Kaiserslautern Vielleicht (k)ein Skandal
Zu Josef Steibs Sammlern gehörte Adolf Hitler. Ansonsten ist der 1957 in Cochem gestorbene Künstler aus München, der 1933 der NSDAP beitrat, nicht so begehrt. Seine Werke werden in sehr begrenzten regionalen Zusammenhängen gezeigt. Auch der Kunstmarkt reagiert verhalten. Trotzdem pflegt die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur seinen Nachlass. Und das prominent. Ist dieser Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt? Und wenn nicht, liegt es daran, dass den Entscheidungsgremien der Stiftung die Fachkompetenz fehlt? Eine Recherche.
Die Künstlerin Uta Grün aus Holzfeld im Rhein-Hunsrück-Kreis ist eine hartnäckige Frau. Kann auch sein, dass sie nervt. Die Akteure der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur in Mainz jedenfalls ganz bestimmt. Sie und die Stiftung sind sich ganz und gar nicht grün. Seit Monaten nämlich zieht die auch berufspolitisch engagierte Malerin und Plastikerin die maßgebliche und sehr verdienstvolle Förderinstitution des Landes für Kultur wegen deren Engagement für einen Künstlernachlass durch den Kakao. Auf ihrer Homepage. Auch in Mails an die Redaktion samt einer Art wissenschaftlichem Apparat. Was ist dran an den Vorwürfen, dass die Stiftung, die 2015 Fördermittel in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro für Stipendien und Projekte ausschüttet, ausgerechnet das Erbe eines kunsthistorisch eher irrelevanten Künstlers mit NS-Vergangenheit und Adolf Hitler als Kundschaft pflegt? Und dann auch noch so auffällig. Wer die Homepage www.kulturstiftung-rlp.de aufruft, dem präsentieren sich in einer Bildleiste die drei stiftungseigenen Einrichtungen. Das europaweit renommierte Künstlerhaus in Edenkoben, das internationale Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems – und die Galerie Josef Steib in Cochem. Josef, wer? Eben. Außerhalb des Rhein-Hunsrück-Kreises kennt kaum jemand den 1898 in München geborenen und 1957 in Cochem gestorbenen Künstler. Und darum geht es unter anderem. Der „Fall Steib“, von dem die gebürtige Braubacherin Uta Grün, Jahrgang 1955, so konsequent spricht, wirkt, na ja, tatsächlich ungewöhnlich. Selbst die Stiftung, deren Vorstandsvorsitzende Ministerpräsidentin Malu Dreyer ist, tut sich offensichtlich schwer damit zu erklären, warum sie 1997 diesen einen Nachlass von der Künstlerwitwe übernommen hat: das ehemalige Wohn- und Arbeitshaus von Josef Steib in Cochem und sehr viele seiner Werke aus dem 200 Ölgemälde, 800 Aquarelle, 200 Zeichnungen, 160 Skizzen und Hunderten Radierungen umfassenden Œuvre. Deren von der Stiftung geschätzter Wert ist unter Kunstmarktgesichts-punkten nicht gerade beeindruckend: 550.000 Euro, das wird als Größe für den Nachlass insgesamt angegeben, inklusive der Immobilie. So wurde 2003 zum Beispiel das Ölgemälde „Eifellandschaft bei Mayen“ beim Auktionshaus van Ham für 1625 Euro auktioniert, ein Hobbykunstpreis fast. Was sonst aber macht seine Bedeutung aus? Entsprechende Nachfragen der RHEINPFALZ, was es denn mit dem Nachlass auf sich habe, und die Konfrontation mit Uta Grüns Kritik übten einen Legitimationsdruck aus, der zumindest bemerkenswert erscheint. Von Uta Grün genüsslich registriert, wurde die Stiftung auf ihrer Seite im Internet aktiv. Noch bevor unsere Fragen beantwortet wurden. Auch Wikipedia-Einträge änderten sich wie von Geisterhand. Und Stiftungs-Geschäftsführer Edmund Elsen sah sich veranlasst, das Ganze zur Chefsache zu erklären, wo doch die Vorwürfe von Uta Grün vorher einfach ignoriert worden sind. Vor unseren Nachfragen stand ein eher nachlässig geschriebener Text zu Steib auf der Homepage der Stiftung. Er wurde dann sukzessive korrigiert und ergänzt. Vor allem ist darin ausgiebig von Ausstellungen des Künstlers die Rede, die die Stiftung unterstützt hat – in Sparkassen, dem Café Hotel Germania in Cochem oder einem Teppichladen in Trier. Einmal, 2012, wanderte eine Porträtsammlung Steibs ins Bayrische, in die Landkreisgalerie von Schloss Neuburg/Inn. Ein Tagungshaus, wie sich herausstellt, das zwei Jahre später mit einer, der 1944 verstorbenen Malerin und ehemaligen Passauer Nazifunktionärin Margarete Schneider-Reichel gewidmeten Schau für Aufmerksamkeit sorgte. „Die Werke Josef Steibs“, heißt es an anderer Stelle eher verwirrend, „gehen immer wieder auf Reisen, so auch das kleinformatige Gemälde ,Brunhilde am Plauer See’ im Rahmen des ersten, die Ausstellung begleitenden Josef-Steib-Projektes in 2011, anlässlich des 100. Geburtstages von Brunhilde Steib“. Unter anderem stand in der ursprünglichen Stiftungsdarstellung auch, Steib habe 1914 Mal- und Radierunterricht bei einem „Prof. Herberholtz“ gehabt. In Wirklichkeit hieß sein Lehrer aber Herberholz, ohne „t“, mit Vornamen Wilhelm. Und ob Wilhelm Herberholz, zu dessen Schülern auch Otto Dix gehörte, 1914 schon Professor war, ist auch fraglich. Uta Grün listet das alles auf. Dass Ehefrau Brunhilde Steib bei ihrer Geburt wohl kaum Brunhilde Steib geheißen haben wird zum Beispiel. Dass es in der Urfassung hieß, Steib sei 1942 vor dem Bombenterror nach Bad Frankenhausen auf das elterliche Gut seiner Frau Brunhilde geflüchtet und in der korrigierten Fassung ist er nur geflüchtet. Ohne Bombenterror. Auch dass der Aufenthaltsort Steibs zwischen 1920 und 1934/35 aus den Angaben immer noch nicht klar ersichtlich ist, wird in Grüns ausführlicher Mängelliste vermerkt. Immerhin weist schon die Urfassung des Homepagetextes auf Steibs Mitgliedschaft in der NSDAP hin. Er ist 1933 eingetreten. Und in der SA war er, zumindest, wenn sich, man muss da vorsichtig sein, dem Wikipedia-Eintrag zu Steib glauben lässt. Daran, dass Steib zeitweise überzeugter Nationalsozialist gewesen ist jedenfalls, besteht auch für seriöse Quellen kein Zweifel. Inwieweit sein Kunstverständnis der zwischen 1933 und 1945 offiziell herrschenden Doktrin entsprach, ist zumindest sehr diskutabel. Die Stiftung verweist darauf, dass 1934 Teile von Steibs Werk zur „entarteten Kunst“ gezählt und vernichtet worden seien. Ohne Quellenangabe. Im Gesamtverzeichnis der 1937/38 in deutschen Museen beschlagnahmten Werke „entarteter Kunst“, das die FU Berlin seit 2010 führt, kommt der Name Steib – im Gegensatz zu dem des Nazi-Bildhauers Arno Breker – aber schon mal nicht vor. Vielleicht auch wegen mangelnder Museumsreife von Steibs Kunst. Dafür führt ihn die Datenbank GDK Research, die unbekannte fotografische Dokumente zur staatlich geförderten Kunst der NS-Zeit publiziert, „um die kritische Auseinandersetzung mit der Kunst- und Kulturpolitik des nationalsozialistischen Regimes auf eine quellengestützte Grundlage zu stellen“. Bei GDK Research ist gelistet, welche Künstler in den Jahren 1937 bis 1944 an der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ beteiligt gewesen sind, einer Verkaufsausstellung, die in der damaligen Zeit so etwas wie die Schaubühne der den Nazis genehmen Kunst darstellte (sie wird auf der Stiftungshomepage ursprünglich „Große Kunstausstellung“ genannt). Alle Nazi-Größen kauften dort ein. Und Josef Steib gehört zu denen, die dort am häufigsten ausgestellt und am meisten verkauft haben. Er nahm 1940, 1941, 1942, 1943 und 1944 daran teil (und nicht wie es auf der Stiftungshomepage hieß, 1940/42), zeigte insgesamt 36 Werke. Lediglich sechs weniger als Nazi-Liebling Arno Breker. Uta Grün hat recherchiert, dass Steib insgesamt 52.000 Reichsmark mit Verkäufen einnahm. Bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen eines Arbeiters von damals rund 100 Reichsmark. Leicht lässt sich auch nachschauen, dass Adolf Hitler zu den Sammlern von Josef Steib gehörte. 1940 erwarb der selbsternannte „Führer“ das Werk „Schafe am Waldrand“, 1944 „Halme und Blätter“ und „Beeren und Disteln“. Viel heißen muss das nicht. Der nationalsozialistische Diktator war auch Wagnerianer, was sich dem Komponisten trotz dessen antisemitischer Einstellungen kaum vorwerfen lässt. Allerdings macht die Vorliebe von Großnazis für Steibs Kunst das Anliegen schwierig, ihn als dissidenten Avantgardisten zu verkaufen. Oder auch nur, wie die Stiftung auf Anfrage behauptet, sein Oeuvre habe „nach heutigen Wissensstand und den bisherigen Recherchen“ nicht dem gängigen Kunstverständnis des NS-Regimes entsprochen. Die Stiftung bleibt, auch was die Einschätzung der künstlerischen Qualität des Werks von Josef Steib betrifft, eher diffus. Seine Arbeiten seien „durchaus von unterschiedlicher Qualität“. Neben „qualitätvollen“ Ölgemälden und „hochkarätigen“ Porträts fänden sich „einfache“ Skizzen und Studien. So heißt es auf der Homepage. Bildmaterial, Fehlanzeige. Stiftungs-Geschäftsführer Edmund Elsen schreibt in seiner Antwortmail an die RHEINPFALZ: „Josef Steib war zu Lebzeiten ein renommierter Künstler, der von dem Verkauf seiner Arbeiten leben konnte“, was wörtlich genommen bedeutet, dass wohl einige Nachlässe für die Stiftung infrage und auf sie zu kommen. Warum dann dieser?, bleibt die Frage. Es ist wohl so, das der Nachlass des Künstlers von der Stiftung vor allem wegen seiner Zeitzeugenschaft gehegt und gepflegt werden soll. Steib repräsentiere mit seinen Arbeiten die Kunst einer Region und sei durch den Nachlass sowie seine Äußerungen als Zeitzeuge zu werten, heißt es. Dazu gehöre, was eine interessante dialektische Begründung darstellt, auch seine „Ambivalenz gegenüber der Ideologie des Dritten Reiches“. Außerdem biete die Galerie Josef Steib aufgrund ihres beinahe originalen Erhaltungszustands eine „einmalige Gelegenheit“, weiterführende Untersuchungen zu leisten, was ein „Anliegen“ der Stiftung für Kultur sei. Wir fragten Geschäftsführer Elsen: Wie beurteilt die Stiftung die kunsthistorische Bedeutung des Werks? Und: Würde die Stiftung den Nachlass noch einmal übernehmen? Elsen: „Es handelt sich hier nicht nur um eine kunsthistorische Bedeutung, sondern vielmehr ermöglicht der Nachlass einen historischen Einblick in die Künstler der damaligen Zeit. (…) Die Galerie stellt eine Zeitkapsel dar (…) Unabhängig von der politischen Ausrichtung und der künstlerischen Qualität der Arbeiten Josef Steibs während der NS-Zeit, ist ein solcher Nachlass mittlerweile eine äußert wichtige historische Quelle (…)“ Unabhängig von der künstlerischen Qualität und der politischen Ausrichtung also? Wuchtig liest sich diese Rechtfertigung nicht gerade. So, dass die Galerie Josef Steib gleichberechtigt neben dem Künstlerhaus Edenkoben und dem Künstlerhaus Schloss Balmoral stehen kann. So, dass zurecht öffentliches Geld für ihren Erhalt und die weitere Erforschung von Leben und Werk Josef Steibs, die ja offenbar seit 18 Jahren stattfindet, ausgegeben wird. Uta Grün jedenfalls hält das für einen Skandal. Ihre Kritik hat allerdings auch größeren Horizont als der Umgang mit Josef Steib. Sie glaubt, der Stiftung sei der Nachlass untergeschoben worden und werde jetzt eben weiter mitgeschleppt – mangels Widerspruchs-Kompetenz in den Stiftungsentscheidungsgremien. Ein schwieriges Thema. Tatsächlich ist das über Projekte, Stipendien und Aufwendungen entscheidende Stiftungs-Gremium anders als etwa bei der vergleichbaren Landes-Einrichtung in Hessen, nicht mit Fachleuten, sondern ausschließlich politisch besetzt. Neben Ministerpräsidentin Malu Dreyer sitzen Finanzministerin Doris Ahnen, Kulturministerin Vera Reiß und Justizminister Gerhard Robbers im Vorstand. Lediglich im beratenden Kuratorium sind auch Experten wie der Ex-Pfalzbau-Intendant Hansgünther Heyme vertreten – in der Minderheit gegenüber Politikern. Für Sachverstand sorgt dort auch, zumindest ist das so auf der Stiftungshomepage aufgeführt, Kulturministerin Vera Reiß. Dieselbe, die ja auch dem entscheidenden Vorstand angehört. Sie berät und entscheidet gleichermaßen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich dabei nie in Selbstwidersprüche verstrickt.