls stiftete er den Lauterern unmittelbar nach seiner Königskrönung ein „Hospital zur Heiligen Maria“. Für den laufenden Betrieb des Spitals sollten Mönche des Prämonstratenser-Ordens zuständig sein.

Spitalmeister schrieb an Hildegard von Bingen

Das Spital – mundartlich Spittel genannt – war also zunächst eine kirchliche Einrichtung. Es sollte Pilger, Alte, Arme und Kranke aufnehmen, bei Bedarf auch pflegen. Keddigkeit spricht von „multifunktionalen“ Tätigkeitsfeldern: „als Beherbergungsbetrieb auf Zeit oder Dauer, Krankenhaus, Alten- und Pflegeheim sowie als karitative Anstalt für Arme“.

Genau wie heute ging diese Aufgabenfülle mit einer enormen Arbeitsbelastung des Personals einher. Der Lauterer Spitalmeister schrieb in einem Brief an die Heilige Hildegard von Bingen, er glaube „den Belastungen seines Diensts auf Dauer psychisch nicht länger gewachsen zu sein“. Die 1179 gestorbene Benediktinernonne beschwor den Lauterer Krankenhauschef eindringlich, seine segensreiche Arbeit nicht aufzugeben.

Pflege und Hilfe, Beistand und Betreuung, medizinische Betreuung und seelsorgerische Zuwendung waren bald wichtiger denn je. Im Herbst 1347 brach auf der fernen Insel Krim die Pest aus, die binnen weniger Jahre ganz Europa verheerte und entvölkerte. Nach wenigen Monaten erreichte das Massensterben den Südwesten Deutschlands.

Wie viele Menschen der Seuche bis zu ihrem Abklingen 1358/59 zum Opfer fielen, lässt sich heute nicht mehr sagen. Schätzungen reichen von 20 bis 50 Millionen Menschen. Hinzu kamen die Folgen mehrerer Kriege und Auswirkungen eines gewaltigen Erdbebens in Südeuropa. In einer Chronik heißt es: „Die Menschen starben ohne Trauer und sie heirateten ohne Freude.“

Sie suchten nach „Schuldigen“ für diese Heimsuchung – und fanden sie in den Juden. In den Jahren 1349/50 kam es in ganz Deutschland zu gnadenlos grausamen Pogromen, etwa in Worms, Mainz, Speyer, Kusel. Und in Kaiserslautern. „Der erste urkundliche Beleg über die Existenz von Juden in Kaiserslautern stammt aus dem Jahr 1241“, schreibt der Historiker Klaus-Jürgen Alicke. „Vermutlich ließen sich hier aber bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts jüdische Händler nieder. Sie wohnten hauptsächlich in der Judengasse; auch eine Synagoge soll es bereits in dieser Zeit gegeben haben.“

Mikwe am Altenhof ist ein Beleg

Die 1996 von Archäologen freigelegte Mikwe am Altenhof ist ein Beleg für eine jüdische Tradition im mittelalterlichen Kaiserslautern. Zum Ende dieser Gemeinde schreibt Alicke knapp: „Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Juden aus der Stadt vertrieben.“ Zugleich erhielt Kaiserslautern das „Privileg“, in seinen Mauern keine Juden mehr „dulden“ zu müssen.

Im Lauterer Gesundheitswesen kam es nach der großen Epidemie zu einer organisatorischen Veränderung. Über zwei Jahrhunderte hatten die Prämonstratenser das Spital betrieben. 1360 traf der Orden mit Billigung von Kaiser und Pfalzgraf eine Vereinbarung, die wir heute als Kommunalisierung bezeichnen würden: Der Betrieb ging auf die Stadt Kaiserslautern über. Im Vertrag wird die Lage des Krankenhauses angegeben: „daz spytdal nebin an dem closter vorgebaut“.

Als Insassen werden in einem Schriftstück von 1454 „arme bettrißen und sieche leute“ genannt. Für ihr Wohlergehen kam die Stadt auf, außerdem finanzierte sich die Einrichtung über Spenden und Almosen reicher Lauterer Bürger. Tatsächlich gehört das karitative Engagement ebenso zur frühen Neuzeit wie die Grausamkeit zum „finsteren“ Mittelalter, wie Kriege und Intoleranz zum Zeitalter der Renaissance.

Liste der Deutschen Lepra-Gesellschaft

Die Deutsche Lepra-Gesellschaft hat eine Liste mittelalterlicher Pflegeeinrichtungen zusammengestellt, die auch mehrere Anlaufstellen in der Westpfalz aufführt. In Kaiserslautern wird für 1350 ein „Kodenhaus“ genannt. Koden, Kotten oder Siechenhäuser hießen jene Einrichtungen, in denen Todkranke gepflegt wurden – und abgesondert! Die Lauterer brachten ihre Sterbenden außerhalb der Stadtmauern unter: zwischen der heutigen Apostelkirche und jenem Stadtviertel, das nach fast 700 Jahren immer noch Kotten heißt. In Landstuhl ist ein Kottenhaus für 1501 aktenkundig, in Ramstein fürs Jahr 1600. Ebenso wie in Kusel (1583) hielten sich Flurnamen wie „Kotenborn“, „Kottenbruch“ und „-wiese“. Über den Lauterer Kotten zieht sich noch heute die Spitalstraße.

Die Hohenecker Rochuskapelle ist einem Heiligen geweiht, der in der katholischen Kirche als Schutzpatron gegen Seuchen verehrt wird. Rochus war ein Franziskanermönch im südfranzösischen Montpellier, der 1317 zur Wallfahrt nach Rom aufbrach und unterwegs bei der Pflege von Pestkranken mithalf. Nachdem er selbst erkrankte, soll ihn ein Engel geheilt haben. Fortan widmete er sich ausschließlich der Pflege von Seuchenopfern.

Kapelle wurde anno 1748 errichtet

Bis heute wird Rochus überall in Europa als Schutzheiliger gegen Seuchen verehrt. In Bingen fand im Jahr 2011 die 345. Wallfahrt zum Rochusberg statt. Die Lauterer Kapelle wurde anno 1748 errichtet. Zu dieser Zeit war das städtische Krankenhaus auf dem Rittersberg untergebracht. Wenige Jahrzehnte später zog das Spital, das während der zahllosen Kriege immer wieder zum Militärlazarett umfunktioniert wurde, in die heutige Schillerstraße. Zwischen 1834 und „36 entstand dort, wo heute die Apostelkirche steht, ein neuer Krankenhausbau.

Schließlich fand am 9. Mai 1893 die Einweihung des neuen Distrikt-Krankenhauses statt, das 1990 die Bezeichnung „Klinikum der Universitätsstadt Kaiserslautern“ erhielt. Heute bildet es mit den Standorten Kusel, Rockenhausen und Kirchheimbolanden das Westpfalz-Klinikum.

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