Kaiserslautern Was in Zürich wirklich geschah

Dada feiert nächstes Jahr 100. Geburtstag. Da wirkt der neue Hugo-Ball-Almanach, der gerade als Band sechs der neuen Folge beim Verlag edition text+kritik, München, erschienen ist, beinahe wie ein Atemholen, ein Innehalten.

Eckhard Faul führt auch mit dem neuen Band fort, was der ehemalige Pirmasenser Stadtbüchereileiter Ernst Teubner in den frühen Siebzigerjahren begonnen hat: Sammeln und Veröffentlichen, was sich rund um den berühmten Pirmasenser Hugo Ball und den Dadaismus im jeweils vergangen Jahr getan hat. Der Pirmasenser Literaturwissenschaftler Eckhard Faul, der auch die Hugo-Ball-Sammlung in Pirmasens betreut, ist gleichzeitig Geschäftsführer der Hugo-Ball-Gesellschaft, die zusammen mit der Stadt Pirmasens den Ball-Almanach herausgibt. Am vordergründigsten kommt er seiner Chronistenpflicht nach mit der Dokumentation der Reden zum Hugo-Ball-Preis 2014: von Thomas Hürlimann, Marc Degens, Martin Mosebach, Michael Rutschky und der Begrüßungsansprache des Pirmasenser Oberbürgermeisters Bernhard Matheis – „sowie einem kleinen feuilletonistischen Schlagabtausch“ zwischen RHEINPFALZ-Literaturredakteur Markus Clauer und dem Stadtoberhaupt, wie es in der Presseinfo zur Buchvorstellung heißt. War es nun „Labadas Gesang an die Wolken“ oder die „Elefantenkarawane“? Was im Juni 1916 im Cabaret Voltaire in der Spiegelgasse 1 in Zürich tatsächlich als der Geburtsschrei im Kreißsaal des Dadaismus zu gelten hat, darüber lässt uns Hugo Ball auch in seiner Tagebucheintragung über den Abend im Unklaren. Gleich zwei Autoren – Reto Friedmann mit „Was am Abend des 23. Juni wirklich geschah“ und Frank G. Bosman in „Die Laute von Byzanz“ – stellen mit Rückblicke auf den Dada-Ursprung diskussionswürdige Thesen über den Zusammenhang von Balls Lautgedichten und seiner religiösen Erweckung her. Bei Bosman, so Faul, gerinne dieser gar zum Begriff der „Klangtheologie“. Auch der Aufsatz von Michael Braun thematisiert Balls Verhältnis zur Religion. Balls Freundschaft zu der Schauspielerin und Filmregisseurin Leontine Sagan („Mädchen in Uniform“) versucht Bärbel Reetz in „Da war vor allem ein junger Mann aus der Rheinpfalz…“ auf den Grund zu gehen. 1910 absolvierte Ball bei Max Reinhardt in Berlin eine Regieausbildung und traf dort auf Sagan. Ob diese Freundschaft ein rein geistige geblieben ist, steht der Phantasie des Lesers anheim. Bärbel Reetz arbeitet nach Auskunft Fauls derzeit an einer Doppelbiografie zu Ball und Emmy Ball-Hennings, die unter dem Titel „…das Paradies war für uns“ bei Insel erscheinen soll. Insgesamt 18 Beiträge versammeln sich unter dem Cover des Almanachs, das eine Keramik-Büste Balls aus der Hand des Saulheimer Bildhauers Eberhard Linke zeigt. Aktuelle Nachrichten aus dem Cabaret Voltaire sowie Rezensionen wichtiger Neuerscheinungen runden den Band ab, der wie stets auch ein Personenregister enthält. Lesezeichen Hugo-Ball-Almanach. Studien und Texte zu Dada – Neue Folge 6 (2015), Herausgeber: Hugo-Ball-Gesellschaft und Stadt Pirmasens, Redaktion: Eckhard Faul; Verlag: edition text+kritik, München; 208 Seiten; 18 Euro.

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