Kaiserslautern Wenn Schäuble im Bahnheim die Kanzlerin trifft

Ist es Ironie des Schicksals, dass die Kabarettisten der Lauterer Politszene Die Untiere ausgerechnet ihr einjähriges Jubiläum im neuen Domizil feiern, wenn derzeit das „satirische Schaf“ in der Kammgarn beerdigt wird? Zur Erinnerung: Seit 2010 sorgte das Quartett um Urgestein Wolfgang Marschall in der Kammgarn mit dem Satireprogramm „Da lacht das Schaf“ in der Mischung aus kommunal-, bundes- bis hin zu weltpolitischen Themen für Lachsalven, aber auch hinter den Kulissen für Gesprächs- und Zündstoff. Die Bombe ging dann 2013 hoch, als der Bruch zwischen mit dem Veranstalter der Kammgarn, Richard Müller, zu einer öffentlichen Schlammschlacht und der Suche nach einem neuen Domizil führte.

Fündig wurden sie im Lauterer Wirtshaus im Bahnheim, das sich veranstaltungstechnisch und optisch ganz auf diese neue Kooperation mit dem Team des Kulturforums „Kunstgriff“ einstellte und den „Untieren“ mit einem sogar noch größeren Saal mit 200 Plätzen (zuvor 150) und modernisierter Bühne paradiesische Verhältnisse bot. In monatlich stattfindenden Doppelveranstaltungen (jeweils mittwochs und donnerstags um 20 Uhr) stellt diese Erfolgstruppe neben den parodistischen Angriffen auf die Stadtväter auch die Kanzlerin Merkel dank Marina Tamassys schauspielerischer Kunst auf die Bühne. Sogar Bundesminister Schäuble bringt sie mit Hilfe des ebenfalls komödiantisch veranlagten Philipp Tulius ins Spiel. Dabei war bislang Marschalls Fantasie und messerscharfer Analyse keine Grenzen gesetzt: Er schnüffelt in Müllbergen nach ungelösten Problemen, führt städtebauliche Entwicklungen ad absurdum, stellt gerne Sachverhalte auf den Kopf. Er spitzt zu und zäumt das Pferd bei Bedarf – wie beim Neubau des US-Hospitals – gerne mal von hinten auf. „Für Bürger ist die Entwicklung von der Stadt des Hechts zum Hamsterdomizil mit Schnäppchenjägern ernüchternd, für uns eine kabarettistische Steilvorlage“, schmunzelt Marschall in der Gewissheit, hier in Lautern ein Eldorado an faulen Eiern – nicht nur zu Ostern – vorzufinden. Er findet sie alle durch schonungslose Recherche, rechnet vor und belegt mit Zahlen und Fakten der RHEINPFALZ-Veröffentlichungen. Humorig durchwandert er das Kalenderjahr, lässt die nostalgische Erinnerungen Revue passieren. Immer wieder – größtenteils – neue Programme mit eigenen Texten und dazu eigene Songs oder gecoverte mit Textbearbeitung, das zeichnete bislang die Untiere aus. Das ist in der Szene nicht selbstverständlich, da ein humoristisches Pferd nicht selten totgeritten wird. Dies galt teilweise für die Gastsolisten im Bahnheim, obschon Größen wie Uwe Spinder, Alex Enzminger, Roberto Capitoni (um nur einige zu nennen) letztlich doch eine Ergänzung waren, da sie andere Schwerpunkte setzen. Die Personen: Marschall studierte Psychologie in Mainz, schrieb danach Kabarettprogramme für verschiedene Theater wie Pfalztheater, Renitenz in Stuttgart oder für die Berliner „Stachelschweine“. Zusammen mit Tamassy gründete er 2009 die Untiere. Den Allroundmusiker und Keyboarder sowie Sänger Edwin Schwehm-Herter, der auch arrangiert und textet, kennt er seit 25 Jahren und blickt mit ihm auf gemeinsame Duoprogramme zurück. Von Kindesbeinen an stand Marina Tamassy in Kinderopern mit zwölf Jahren auf der Bühne im Mannheimer Nationaltheater. Sie absolvierte eine klassische Gesangsausbildung an der dortigen Musikschule und ebenso eine Lehre als Damenschneiderin. Diese Kombination führte zu einem Studium in Mönchengladbach für das „Bekleidungs-Ingenieurwesen“. Doch der Ruf des Mannheimer Theaters war nach vier Semestern stärker und sie begann mit eigenen Produktionen. Für Bühnenbild, Texte und eigene schauspielerische Rollen im skurrilen Genre – wie sie es nennt – war sie selbst verantwortlich. Beim „komischen Theater“ führte sie teilweise Regie. Seit 2003 fungiert sie beim Hörfunk als Sprecherin, synchronisierte Zeichentrickfilme. Durch privaten Schauspielunterricht und Sprecherziehung ist sie für verschiedene Rollen wie Kanzlerin oder Wutbürgerin Berta prädestiniert und kann sich dafür ihre Garderobe selbst schneidern. Tulius ist Student der Elektrotechnik an der hiesigen Uni. Schon in seiner Schulzeit reizte ihn das Imitieren und Parodieren von prominenten Persönlichkeiten. An Altkanzler Kohl reifte er, bis er zum Grönemeyer- und Udo Lindenberg-Experten avancierte. Bei den Untieren lässt er sich auch für die OB-Rolle „erweicheln“.

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